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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen: Jetzt Abzug von zukünftigen Instandhaltungskosten
Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs mit gravierenden Folgen
14.09.2020 (GE 16/2020, S. 1018) Nach bisher einhelliger Auffassung sind bei einer Mieterhöhung nach Modernisierung (nur) fällige (fiktive) Instandsetzungskosten von den umlegungsfähigen Baukosten abzuziehen. Wenn noch funktionsfähige ältere Bauteile oder Einrichtungen ersetzt werden, kommt kein Abzug in Betracht. Davon rückt der Bundesgerichtshof jetzt ab und entscheidet: Sinn und Zweck der Vorschriften über die Modernisierungsmieterhöhung gebieten es, nicht nur „fällige” Instandsetzungsmaßnahmen von den Modernisierungskosten abzuziehen, sondern bei der modernisierenden Erneuerung von Bauteilen und Einrichtungen, die zwar noch (ausreichend) funktionsfähig sind und (bislang) keinen zu beseitigenden Mangel aufweisen, aber bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer (ab-) genutzt worden sind (hier: Austausch von etwa 60 Jahre alten Türen und Fenstern sowie einer ebenso alten Briefkastenanlage), eine Art Abzug „alt für neu“ zu machen. Damit wird die Umlagehöhe zur Wundertüte.
Der Fall: Die Vermieter hatten die Heizungsanlage auf Fernwärme umgestellt und die etwa 60 Jahre alte Wohnungstür und die ebenso alte Haustür, Treppenhausfenster und Briefkastenanlage erneuert sowie weitere Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Das Landgericht bejahte einen Anspruch auf Mieterhöhung wegen Austausches der Wohnungstür, die über einen verbesserten Schall-, Wärme- und Einbruchschutz verfüge; die neue Briefkastenanlage habe einen besseren Diebstahlschutz, und auch die neue Haustür sowie die Treppenhausfenster stellten eine Verbesserung dar. Hinsichtlich der Heizungsumstellung sei die Mieterhöhung allerdings unwirksam, so dass die Mieterhöhung nur zum Teil gerechtfertigt sei. Auf die zugelassene Revision verwies der BGH den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof billigte zwar die Auffassung des Landgerichts, dass eine Mieterhöhung wegen Modernisierungsmaßnahmen teilbar sei, wenn sie verschiedene bauliche Maßnahmen betreffe. Deshalb berühre die Unwirksamkeit der Mieterhöhung wegen der Umstellung auf Fernwärme die anderen Maßnahmen nicht, und es sei nicht etwa eine Gesamtnichtigkeit anzunehmen. „Von Rechtsfehlern beeinflusst“ sei jedoch die Auffassung des Gerichts, für den Austausch der etwa 60 Jahre alten Bauteile seien die Kosten ungekürzt, also ohne Abzug eines Instandhaltungsanteils, auf die Mieterin umzulegen, weil diese Teile noch nicht defekt gewesen seien. Der verbreiteten Meinung, eine Kürzung sei nur bei fälligen Erhaltungsmaßnahmen geboten, sei nicht zu folgen. Dies folge weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Gesetzesbegründung. Das Mietrechtsänderungsgesetz enthalte eine solche Einschränkung nicht. Der Sinn der Modernisierungsvorschriften sei es gerade nicht, dem Vermieter teilweise auch die Umlage von Instandhaltungskosten auf den Mieter zu ermöglichen. Wenn man auf die Fälligkeit von Erhaltungsmaßnahmen abstellen wollte, würde dies in zahlreichen Fällen zu zufälligen Ergebnissen führen. Die Umlagefähigkeit der reinen Modernisierungskosten werde durch den Abzug fiktiv ersparter Instandhaltungskosten nicht infrage gestellt, denn zur Ermittlung der umlagefähigen Positionen reiche eine Schätzung.

Anmerkung: Das Urteil ist weder in der Begründung noch im Ergebnis überzeugend. Dass nur fällige Instandsetzungskosten bei einer Mieterhöhung abzuziehen sind, ist nicht, wie sich der BGH ausdrückt, „eine in der Instanzrechtsprechung und der mietrechtlichen Literatur verbreitete Meinung“, sondern seit vielen Jahren einhellige Auffassung, beginnend mit den Rechtsentscheiden des OLG Hamm (NJW 1981, 1622), des OLG Hamburg (WuM 1983, 13) und des OLG Celle (NJW 1981, 1625), die der BGH nicht erwähnt. Auch das Kammergericht war dieser Auffassung (GE 2006, 714), wie auch der BGH selbst (GE 2018, 1454), wenn auch, wie er jetzt ausführt, nur anscheinend, weil die Unterscheidung zwischen fälligen und nicht fälligen Instandsetzungskosten dabei keine Rolle gespielt habe. Die Betonung in den früheren Entscheidungen, auch in den Leitsätzen des BGH (z. B. GE 2015, 245), auf fällige Kosten lässt nur den Schluss zu, dass der BGH seine Meinung geändert hat, was er freilich offen hätte kundtun sollen. Auch der vom BGH als einzig abweichende Meinung zitierte Münchener Kommentar (Rn. 20 zu § 559) versteht die bisherige BGH-Rechtsprechung so und meint, der Gesetzgeber müsse eine andere Regelung schaffen.
