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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Bußgeld ist auch gegenüber juristischen Personen zulässig
Haftung für Datenschutz-Verstöße
24.04.2024 (GE 6/2024, S. 273) Nach überkommener Auffassung kann ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit wegen des im deutschen Recht verankerten Schuldprinzips nur gegen eine natürliche Person festgesetzt werden. Dies widerspricht den europarechtlichen Regeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH können die in Art. 83 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorgesehenen Geldbußen unmittelbar gegen juristische Personen verhängt werden, wenn diese als für die Datenverarbeitung Verantwortliche einzustufen sind. Hiernach erfordert eine Verbandshaftung weder das Verschulden eines Repräsentanten noch eine Aufsichtspflichtverletzung. Vielmehr sind Unternehmen im Deliktsbereich der DSGVO per se schuldfähig.
Der Fall: Die Berliner Datenschutzbeauftragte hatte anlässlich einer Überprüfung bei der Deutsche Wohnen festgestellt, dass personenbezogene Daten, die nicht mehr benötigt wurden, nicht regelmäßig gelöscht wurden.
Wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die DSGVO wurde ein Bußgeldbescheid von über 14 Millionen € gegen die Gesellschaft erlassen. Auf den Einspruch der Betroffenen stellte das Landgericht Berlin zunächst das Verfahren ein; die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führte dazu, dass nach Einholung einer Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofs das Kammergericht jetzt die Fortsetzung des Verfahrens anordnete.

Die Entscheidung: Das Kammergericht verwies auf die Vorabentscheidung des EuGH, wonach das überkommene innerstaatliche Recht zum „limitierten Haftungsregime“ von Verbänden dem vorrangig geltenden Unionsrecht widerspricht. Die Auffassung, das Verschulden eines Repräsentanten, einer natürlichen Person, sei Voraussetzung für eine Bußgeldhaftung, sei überholt. Auch eine juristische Person sei schuldfähig und es müsse nicht angegeben werden, welche natürliche Person gehandelt hat, wenn eine Ordnungswidrigkeit geahndet werden solle. Das Verfahren beim Landgericht sei daher fortzusetzen.
Anmerkung: Wie das Kammergericht hatte schon das LG Bonn entschieden (Urteil vom 11. November 2020 - 29 OWI 1/20) und hatte ein Bußgeld gegen die 1 & 1 Telekom GmbH wegen Verstoßes gegen die DSGVO festgesetzt. Anlass für das Bußgeldverfahren war eine Strafanzeige wegen Stalkings eines Kunden des Telefondienstleisters. Dessen ehemalige Lebensgefährtin hatte über das Callcenter die neue Telefonnummer ihres Ex-Partners erfragt, indem sie sich als dessen Ehefrau ausgegeben hatte. Die Entscheidung des LG Bonn war in der Literatur weitgehend auf Zustimmung gestoßen.
Das Bußgeld gegen die Wohnungsgesellschaft setzt einen vorsätzlichen Verstoß gegen die DSGVO voraus; auch ein fahrlässiger Verstoß mit entsprechend geringerem Bußgeld käme in Betracht. Nur bei schuldlosem Handeln müsste das Verfahren eingestellt werden, weil ein bloß objektiver Pflichtverstoß („strict liability“) nicht ausreicht. Die Feststellung des Verschuldens der handelnden Personen, das sich das Unternehmen zurechnen lassen muss, dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 282 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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