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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Nichtigkeit von Eigentümerbeschlüssen: Änderungen durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes
Jahresabrechnung, Absenkung und Vertretungsermächtigung
29.03.2024 (GE 5/2024, S. 225) Die WEG-Reform von 2020 erweitert einerseits die Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer, schränkt sie andererseits auch ein. Ein Beschluss über die „Genehmigung der Jahresabrechnung“ ist dann insgesamt nichtig, wenn sich aus der Abrechnung die angepassten Vorschüsse und Nachschüsse i.S.v. § 28 Abs. 2 WEG nicht ergeben. Eine Beschlusskompetenz über das Rechenwerk zu beschließen, sieht § 28 Abs. 2 WEG nicht vor, dies ist im Regelfall aber Teil des Genehmigungsbeschlusses. Beschlüsse, die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 WEG für einzelne Gegenstände das Umlaufverfahren mit Mehrheit vorsehen (sog. Absenkungsbeschlüsse), sind nicht isoliert anfechtbar. Eine Beschlusskompetenz, in einer verwalterlosen Gemeinschaft einen Wohnungseigentümer zur Beschlussumsetzung gegenüber Dritten zu ermächtigen, besteht seit der WEG-Reform 2020 nicht mehr. Durch Beschluss können die „Eigentümer also kein Mitglied ermächtigen, im Außenverhältnis die gefassten Beschlüsse wirksam umzusetzen.
Der Fall: Die Kläger begehren die Ungültigerklärung verschiedener Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung vom 2. Dezember 2021. Unter TOP 2 erging ein Beschluss über eine sog. Nebenkostenabrechnung 2020, der jedoch nicht als Wirtschaftsplan verstanden werden kann. Daneben wurden Absenkungsbeschlüsse gefasst: Da die Gemeinschaft vom 1. Januar 2021 an nicht mehr über einen Verwalter verfügte, beschlossen die Wohnungseigentümer, dass in diesem Zeitraum der in den Beschlüssen genannte Wohnungseigentümer zur Einberufung von Wohnungseigentümerversammlungen und zur Umsetzung der in dieser Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt wird. Das AG hat die Klage abgewiesen, hiergegen die Berufung.

