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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Kein bloßes Berufen auf Nichtwissen: Verkäufer muss sich bei Untervermittler informieren
Beratungsgespräch bei Kauf einer Wohnung
23.11.2016 (GE 21/2016, S. 1307) Der – oft erst mit dem Lockmittel „Steuerersparnis“ in die Wege geleitete – Kauf von überteuerten Eigentumswohnungen beschäftigt immer wieder die Gerichte. Für die vielfach unzutreffenden Zusagen in Verkaufsgesprächen haftet der Verkäufer, auch wenn er die Verhandlungen einem Vermittler überlassen hatte. Er kann Behauptungen des Käufers auch nicht mit Nichtwissen bestreiten, wie der BGH jetzt entschieden hat.
Der Fall: Der Kläger hatte in Berlin eine Eigentumswohnung für 120.000 € gekauft; er behauptete später, die Vermittlerin habe ihm nach zehn Jahren eine „Mindestausschüttung“ von über 45.000 € garantiert. In Wahrheit sei der Kaufpreis sittenwidrig überhöht gewesen. Der Verkäufer bestritt die mündliche Zusage zur Mindestausschüttung mit Nichtwissen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, das eine Verkehrswertüberschreitung von nur 23 % ergab, wies das Kammergericht die Klage ab und meinte, der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis über den Gesprächsinhalt nicht geführt. Dem folgte der Bundesgerichtshof in wesentlichen Punkten nicht. 

Das Urteil: Wenn – wie hier – der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichte, könne davon ausgegangen werden, dass er für eine Beratung des Käufers durch den Vermittler diesen konkludent bevollmächtigt habe. Für die behauptete Zusage eines Gewinns nach zehn Jahren habe daher der Verkäufer einzustehen und könne sich für den Inhalt des Gesprächs nicht auf Nichtwissen berufen. Vielmehr sei er verpflichtet, Erkundigungen bei dem Beauftragten einzuholen, ob die Behauptung der Gegenseite zutreffe. Wegen des unzulässigen Bestreitens durch den Beklagten gelte damit der Vortrag des Klägers als zugestanden.
Darüber hinaus könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kaufvertrag sittenwidrig gewesen sei. Das Kammergericht habe sich nicht mit dem Gutachten eines anderen Sachverständigen in einem Parallelverfahren auseinandergesetzt, das zu einem deutlich niedrigeren Verkehrswert gekommen sei. Bei widersprechenden Sachverständigengutachten müsse das Gericht dem Sachverständigen eine schriftliche Ergänzung seines Gutachtens aufgeben oder ihn zur mündlichen Anhörung laden, notfalls auch einen weiteren Gutachter („Obergutachter“) bestellen.
Schließlich komme auch bei einer Verkehrswertüberschreitung von über 50 % eine Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn weitere Umstände hinzutreten, wie etwa die vom Kläger behauptete „Überrumpelung“ durch Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist bis zur notariellen Beurkundung.

Anmerkung der Redaktion: Seit dem 1. Oktober 2013 ist die Verpflichtung des Notars nach § 17 Abs. 2a Beurkundungsgesetz dahin erweitert worden, dass der beabsichtigte Vertragstext dem Verbraucher mindestens zwei Wochen vor Beurkundung vom Notar übersandt werden muss; die Übersendung durch den Verkäufer, die oft auch wahrheitswidrig behauptet wurde (Cramer, DNotZ 2015, 725), reicht nicht.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1379 und in unserer Datenbank


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