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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Einzelabstimmung über jeden von mehreren Bewerbern bei Verfehlen der absoluten Mehrheit
WEG-Verwalterbestellung
23.08.2019 (GE 14/2019, S. 895) Werden mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl gestellt, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden, sofern nicht ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nur eine Ja-Stimme abgeben können.
Der Fall: Die Parteien bilden eine WEG. Gemäß § 6 Abs. 1 der Teilungserklärung bestimmt sich das Stimmrecht nach den Miteigentumsanteilen. In § 6 Abs. 7 Satz 1 ist geregelt, dass Stimmenthaltungen als nicht abgegebene Stimmen gelten ebenso wie die Stimmen nicht anwesender oder nicht vertretener Wohnungseigentümer.
In der Versammlung vom 10. November 2016 waren Wohnungseigentümer mit insgesamt 935,35/1.000 Miteigentumsanteilen anwesend oder vertreten. Zu TOP 1 war die Bestellung eines Verwalters für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen. Neben der bisherigen Verwalterin (Beschlussvorschlag 1) gab es drei weitere Bewerber um das Amt (Beschlussvorschläge zu 2 bis 4).
Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf die Ja-Stimmen 463,40/1.000 Miteigentumsanteile, auf die Nein-Stimmen 382,25/1.000 Miteigentumsanteile sowie 89,70/1.000 Miteigentumsanteile auf Enthaltungen. Der Versammlungsleiter stellte fest, dass die bisherige Verwalterin wiedergewählt sei und es daher keiner weiteren Abstimmungen bedürfe. Zu TOP 2 wurde der Abschluss eines Verwaltervertrages mit der wiederbestellten Verwalterin beschlossen. Die Kläger haben die Beschlüsse angefochten. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, jedoch die Revision zugelassen.

Das Urteil: Die Revision bleibt erfolglos. Die Verwalterbestellung ist nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Es lag innerhalb des ihm zustehenden Ermessens, dass der Versammlungsleiter die Kandidaten beginnend mit der bisherigen Verwalterin nacheinander zur Abstimmung gestellt hat. Fehlerhaft ist allerdings, dass er die Abstimmung nach dem ersten Wahlgang abgebrochen hat. Nur wenn ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht hat, darf die Abstimmung über die weiteren Bewerber abgebrochen werden.
Im vorliegenden Fall reicht nicht, dass die ehemalige Verwalterin bei der ersten Abstimmung die relative Mehrheit erreicht hat, da die Enthaltungen nicht mitzuzählen sind. Wer sich der Stimme enthält, hat sich nicht anders entschieden, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Im vorliegenden Fall haben sich insgesamt die Inhaber von 471,95 Miteigentumsanteilen (Nein-Stimmen und Enthaltungen) nicht für die bisherige Verwalterin ausgesprochen und hätten sich zusammengenommen für einen der weiteren Wahlvorschläge entscheiden können. Dies ist durch den Abbruch der Abstimmungsvorgänge verhindert worden. Damit ist eine Mehrheit bei der Verwalterwahl nicht ordnungsgemäß festgestellt worden.
Mit der Verwalterbestellung ist auch der Abschluss des neuen Verwaltervertrages hinfällig.

Anmerkung: Im Ergebnis ist also eine bloß relative Mehrheit in einem getrennten Abstimmungsvorgang für die Verwalterbestellung nicht ausreichend, weil sich die Nein-Stimmen mit den Enthaltungen zusammentun und für einen weiteren Verwaltervorschlag dann ihrerseits die relative Mehrheit zusammenbringen können. Anders nur, wenn sich im ersten Wahlgang bereits eine absolute Mehrheit an Ja-Stimmen ergibt, weil dann auch der Rest keine überwiegende Mehrheit mehr erreichen kann.
Diskutiert wird in der BGH-Entscheidung noch, ob der Verwalter außer über die Reihenfolge der Verwalterbewerbungen auch darüber eine Erklärung abgeben kann, dass die Wohnungseigentümer in allen Wahlvorgängen nur einmal eine Ja-Stimme abgeben dürfen. Meines Erachtens versteht sich das nicht von selbst. Wenn es um das Erreichen der absoluten Mehrheit geht, ist es wohl vertretbar, dass nach einem (mangels absoluter Mehrheit) weiteren Wahlvorgang alle Wohnungseigentümer wiederum frei sind, mit Ja zu stimmen. Wenn dann in keinem Abstimmungsvorgang (hier vier an der Zahl) eine absolute Mehrheit erreicht wird, ist der Verwalter gewählt, der bei den vier Abstimmungen eine relative Mehrheit erreicht, also mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen, wobei die Enthaltungen dann unter den Tisch fallen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 922 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Anwaltskanzlei Dittert


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