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Noch ’ne Reform
18.06.2007 (GE 11/2007, Seite 729) Die Unternehmenssteuerreform hat unterschiedliche Kommentare ausgelöst, im wesentlichen jedoch eher abwartende. Das ist um so erstaunlicher, als der Tenor eigentlich kritisch sein müßte, denn die Reform ist halbherzig, unausgegoren, Kompromißwerk von der Art, daß man es auch hätte sein lassen können.

Noch ’ne Reform

Wenn am Ende nur 5 Mrd. Euro Entlastung herauskommen sollen, dann kostet die Umstellung der ganzen Software die Unternehmen mehr, als an Steuern gespart wird. Wenn dann noch mit der sogenannten "Zinsschranke" ein partielles Abzugsverbot für Zinsaufwendungen eingeführt wird – gleichbedeutend mit der Einschränkung der Fremdkapitalfinanzierung –, dann trifft es mal wieder die Immobilienwirtschaft besonders hart. Und leider – oder gottlob – muß man wohl im Augenblick auf "Wohltaten" der Regierung die Richtigkeit einer alten Büroweisheit anwenden: Auf die Dauer bleibt keine gute Tat unbestraft.
Weitere Aspekte kommen hinzu. Der kleine Mann, die kleine Frau bleiben von Entlastungen unberührt, und das auch bei den Lohnnebenkosten, deren Senkung einmal ein Herzensanliegen von SDP und CDU war. Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung drohen permanent teurer zu werden, und die mögliche Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verhindert die Bundesregierung, weil sie – Nachtigall, Nachtigall – ohne Zweifel vorhat, die Töpfe der Bundesanstalt für Arbeit zugunsten des Bundeshaushalts anzuzapfen. Reale Einkommenserhöhungen für den durchschnittlich Beschäftigten hat es in den letzten Jahren nicht gegeben. Statt dessen sind die Lebenshaltungskosten gestiegen, vorwiegend dank der Gebührenerhöhungen der öffentlichen oder halböffentlichen Hände und der monopolistischen oder oligopolistisch verformten Unternehmen: Strom, Gas, Wasser, BVG, Bundesbahn, Öl, Benzin, Rundfunkgebühren usw., usw. Und die Kosten des Wohnens steigen auch, denn die Erhöhung der Grundsteuer und der Wegfall öffentlicher Förderungen schlagen natürlich auf die Mieten durch, wo immer das möglich ist, von den bewußten Mietnebenkosten (s. o.) ganz zu schweigen.
Wenn die Internationale der Heuschrecken sich mehr um große Versorgungsunternehmen als um große Handelsketten reißt, dann hat sie damit völlig recht: Mit Strom läßt sich leichter Geld verdienen als mit Spargel, mit Wasser aus der Leitung leichter als mit Sprudel aus der Flasche.
Die Regierung lebt nach der Devise: "Vom Wahrsagen läßt sich wohl leben, aber nicht vom Wahrheit sagen" (Lichtenberg). Sie müßte dem Volk sonst erklären: Wenn Ihr – wo auch immer – Wohltaten und Versorgung wollt, dann kostet das Geld. Und wenn verflossene Regierungen Schulden angehäuft haben und wir damit Schluß machen wollen, wie (fast) alle fordern, dann muß das einer zahlen. Und der eine, das seid Ihr, das Volk, die Bürger. Aber Ihr seid auch die Entscheider bei den nächsten Wahlen. Und deswegen handeln wir, die Regierung, eben so, wie es der eben zitierte Lichtenberg schon im 18. Jahrhundert formuliert hat (Achtung: es gibt nichts Neues unter der Sonne): Wir wahrsagen (prophezeien) die Besserung, aber wir lügen, wenn’s um die Konsequenzen geht.
Keine Regierung wird so etwas je einräumen – sie wird es nicht einmal denken –, es sei denn sie wäre so masochistisch veranlaßt, wie der ungarische Regierungschef, der im Vorjahr gestand, vor den Wahlen die Leute belogen zu haben, und der damit – im Gegensatz zu den Radrennfahrern – fast eine Revolution und seinen Sturz heraufbeschworen hätte. Merke also: Alles wird teurer, nur die Ausreden werden immer billiger (Rudolf Bernhard).
Autor: Dieter Otremba