Das Urteil: Die Berufung hat teilweise Erfolg. Der Beschluss zu TOP 2 über die Nebenkostenvorauszahlung, bei dem es sich in der Sache um einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG handeln sollte, ist nichtig. Er kann weder als Beschluss über die Abrechnungsspitzen (nämlich die Anpassung von Vorschüssen gemäß § 28 Abs. 2 WEG) ausgelegt noch entsprechend beschränkt werden. Beschlossene Vorschüsse, die durch den Beschluss hätten angepasst werden können, sind nicht vorhanden. Dass die Eigentümer freiwillig Zahlungen an die Gemeinschaft leisteten, ändert nichts daran, dass nach § 28 Abs. 2 WEG nicht über die geleisteten, sondern über die nach dem Abs. 1 geschuldeten Vorschüsse abzurechnen ist. Bei der gebotenen objektivnormativen Auslegung verbleiben keine Zweifel, dass Beschlussgegenstand das vorgelegte Rechenwerk mit den ausgewiesenen Forderungen als Differenz der auf die Eigentümer entfallenden Ausgaben und der geleisteten Zahlungen im Sinne einer so genannten Nebenkostenabrechnung sein sollten; dafür besteht aber keine Beschlusskompetenz. Es wäre richtig gewesen, die Vorauszahlungen mit null anzusetzen und sodann als Abrechnungsspitzen die tatsächlichen auf die Eigentümer entfallenden Anteile der Ausgaben zu beschließen.
Die sog. Absenkungsbeschlüsse (TOP 4 I 2, 7, 8, TOP 4 II 7.2) sind dagegen nicht für ungültig zu erklären. Hier wurde beschlossen, dass zu dem jeweiligen Tagesordnungspunkt im schriftlichen Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit Beschluss gefasst werden soll.
Diese verfahrensmäßigen Beschlüsse über eine Beschlussfassung im vereinfachten schriftlichen Umlaufverfahren sind nicht isoliert anfechtbar, da es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vielmehr erfolgt deren Prüfung im Rahmen der Anfechtung des in diesem Verfahren jeweilig gefassten Beschlusses.
Unabhängig von der dogmatischen Einordnung ist Regelungsgegenstand dieses Beschlusses alleine die Art und Weise der Beschlussfassung. Damit erledigt sich in jedem Fall mit der Durchführung des Beschlussverfahrens im vereinfachten Umlaufverfahren der Beschluss. Dies aber schließt ein isoliertes Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung aus.
Der Eigentümer erhält dennoch hinreichenden und effektiven Rechtsschutz. Die Art und Weise der Beschlussfassung ist neben der inhaltlichen Prüfung der Anfechtung des materiellen Beschlusses vorbehalten. Dies entspricht Geschäftsordnungsbeschlüssen, die ebenfalls nur Verfahrensfragen bei der Beschlussfassung regeln und sich mit Ablauf der Beschlussfassung auf der Versammlung erledigen. Bei den bislang üblichen Geschäftsordnungsbeschlüssen innerhalb einer Eigentümerversammlung konnte eine Sonderrechtsnachfolge nicht eintreten.
Da der Absenkungsbeschluss nur eine Verfahrensfrage regelt, die Ankündigungspflicht aber die inhaltliche Vorbereitung auf die Beschlussfassung ermöglichen soll, ist ein Bedürfnis für eine gesonderte Ankündigung nicht erkennbar. Gegen eine Anfechtbarkeit von Absenkungsbeschlüssen sprechen zudem praktische Erwägungen, zumal die Anfechtung des Absenkungsbeschlusses dessen Umsetzung ohnehin nicht hindert.
Auch eine Aussetzung des Absenkungsbeschlusses im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wird nicht vorkommen. Selbst wenn man den Absenkungsbeschluss für anfechtbar hält, stellen sich kaum lösbare Fragen dahingehend, wie die Anfechtung des Absenkungsbeschlusses und des materiellen Beschlusses praktisch zu verknüpfen sind.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass bereits die Anfechtungsgründe für den Absenkungsbeschluss sich nur selten von dem materiellen Beschluss trennen lassen werden und es daher prozessunökonomisch zu Doppelungen bei der Anfechtungsbegründung kommen muss, woraus Unsicherheiten bei dem gerichtlichen Prüfungsprogramm folgen.
Ob etwas anderes gilt, wenn der Absenkungsbeschluss die Grenzen des § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG überschreitet, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall nicht vorliegt. Überdies wurde gegen die vorgenannten Beschlüsse innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist lediglich angeführt, dass diese deshalb unwirksam seien, weil für ein Umlaufverfahren die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich sei, was aber nach neuer Rechtslage nicht mehr der Fall ist.
Der Beschluss zur TOP 4 Abs. 1 Ziff. 9 ist insoweit nichtig, als mit diesem ein Eigentümer zur Umsetzung der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse einschließlich möglicher Umlaufbeschlüsse ermächtigt wird.
§ 24 Abs. 3 WEG sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass durch Beschluss ein Wohnungseigentümer zur Einberufung einer Eigentümerversammlung ermächtigt werden kann, um auch in verwalterlosen Gemeinschaften die Durchführung von Eigentümerversammlungen zu ermöglichen.
Die Klage wendet sich auch vergeblich gegen die Auswahl des Einladenden. Die Wohnungseigentümer haben insoweit ein weites Ermessen, das von den Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden kann. Es kann also ein Eigentümer im Wesentlichen ermächtigt werden, den Versammlungsort und die Versammlungszeit auszuwählen, wobei er insoweit an die normalen Vorgaben gebunden ist. Zudem hat er die Einladungen organisatorisch abzuwickeln. Anträge für die Eigentümerversammlung kann ohnehin jeder Eigentümer stellen, die dann auch nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung behandelt werden müssen.
Demgegenüber kann durch Beschluss nicht ein Wohnungseigentümer zur Umsetzung von Beschlüssen ermächtigt werden, insoweit besteht keine Beschlusskompetenz, womit der Beschluss insoweit nichtig ist.

Anmerkung: Das reformierte Wohnungseigentumsrecht regelt in § 9b die Vertretung der verwalterlosen Wohnungseigentümergemeinschaft – wenig praxistauglich – dahingehend, dass eine Vertretung im Wege der Gesamtvertretung durch sämtliche Wohnungseigentümer erfolgen muss.
Die nach altem Recht bestehende Beschlusskompetenz, die sich in der Praxis bewährt hatte, hat der Gesetzgeber bewusst abgeschafft. Damit ist es ausgeschlossen, einen Eigentümer durch Beschluss zu ermächtigen, im Außenverhältnis wirksam die gefassten Beschlüsse einer Eigentümerversammlung umzusetzen.
Jedoch nahezu alle Beschlüsse, die auf einer Eigentümerversammlung gefasst werden, bedürfen der Umsetzung nach außen, etwa über Sanierungsmaßnahmen oder die Einholung von Angeboten für Erhaltungsmaßnahmen oder zur Erforschung von Sanierungsbedarf. Das von ihnen angestrebte Ziel können die Eigentümer nach neuem Recht nur dadurch erreichen, dass sie einen Eigentümer zum Verwalter bestellen.
Gegebenenfalls können sie auch die Entscheidungsmacht des aus ihrem Kreis gewählten Verwalters so weit beschränken, wie sie es für angezeigt halten. In eine entsprechende Verwalterbestellung wird der Beschluss indes nicht umgedeutet werden können.

Den Wortlaut finden Sie in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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