Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Josef K.’s Weg in die Schwarzarbeit
Ein "Leidfaden" zum Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe
04.12.2001 (GE 23/2001, Seite 1586) Josef K. ist Tischlermeister. In Möbeldorf ist er groß und Meister geworden. Das Dorf war zu klein, wie auch der Gewinn. So zog er nach Großtischlershausen. Gleich Anfang Januar meldete er dort sein Gewerbe und sich selbst beim Finanzamt an. Eine Steuernummer bekam er jedoch nicht gleich. Das hatte K. sich anders vorgestellt. Er geriet deshalb schnell in einen heftigen Wortwechsel mit dem Beamten. Daß der sich erst die Akten aus dem anderen Bundesland holen mußte, erboste ihn so, daß er als Folge des Streites bald der Tür verwiesen wurde. Josef K. war sauer.
Noch saurer wurde er nach einigen Wochen, als es eines frühen Morgens an seiner Wohnungstür Sturm klingelte. In diesen Räumen hatte er auch seine vorläufige kleine Werkstatt einrichten dürfen. Zwei Männer mit hochgeschlagenem Mantelkragen schauten ihn finster an und wollten eine Nachschau durchführen. § 88 b der Abgabenordnung sei die rechtliche Grundlage, schallte es ihm entgegen. Umsatzsteuerträchtige Belege wollten sie suchen. Die Situation war so kafkaesk wie damals in seinem „Prozeß”. Er solle ein verdächtiger Missetäter sein? Das hätte selbst in Möbeldorf keiner gewagt , ihm so etwas vorzuwerfen. Aber in Ehrfurcht vor den stämmigen Finanzbeamten motzte er nicht und räumte nach deren Fortgang alles wieder ordentlich auf.

Bald ging K. auf Arbeitssuche. Einige Adressen von Reparaturwilligen hatte er sich schon besorgen können.
Die erste Anlaufstelle war eine nette äl-tere Dame, die ein Miethaus in der Stadt besaß. Die Fenster waren fast alle überholungsbedürftig, und die Haustür mußte fast vollständig erneuert werden. Für sie als Rentnerin war der genannte Preis von 20.000 Euro eine stolze Summe. Schnell machte K. ihr klar, daß die Umsatzsteuer inbegriffen sei, er aber eine Anzahlung von 5.000 Euro haben müsse. Gleich eine Quittung zu schreiben, sagte er zu. Die ältere Dame empfand er jetzt plötzlich nicht mehr so nett, als die-se ihm nur 4.250 Euro in die Hand drückte und sagte, „das sei es!“. Wütend fuhr Josef K. auf. Aber Frau Steuerle, so hieß die Dame, verwies ihn auf § 48 des Ein-kommensteuergesetzes, der gerade in Kraft getreten sei. Sie würde die Differenz an sein Finanzamt zahlen und welche Steuernummer er habe. Eine Steuernummer habe er noch nicht, brummelte K. „Aha“, sagte die vermeintlich nette ältere Dame. Er solle sich mal nicht grä-men, die 750 Euro könne er ja mit der Lohnsteuer seiner Mitarbeiter verrechnen. Er habe aber noch kein Personal, sagte Josef K. Frau Steuerle hatte gelesen, daß er dann eine Verrechnung mit seiner Einkommensteuer vornehmen kann. Aber K. brachte aus Möbeldorf nur Verluste mit, deshalb sei er ja von dort weggezogen. Irgendwie und irgendwann würde er gewiß das Geld schon bekommen, meinte die Leistungsempfängerin. Und von was solle er, bitte schön, in der Zwischenzeit leben? Das wußte die ältere Dame auch nicht, entsann sich aber, daß eine sogenannte Freistellungsbescheinigung das Problem lösen könnte. Erfreut nahm K. diesen Rat an, nahm erst einmal die 4.250 Euro und hoffte, daß er später den Rest noch holen könne. Die Enttäuschung, daß dieses nicht so sei, durfte er noch aufschieben. Wieder beim Finanzamt angekommen, füllte er den dreiseitigen Fragebogen zur Freistellung vom Steuerabzug bei Bauleistungen nach § 48 b Abs. 1 Satz 1 EStG in deutscher Sprache aus und ging noch wohlgemut nach Hause. Kurze Zeit später kam der Brief auf grauem Papier und enthielt den Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Freistellung vom Steuerabzug bei Bauleistungen. Begründungen: 1. Eine Steuernummer könne noch nicht vergeben werden, 2. die Akten aus Möbeldorf seien immer noch nicht da und 3. er hätte sich neulich bei seinem Besuch so unbotmäßig verhalten, daß das Finanzamt an seiner Zuverlässigkeit und Steuerehrlichkeit zweifele. Empört suchte er wieder Frau Steuerle auf. Sie hatte gehofft, ihn mit Hobel und Säge, aber nicht mit solchem Gesicht zu sehen. Sie rief gleich ihre Steuerberaterin an. Die Lösung: K. solle in diesem Jahr nur für 10.000 Euro die Fen-ster reparieren und die Haustür sich dann erst im nächsten Jahr vornehmen. Frau Steuerle überlegte, ob man vielleicht nur die Zahlung im neuen Jahr quittiere, die Arbeiten aber doch dieses Jahr machen sollte, da die Haustür so klemmt. Ob hier noch etwas anderes klemmt?

