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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Nur was im notariellen Vertrag steht, zählt
Vorvertragliche Beschreibungen beim Hauskauf
09.05.2016 (GE 07/2016, S. 431) Ob ein Sachmangel vorliegt, richtet sich im Kauf-, Miet- und Werkvertragsrecht danach, ob eine Beschaffenheitsvereinbarung eingehalten wurde, die, sofern dies für den Vertrag vorgesehen ist, ebenfalls beurkundet sein muss.
Der Fall: Die Beklagten hatten dem Kläger ein Haus verkauft, dessen Wohnfläche sie im Exposé und im Internet mit ca. 200 qm angegeben hatten. Eine spätere Berechnung ergab eine tatsächliche Fläche von etwas mehr als 170 qm. Der Käufer verlangte Minderung des Kaufpreises.

Das Urteil: Der BGH meinte, hier fehle es schon an einer Beschaffenheitsvereinbarung, weil die Wohnfläche in der notariellen Urkunde nicht erfasst sei. Nur eine solche Auslegung sei interessengerecht, da eine nichtbeurkundete Beschaffenheitsvereinbarung zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 125 BGB führen würde. Im Zweifel sei aber eine Auslegung vorzuziehen, die dies vermeidet. Die europäische Richtlinie über den Verkauf von Verbrauchsgütern sei hier nicht heranzuziehen, da Grundstücke und Gebäude keine Verbrauchsgüter seien. Die vorvertraglichen Beschreibungen seien aber nicht bedeutungslos und können einen Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Informationen oder unterlassener Aufklärung bedingen. Hier bestehe ein solcher allerdings nicht, da eine Kenntnis des Verkäufers von der Flächenabweichung nicht anzunehmen sei. Zudem bestünden bei der Wohnflächenberechnung Bewertungstoleranzen, da es unterschiedliche Methoden gebe.

Anmerkung: Nach § 305 b BGB haben Individualvereinbarungen immer Vorrang, auch wenn die Parteien eine bestimmte Form vereinbart haben. Für gesetzliche Formvorschriften wie die notarielle Beurkundung bei einem Grundstückskaufvertrag gilt das nicht; ein Sachmangel liegt nur bei Abweichungen vom beurkundeten Vertrag vor. In abgeschwächtem Umfang gilt das auch für die vereinbarte Form (§ 127 BGB), denn die über ein Rechtsgeschäft aufgenommene Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich (BGH, VIII ZR 302/13, NJW 2015, 409 für Kaufvertrag; BGH, VIII ZR 34/14, WuM 2014, 741 für Mietvertrag). Eine daneben mögliche formfreie Beschaffenheitsvereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus (BGH, VIII ZR 152/12, GE 2013, 261). Einseitig gebliebene Erwartungen reichen nicht (BGH, VIII ZR 197/14, GE 2015, 849). Die Gewährleistungsregelungen im Kaufrecht stellen eine abschließende Regelung dar, so dass grundsätzlich bei unwirksamer Beschaffenheitsvereinbarung ein Mangel und damit auch Rechte des Käufers ausscheiden. Eine Haftung aus vorvertraglichem Verschulden (früher „culpa in contrahendo“) besteht dann nicht. Nur bei einer vorsätzlichen Falschangabe (BGH, V ZR 30/08, NJW 2009, 2120) oder bei einer Verletzung von Beratungspflichten haftet der Verkäufer für unrichtige vorvertragliche Angaben.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in unserer Datenbank)
Autor: Rudolf Beuermann


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