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Streupflicht auf Parkplätzen nicht einschränkungslos
Fußgänger müssen sich auch vorsehen
14.10.2019 (GE 18/2019, S. 1145) Auch bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht, so der BGH, der sich mit dem Umfang der Streupflicht auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes auseinandersetzen musste.
Der Fall: Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Glatteisunfalls geltend. Die Beklagte zu 1 betreibt einen Lebensmittelmarkt, dessen Parkplatz in erster Linie für ihre Kunden bereitgestellt, jedoch auch von Anwohnern genutzt wird, die dort ihre Fahrzeuge – auch über Nacht – stehen lassen. Die Beklagte zu 1 beauftragte den Beklagten zu 2 mit der Ausführung des Winterdienstes auf dem Parkplatz. Die Klägerin hat behauptet, auf einer über Nacht gefrorenen Pfütze in der Nähe des Markteingangs im Bereich der markierten Stellflächen zwischen dort parkenden Fahrzeugen – ihrem und einem anderen – nach dem Aussteigen aus ihrem Fahrzeug ausgerutscht und dabei mit der linken Gesichtshälfte auf den Asphalt gestürzt zu sein. Beide Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. An der Unfallstelle hätte gestreut werden müssen, was unstreitig nicht geschehen war. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos, ebenso die vom OLG zugelassene Revision.

Das Urteil: Grundvoraussetzung für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen Räum- und Streupflichten ist, dass entweder eine allgemeinen Glätte vorliegt, oder dass erkennbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von vereinzelten Glättestellen eine ernsthaft drohende Gefahr ausgeht. Aber auch bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht.
Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das ist ständige Rechtsprechung des BGH. Eine für alle Parkflächen gleichmäßig geltende Regel lässt sich dabei nicht aufstellen.
Auszugehen ist davon, dass die Streupflicht als Teil der Verkehrssicherungspflicht nur wirkliche Gefahren beseitigen, nicht aber bloßen Unbequemlichkeiten vorbeugen soll. Entstehung, Umfang und Maß einer Streupflicht richten sich danach, was zur gefahrlosen Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, dem die jeweilige Verkehrseinrichtung dient, und was dem Verkehrssicherungspflichtigen zumutbar ist. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Streupflicht einen öffentlichen oder privaten Parkplatz betrifft, oder ob es sich um einen Kundenparkplatz handelt oder nicht.
Daran gemessen waren die Beklagten selbst im Falle allgemeiner Glättebildung nicht verpflichtet, die Sturzstelle im Bereich der markierten Stellflächen zu streuen.
Der Grad der von Glättebildung im Bereich markierter Stellflächen ausgehenden Gefahr ist regelmäßig als eher gering einzustufen, weil die Wageninsassen ihn nur beim Ein- und Aussteigen betreten müssen und dabei am Fahrzeug Halt finden können. Deshalb ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass ein Parkplatz so bestreut wird, dass bereits beim Aussteigen aus jedem Fahrzeug abgestumpfter Boden betreten werden kann.
Zwar könne der Zweck, für den eine Grundstücksfläche zur Benutzung freigegeben sei, besondere Gefahren erzeugen und den Umfang der Verkehrssicherungspflicht beeinflussen. Beispielsweise sei bei der Streupflicht eines Gastwirts für den von ihm zur Verfügung gestellten Kundenparkplatz zu berücksichtigen, dass mit Betrunkenen und deren beeinträchtigter Gehsicherheit gerechnet werden müsse. Der Betreiber eines Lebensmittelmarktes müsse deshalb berücksichtigen, dass potentielle Kunden die bequeme Parkmöglichkeit zum Einkaufen veranlasst, weshalb der Marktbetreiber auf dem Kundenparkplatz auch ein möglichst sicheres Be- und auch Entladen ermöglichen muss.
Das Räumen und Streuen markierter Parkstellflächen sei hierzu aber regelmäßig nicht erforderlich. Denn es sei den Kunden zumutbar, ihr Fahrzeug bei winterlichen Wetterverhältnissen in diesem Bereich so abzustellen, dass durch Räumen und Streuen der Fahrfläche ein hinreichend gefahrloses Verstauen von Einkäufen im Heck des Fahrzeugs sichergestellt werden kann.
Angesichts der bei zumutbarer Eigenvorsorge der Kunden geringen vorhersehbaren Sturzgefahr im Bereich der markierten Stellflächen konnte von den Beklagte nicht erwartet werden, diesen Bereich bei Glättebildung ständig geräumt und gestreut zu halten. Zudem handelt es sich im Streitfall um eine große Parkfläche, auf der ein ständiger Fahrzeugwechsel stattfindet, wobei zwischen den parkenden Fahrzeugen ein maschinelles Streuen nicht möglich ist. Eine kontinuierliche Kontrolle und gegebenenfalls händische Bestreuung war den Beklagte hier aufgrund des damit verbundenen hohen Aufwandes nicht zumutbar.
Die Beklagten waren auch nicht verpflichtet, bei allgemeiner Glättebildung einmalig vor Eröffnung des Marktes den Bereich der markierten Stellflächen zu streuen. Ob eine solche Pflicht für Kundenparkplätze überhaupt besteht, richtet sich ebenfalls nach den örtlichen Gegebenheiten und sonstigen Umständen des Einzelfalls. Im konkreten Fall wurde der Parkplatz nicht nur von ihren Kunden, sondern zudem von Anwohnern genutzt, die ihre Fahrzeuge dort – auch über Nacht – abstellten. Daher konnte vor der Markteröffnung nicht mit zumutbarem Aufwand gestreut werden, um die Parkstellflächen frei zu halten. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beklagte zu 1 hätte den Parkplatz nachts sperren und verbliebene Fahrzeuge abschleppen lassen müssen, um die gesamte Parkplatzfläche zu streuen, teilt der BGH ausdrücklich nicht. Damit würde der Umfang der Verkehrssicherungspflicht überdehnt. Abschließend mahnt der BGH:
Die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, enthebt den Fußgänger nicht der eigenen Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1169 und in unserer Datenbank.


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