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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Anforderungen an die Schriftform bei sofortiger Weitergabe der Räume an einen Untermieter
Mietfläche reicht zur Bestimmbarkeit wg. unterschiedlicher Messmethoden nicht
17.02.2021 (GE 2/2021, S. 90) Ein für längere Zeit als ein Jahr geschlossener Mietvertrag über Gewerberäume wahrt die erforderliche Schriftform grundsätzlich nur dann, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses – aus der Vertragsurkunde ergeben. Der Mietgegenstand kann trotz ungenauer Bezeichnung hinreichend bestimmbar bezeichnet sein, wenn der Mieter diesen bei Vertragsabschluss – oder bei Abschluss eines Nachtrags – bereits nutzt; nicht so, wenn er die Räume nie genutzt, sondern an einen Dritten untervermietet hat.
Zum Hintergrund: Ein für länger als ein Jahr abgeschlossener (Wohn-, Geschäftsraum-, Grundstücks-) Mietvertrag muss bekanntlich in schriftlicher Form abgeschlossen werden, um eine vorfristige Kündigung zu vermeiden. Die seit Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 in ihrem Wortlaut unveränderte Bestimmung (damals: § 566, heute: § 550) entstand als Äquivalent dafür, dass die 2. Kommission sich nach langer Diskussion dazu entschieden hatte, den Grundstückserwerber anstelle des Vermieters in die bestehenden Mietverhältnisse eintreten zu lassen. Damit dieser aber abschätzen konnte, ob langfristige Mietverhältnisse vorlagen, an die er etwa gebunden wäre, mussten diese Verträge in Schriftform vorliegen, also für ihn in Inhalt und Umfang erkennbar sein. Wäre das nicht der Fall, sollte der Erwerber sich hiervon durch ordentliche Kündigung lösen können. Nicht mehr und nicht weniger liegt der Schriftformregelung zugrunde, bei deren Erarbeitung ausweislich der Protokolle kein Kommissionsmitglied an irgendwelche hiermit verbundenen Warnfunktionen gedacht hat, sicherlich auch nicht an eine Fallkonstellation, wie sie der nachfolgend dargestellten Entscheidung des BGH zugrunde liegt.

Der Fall: Durch schriftlichen Vertrag vom März 2011 mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin Räume zum Betrieb eines Ladengeschäftes für die Zeit bis zum 15. Februar 2017, wobei sich deren Lage aus einem als Anlage beigefügten Grundriss ergeben sollte, der dem Vertrag jedoch nicht beilag. Im Februar 2016 schloss die Beklagte, die die Räumlichkeiten nicht selbst nutzte, sondern ohne Kenntnis der Vermieterin untervermietet hatte, unter Bezugnahme auf den Vertrag von 2011eine Nachtragsvereinbarung, wonach sich die Laufzeit des Vertrages unter Erhöhung der monatlichen Miete bis zum 28. Februar 2021 verlängerte. Nach Erwerb des Grundstückseigentums kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten im November 2017 unter Hinweis auf einen Schriftformmangel ordentlich zum 30. Juni 2018 und verlangt Rückgabe der Mieträume.

Die Entscheidung: Das LG München wies die Räumungsklage ab, das OLG München gab ihr auf die Revision der Klägerin statt, weil der Mietvertrag die Schriftform des § 550 BGB nicht eingehalten habe, dessen Fehlen auch nicht durch den Nachtrag geheilt worden und die ordentliche Kündigung deswegen begründet gewesen sei. Der BGH wies die vom OLG zugelassene Revision zurück, weil dessen Ausführungen „sich im Rahmen der Rechtsprechung des Senats“ hielten. Der Senat habe zwar bereits entschieden, dass der Mietgegenstand trotz einer ungenauen Bezeichnung im Vertrag hinreichend bestimmbar sei, wenn der Mieter diesen bei Abschluss des Vertrages oder Nachtragsvereinbarung bereits nutze, weil dann der Umfang der bisherigen Nutzung zur Auslegung herangezogen werden könne. Allerdings sei die tatsächliche Nutzung für die Bestimmbarkeit des Mietobjekts im Falle der Untervermietung nur dann ein taugliches Kriterium, wenn auch ein Erwerber dessen Identität entweder schon aus dem ursprünglichen Vertrag heraus oder aus einer Nachtragsvereinbarung, in der dieser namentlich bezeichnet werde, erkennen könne. Weil dies hier aber nicht der Fall sei, also weder eine Untervermietung noch die Identität des Dritten aus dem Mietvertrag oder dem Nachtrag ersichtlich sei, wäre es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung nicht möglich gewesen, „den Mietgegenstand vor Ort zu identifizieren“. Auch durch die Mietfläche sei ein Mietgegenstand nicht hinreichend bestimmbar. Das Berufungsgericht habe festgestellt, dass in der Immobilienbranche mehrere Berechnungsmethoden für die Flächenberechnung angewandt würden, die bei demselben Objekt zu Abweichungen von bis zu 25 % führen könnten.

Anmerkung: Was will der BGH uns sagen? Zum einen, dass die etwa in mangelnder Bezeichnung liegenden Schriftformmängel „ausgeglichen“ werden können durch „tatsächliche Nutzung“: Das heißt also, dass später irgendwann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten über die Einhaltung der Schriftform gekommen ist, rückwirkend auf einen – imaginären – Grundstückserwerber abgestellt werden soll, um aus dessen (!) Sicht die damalige tatsächliche Nutzung zu ergründen. Schlichtweg undurchführbar, wenn z. B. Gaststätten mit davor liegenden Freiflächen wie Biergärten usw. vermietet worden sind.
Und zum anderen soll die tatsächliche Nutzung durch einen Untermieter ausreichen, wenn dessen Identität vom – späteren – Erwerber erkannt werden kann, wenn er also „namentlich“ bezeichnet worden ist: Würde denn eine Bezeichnung wie z. B. „Money Ltd., Birmingham“ ausreichen? Und wie ist zu entscheiden, wenn der Untermieter die Räumlichkeiten gar nicht nutzt? Ausgehend von Sinn und Schutzzweck des § 550 BGB erscheint der Rückgriff auf eine tatsächliche Nutzung zur Bestimmung des Mietgegenstandes zumindest fraglich (vgl. Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 550 Rn. 32).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 119 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Hans-Jürgen Bieber


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