Mit dem Wissen um die 10.000 Euro-Frage ging Josef K. nun zu seiner zweiten Empfehlung, einer Arztpraxis in der Hauptstraße. Der Fußboden war zu erneuern, 10.000 Euro sollte das den Doktor kosten. Ein Abzug von 15 % dürfte K. dann nicht mehr drohen. Der hatte aber nicht mit der Auskunft des Steuerberaters des Arztes gerechnet. Für nicht mehr als 5.000 Euro im Jahr dürfe der Tischlermeister nur beim Doktor arbeiten. Die Verzweiflung über die Zunft der Steuerberater war riesengroß, denn der Gesetzgeber könne eine solche Verwirrung wohl nicht gewollt haben. „Die eine so - der andere so”, dachte er. Beide Kunden zahlen keine Umsatzsteuer und dann dieser Unterschied. Vielleicht lag es daran, daß der Doktor Akademiker ist. Daß es an den verschiedenen Einkunftsarten lag, war Josef K. nicht zu vermitteln.

Auf seinen Einspruch beim Finanzamt hin erhielt er nun nicht nur eine Steuernummer, sondern auch endlich die lang ersehnte Freistellungsbescheinigung. Mit diesem Dokument in der Tasche ging er zu seiner dritten Adresse, dem Drogisten Waschke. Dieser brauchte für die Mitte seines Ladens ein großes und von allen Seiten benutzbares Regal. Nur das beste Material war ihm gut genug. Stolz zeigte er seine FB vor und war schon wieder verstört. Herr Waschke versuchte ihm klarzumachen, daß es sich hier um ein bewegliches Wirtschaftsgut handelt und dieses nicht unter den Begriff Bauleistungen falle. Einen Abzug hätte er sowieso nicht vorgenommen. Nun verzweifelte K. auch an der Klugheit des Gesetzgebers, zumal eine weitere Kundin, das Fräulein Grämlich, seiner Freistellungsbescheinigung nicht traute. Etwas eigentümlich sah sie schon aus, nicht Fräulein Grämlich, sondern seine mit Möbelbeize durchtränkte FB. Ein aufklärender Anruf beim Finanzamt kam wegen ständigen Besetztseins nicht zustande, und von der Möglichkeit, über Internet eine Anfrage zu starten, hatten beide noch nicht gehört. Das hätte aber auch nichts genutzt, da kein Internetanschluß vorhanden war.

Wutentbrannt zerriß Josef K. diese Bescheinigung und damit auch das Band zum Finanzamt. Man einigte sich, daß K. fürderhin ohne Rechnung arbeiten könne, wenn er einen nennenswerten Nachlaß geben würde. Da nun auch die vom Staat so dringend durch dieses Gesetz erhoffte Umsatzsteuer wegfiel, war K. bereit, zum echten Schwarzarbeiter zu werden. Auch viele andere Kunden waren ihm jetzt wohlgewogen, fallen doch jetzt Nachweisprobleme weg, weil man zum Beispiel einer noch so schönen Freistellungsbescheinigung nicht trauen dürfe, wenn diese durch falsche Angaben erwirkt wurde und dieses einem infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Das könnte dann das Finanzamt bei einer Außenprüfung nach Jahren noch behaupten und die nicht einbehaltenen Summen nachfordern.

Nun die Moral von der Geschicht’: „Staat, überspanne Deine Anforderungen nicht!”
Autor: Volker Fasolt, Präsident der Bundessteuerberaterkammer