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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Anrechnung des Balkons auf die Wohnfläche bei Vertragsschluss ab 1. Januar 2004 nur zu einem Viertel
BGH entscheidet: Überleitungsvorschrift der WohnflächenVO gilt hier nicht
15.03.2024 (GE 4/2024, S. 172) Wenn im Vertrag nicht näher festgelegt ist, wie die Wohnfläche zu berechnen ist, sind auch im freifinanzierten Wohnraum die Bestimmungen für preisgebundenen Wohnraum anwendbar, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gelten. Ist der Mietvertrag ab 1. Januar 2004 abgeschlossen, ist die Balkonfläche nur zu einem Viertel anzurechnen; die Überleitungsvorschrift des § 5 Wohnflächenverordnung gilt nicht.
Der Fall: Die Klägerin ist seit 2014 Mieterin einer Wohnung im in den 1960er Jahren errichteten Mehrfamilienhaus. Die Wohnfläche war nach den damals gültigen Berechnungsgrundlagen ermittelt worden; im Mietvertrag war sie mit 49,18 m2 angegeben. Anlässlich eines Mieterhöhungsverlangens ließ die Klägerin die Wohnung neu vermessen; die tatsächliche Wohnfläche wurde im April 2021 mit 42,64 m2 ermittelt. Die Klägerin verlangte Rückzahlung der überzahlten Mieten für 2014 bis April 2021. Das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten ergab eine Wohnfläche von 43,3 m2, wobei die Fläche des Balkons mit einem Viertel angerechnet wurde.
Das Amtsgericht gab der Klage im Wesentlichen statt; die Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen, das zur Klärung der Frage, wie bei Altbauten die Fläche des Balkons zu berechnen ist, die Revision zuließ.

Der Beschluss: Der Bundesgerichtshof meinte, die Frage sei schon geklärt. Maßgeblich sei immer der Rechtszustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, wobei die Überleitungsvorschrift des § 5 Wohnflächenverordnung nicht anzuwenden sei. Wenn es danach auf den Zeitpunkt der erstmaligen Berechnung der Wohnfläche oder auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes ankomme, sei dies für die Auslegung, was die Parteien bei Vertragsschluss unter der Wohnfläche verstanden hätten, ohne Belang. Die Fläche des Balkons sei mangels abweichender Vereinbarung nur zu einem Viertel anzurechnen, woraus sich eine Wohnflächenabweichung von mehr als 10 % ergebe.
Die von der Vermieterin eingelegte Revision sei auch ohne Aussicht auf Erfolg, da die Wohnflächenangabe im Mietvertrag als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen sei. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt; die Regelverjährung beginne erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Eine solche Kenntnis liege nicht schon in der Nutzung der Wohnung durch die Mieterin. Allein der vermittelte optische Eindruck oder das Ausmessen einzelner Wände vermittele dem Mieter keine Kenntnis sämtlicher für eine Wohnflächenberechnung erforderlichen Tatsachen. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis liege nicht vor; ein Mieter sei nicht verpflichtet, die Wohnung vollständig auszumessen.

Anmerkung: Der Bundesgerichtshof bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung (GE 2019, 794; GE 2023, 1143), wonach die Parteien stillschweigend die Vorschriften zur Wohnflächenberechnung vereinbaren, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gelten. Klargestellt wird, dass die Überleitungsvorschrift des § 5 Wohnflächenverordnung (Anwendung der II. BV) nicht gilt, wenn nichts Abweichendes vereinbart ist. Die Bedenken von Beyer sind damit freilich nicht ausgeräumt, denn diese Rechtsprechung führt dazu, dass „für Wohnungen in derselben Einheit unterschiedliche Berechnungsmaßstäbe gelten, was bei der Abrechnung von Betriebskosten mit dem Grundsatz der einheitlichen Kostenverteilung nach dem Flächenanteil nicht vereinbar ist“ (jurisPR-MietR 17/2019 Anm. 1).
Ein Schutzbedürfnis für den Vermieter wird vom BGH verneint, da dieser ausdrücklich auch in einem ab Januar 2004 abgeschlossenen Mietvertrag auf eine Vereinbarung hinwirken könne, dass die Wohnfläche nach der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) zu berechnen ist. In den vom Grundeigentum-Verlag herausgegebenen Mietvertragsformularen ist die Angabe enthalten, dass die Balkonfläche zur Hälfte anzurechnen ist.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 190 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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