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Unzulässige Einstellung eines Räumungsauftrags
Corona-Anweisung der Amtsgerichtspräsidenten an die GV
10.07.2020 (GE 11/2020, S. 706) Die über die Amtsgerichtspräsidenten erfolgte Anweisung an die Gerichtsvollzieher, wegen der aktuellen Corona-Pandemie bis auf Weiteres Vollstreckungen, insbesondere Räumungen auszusetzen, berechtigen den Gerichtsvollzieher nicht, Vollstreckungsaufträge als erledigt zu betrachten. Wegen des staatlichen Gewaltmonopols sind für die Beschränkungen hoheitlicher Tätigkeit insbesondere der Gerichte und ihrer Organe besonders enge Grenzen – auch in zeitlicher Hinsicht – zu ziehen, so das AG Spandau.
Der Fall: Auf den Räumungsauftrag vom vom19. Februar 2020 bestimmte der GV am 9. März 2020 den Termin zur Räumung am 8. April 2020. Nachdem am 24. März 2020 die Amtsgerichtpräsidentin angeordnet hat, dass wg. Corona Herausgabe- und Räumungsvollstreckungen – mit Ausnahme von unaufschiebbaren – zu unterbleiben haben, hat der GV den Termin mit Rücksicht auf diese Anordnung aufgehoben, den Auftrag „mangels Durchführbarkeit“ ein- und anheimgestellt, nach Corona einen neuen kostenpflichtigen Räumungsantrag zu stellen. Mit der Rücksendung der ZV-Unterlagen erhielten die Gläubiger Kostenrechnung über 42,51 €. Hiergegen Erinnerung – mit Erfolg!

Der Beschluss: Der Vollstreckungsauftrag ist nicht als erledigt zu behandeln. Weder die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher noch die Gerichtsvollzieherordnung (GVO) enthalten Vorschriften, wie der Gerichtsvollzieher in Fällen einer die Zwangsvollstreckung einschränkenden dienstlichen Anordnung zu verfahren hat. Stattdessen sind die Regelungen der Gerichtsvollzieherordnung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung durch gerichtliche Entscheidung (§ 27 Abs. 3 GVO) entsprechend anzuwenden. Danach darf der Gerichtsvollzieher den Auftrag (erst) dann als erledigt behandeln, wenn seit der Einstellung mehr als drei Monate verstrichen sind und nach seinem pflichtgemäßen Ermessen mit einer baldigen Entscheidung nicht zu rechnen ist.
Übertragen auf den vorliegenden Fall für Corona-Einschränkungen bedeutet dies:
1. Da die dienstliche Anordnung der Amtsgerichtspräsidentin am 24. März 2020 erfolgte, kommt eine Behandlung des Auftrags als erledigt vor dem 24. Juni 2020 von vornherein nicht in Betracht.
2. Nach pflichtgemäßem Ermessen muss der GV dann berücksichtigen, dass eine Aussetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sich nicht auf einen unüberschaubaren Zeitraum erstrecken kann. Die SARS-CoV-EindämmungsmaßnahmenVO vom 22. März 2020 sind befristet einer fortlaufenden Evaluierung unterworfen, so dass jederzeit mit schrittweisen Lockerungen gerechnet werden kann. Wegen des staatlichen Gewaltmonopols sind den Beschränkungen hoheitlicher Tätigkeit insbesondere der Gerichte und ihrer Organe zudem besonders enge – auch zeitliche – Grenzen zu ziehen. Unabhängig davon sind Vollstreckungshandlungen mit zunehmendem Zeitablauf als eilig und unaufschiebbar im Sinne der dienstlichen Anordnung zu bewerten. Fazit: Der Räumungsauftrag ist auch kostenrechtlich nicht als durchgeführt anzusehen.

Anmerkung: Wie mit Vollstreckungen umzugehen ist, entscheiden die Amtsgerichte für ihren jeweiligen Gerichtsvollzieherdienst eigenständig. In Berlin haben einige Amtsgerichte den Gerichtsvollziehern durch entsprechende Anordnungen vorgegeben, andere durch Empfehlungen angeregt, aktuell auf die Vollstreckung von Wohnungsräumungen und Zählersperren zu verzichten.
2019 gab es in Berlin 4.299 Räumungsaufträge, 2018 waren es 4.918. Insgesamt sind bei den Berliner Amtsgerichten 272 Gerichtsvollzieher tätig, deren Aufgabengebiet neben Räumungen ein breites Spektrum von Tätigkeiten umfasst. Es gibt keine Gerichtsvollzieher, die ausschließlich mit Räumungen betraut sind.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 746 und in unserer Datenbank.


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