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Bei Mietern beliebt und häufig kopiert: Mietzahlung unter Vorbehalt kann aber zum Bumerang werden
Anhebung auf die ortsübliche Vergleichsmiete
26.06.2020 (GE 10/2020, S. 639) Die Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete ist ein formalisiertes Verfahren mit einigen Fristen, die sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter beachtet werden müssen. Zahlt der Mieter die erhöhte Miete beispielsweise unter Vorbehalt, stellt das den Vermieter vor die Frage, ob er mangels ausdrücklicher Zustimmung klagt oder den Ablauf der Klagefrist im Vertrauen darauf verstreichen lässt, dass auch die Zahlung unter – nicht näher konkretisiertem – Vorbehalt als (konkludente) Zustimmung zu werten ist. Das LG Berlin hat jetzt entschieden: Zahlt der Mieter auch nach dem Ablauf der Klagefrist weiter, stellt sich die Leistung des Mieters aus der maßgeblichen Sicht des Vermieters als vorbehaltlos und demnach als Zustimmung dar.
Der Fall: Der Vermieter (Kläger) hat im April 2014 an die Mieter ein Mieterhöhungsverlangen mit Wirkung zum 1. Juli 2014 gerichtet. Die Mieter (Beklagten) stimmten dem ausdrücklich nicht zu, erklärten aber im Juli 2014, den Mieterhöhungsbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Die Zahlungen wurden dann über Jahre erbracht, wobei die Mieter im April 2016 erklärten, dass die Miete weiterhin unter Vorbehalt entrichtet werde.
Im August 2017 verlangte der Vermieter eine Zustimmung zur weiteren Mieterhöhung mit Wirkung ab 1. Dezember 2017, wobei als Ausgangsmiete die Miete gemäß dem Mieterhöhungsverlangen aus 2014 genannt wurde. Auch diesem Mieterhöhungsverlangen stimmten die Beklagten nicht zu. Nachdem der Vermieter Zustimmungsklage erhoben hatte, verteidigten sich die Mieter damit, dass die Ausgangsmiete fehlerhaft benannt sei, da die Erhöhung der Miete per Juli 2014 nicht wirksam geworden sei. Das Amtsgericht verurteilte antragsgemäß. Dagegen legten die Mieter Berufung zum Landgericht ein und erhoben Widerklage auf Rückzahlung der unter Vorbehalt seit 2014 gezahlten erhöhten Miete.

Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 63 (Einzelrichter), wies die Berufung der Beklagten zurück und die Widerklage ab. Die zulässige Berufung habe in der Sache keinen Erfolg, die in der Berufung erhobene Widerklage sei zulässig, aber unbegründet. Insbesondere sei die Kappungsgrenze wegen der durch den Kläger zutreffend zugrunde gelegten Ausgangsmiete gewahrt. Zwar wende die Berufung insofern zutreffend ein, dass sich aus dem Schreiben der Beklagten nicht ergebe, dass nur ein Vorbehalt für eine Zahlung von zwei Mieten erklärt werden sollte, jedoch stelle der Ablauf der Klagefrist des vorangegangenen Mieterhöhungsverlangens nach § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB eine zeitliche Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger aus dem Mieterhöhungsverlangen keine Rechte mehr geltend machen können. Dennoch hätten die Beklagten den geforderten Erhöhungsbetrag in Kenntnis der Nichtschuld weitere drei Jahre entrichtet, ohne sich nach Ablauf der Klagefrist erneut mit irgendeiner Begründung auf einen Vorbehalt zu berufen.
Spätestens ab dem Ablauf der Klagefrist stelle sich die Leistung der Beklagten aus der maßgeblichen Sicht des Klägers als vorbehaltlos und demnach als Zustimmung dar. Sämtliche Korrespondenz der Parteien über die streitige Berechtigung der damals geforderten Miete datiere vor Ablauf der Klagefrist. Auch hätten die Beklagten weder ihr Sonderkündigungsrecht geltend gemacht noch eine Feststellungsklage erhoben oder sich sonst in irgendeiner Weise derart verhalten, dass der Kläger davon ausgehen durfte, der damals nach Zugang des Erhöhungsverlangens erklärte Vorbehalt wirke auch dann fort, wenn sie durch Ablauf der Klagefrist aus dem Mieterhöhungsverlangen keine weiteren Rechte geltend machen werde. Vielmehr hätten die Beklagten weiterhin bis zum Zugang des hier streitigen Mieterhöhungsverlangens die Miete in der geforderten Höhe entrichtet.
Die Widerklage sei zulässig, da sie sachdienlich sei und geeignet, den Streit der Parteien alsbald zu beenden (§ 533 ZPO). Das Berufungsgericht habe bei Zulassung der Widerklage nicht über einen völlig neuen, sondern einen nach § 529 ZPO zulässigen Streitstoff zu entscheiden. Sie sei aus den vorgenannten Gründen unbegründet, da dem Kläger zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum ab 2016 ein Anspruch auf die erhöhte Miete zugestanden habe.

Anmerkung: Vorliegend war es problematisch, dass die Mieter jeweils nur unter Vorbehalt die neue Miete zahlen wollten und das auch getan haben, offenbar in der Erwägung, dass sich der Vorbehalt jahrelang perpetuiere. Dabei war wohl nicht ganz ersichtlich, welche Art von Vorbehalt ausgeübt werden sollte. Denn es gibt mehrere Arten von Vorbehalt: Zum einen kann der Schuldner lediglich die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollen und sich den Anspruch aus § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) für den Fall vorbehalten, dass er das Nichtbestehen der Forderung beweist. Anders ist es, wenn der Schuldner unter der Bedingung des Bestehens der Forderung leistet und dem Gläubiger (hier Vermieter) die Beweislast für das Bestehen der Forderung aufbürdet. Eine Leistung mit einem solchen Vorbehalt kann der Gläubiger zurückweisen. In dieser Situation sollte ein Vermieter den Mieter unter Fristsetzung auffordern, was er sich unter dem Vorbehalt der Zahlung denkt. Fällt die Antwort nicht befriedigend aus, kommt § 558b BGB zum Zuge und muss der Vermieter § 558b Abs. 2 Satz 2 beachten und fristgemäß Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung einreichen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 674 und in unserer Datenbank.
Autor: Klaus Schach


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