Aus der Begründung zum Mietrechtsänderungsgesetz lässt sich das Ergebnis des BGH ebenfalls nicht herleiten. Dort heißt es vielmehr (BR-Drs. 313/12 S. 31), dass die Absetzung von Instandhaltungskosten der bislang geltenden Rechtslage entspreche, was nur nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt gewesen sei. Die „bislang geltende Rechtslage“ ist die von der Rechtsprechung und Literatur seit den Rechtsentscheiden einhellig vertretene Beschränkung auf fällige Instandsetzungskosten. Das ergibt sich auch aus dem Verweis in der Gesetzesbegründung auf den Kommentar von Soergel, der ebenfalls diese Auffassung vertritt (nur fällige Instandsetzungsmaßnahmen). Warum, wie der BGH meint, der Gesetzgeber diese Einschränkung hätte erwähnen müssen, ist nicht nachvollziehbar, wenn die bisherige Rechtslage bestehen bleiben sollte. Auch die Bezugnahme in der Gesetzesbegründung auf das Urteil des III. Senats des BGH (GE 2001, 918) stützt die jetzige Auffassung des BGH nicht. Dort hatte nach der Rückübertragung das (für Mietsachen sonst nicht zuständige) Gericht zu entscheiden, welche Kosten nach § 3 Vermögensgesetz zu berücksichtigen sind, wenn Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zusammentreffen, und dafür den Kommentar von Schmidt-Futterer/Börstinghaus zitiert. Dieser Bearbeiter vertritt seit vielen Jahren dezidiert die Auffassung, dass nur fällige Instandsetzungskosten abzuziehen sind (Schmidt-Futterer, 9. Aufl. 2007, Rn. 167 zu § 559; Schmidt-Futterer, 14. Aufl. 2019, Rn. 72 zu § 559). Auch der III. Senat des BGH hat damit nur den Abzug fälliger Instandsetzungskosten gemeint.
Es bleibt damit der Rückgriff auf den Wortlaut des Gesetzes, in dem es heißt, dass die Kosten, die „für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären“, nicht umlegungsfähig sind, also nur die Kosten für fällige Maßnahmen. Die jetzige Entscheidung des BGH, die ersichtlich vermutete Unbilligkeiten für den Mieter vermeiden will, ist damit nicht vereinbar.
Nach dieser geänderten Rechtsprechung werden Modernisierungsmaßnahmen erheblich erschwert, weil nicht absehbar ist, in welcher Höhe die Kosten umgelegt werden können. Der BGH widmet dieser Frage einen einzigen Satz, nämlich dass eine Schätzung für die fiktiven ersparten Instandhaltungskosten genügt, die sich an der üblichen Lebensdauer und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiert. Wie nach diesen „Maßstäben“ das bedauernswerte Landgericht Düsseldorf, an das das Verfahren zurückverwiesen wurde, den Mieterhöhungsbetrag ermitteln soll, ist nicht ersichtlich. Zieht man gängige Tabellen zurate, die einen Abzug neu für alt angeben, ist etwa die Lebensdauer für eine Wohnungstür 40 Jahre (Pro Mietrecht: Tabelle zur wirtschaftlichen Lebensdauer), was im Fall des BGH deutlich überschritten wurde. Ein völliger Ausschluss der Mieterhöhung wegen der fiktiven Instandhaltungskosten wurde vom BGH nicht angenommen (sonst hätte er selbst entscheiden können), so dass zusätzlich noch auf den Abnutzungsgrad abzustellen ist. Wie das in der Praxis gehandhabt werden soll, lässt der BGH offen. Es bleibt daher bei den klaren Worten des OLG Hamm (NJW 1981, 1625): „Ohnehin wäre eine derartige hypothetische Rechnung mit einer Fülle von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten belastet. Was dem Vermieter nach Abzug solcher fiktiver Kosten an Modernisierungsaufwand, der über eine Mieterhöhung auf die Mieter abgewälzt werden könnte, noch übrig bliebe, wäre schwerlich vorausberechenbar und könnte sich aus der Sicht des Vermieters leicht als Zufallsergebnis, wenn nicht sogar als Folge mehr oder weniger willkürlicher Schätzungen darstellen. Von dem Ziel des (Gesetzes), eine vernünftige Modernisierung veralteter Wohnungen zu fördern, würde sich eine derartige Auslegung in unzulässigem Maße entfernen.“ Schade, dass der BGH das nicht gelesen hat.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 1046 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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