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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


„Nimm zwei“ als eine Familienwohnung
Mieten auf Vorrat
28.11.2025 (GE 19/2025, S. 941) Mieten Ehepartner eine Wohnung im 1. OG eines Gebäudes und (hier: rund 20 Jahre später) zusätzlich eine weitere Wohnung im 2. OG „zur Nutzung durch drei Personen“, können beide Wohnungen gemeinsam als eine „Familienwohnung“ anzusehen sein. Nutzt nach dem Tod des Ehemannes die Ehefrau vornehmlich die Wohnung im 1. OG und die Tochter hauptsächlich die im 2. OG, liegt keine verbotene Überlassung an Dritte i.S.v. § 540 BGB vor. Anders kann es liegen, wenn der Vermieter beweist, dass die Ehefrau die Wohnung im 2. OG vollständig aufgegeben hat.
Der Fall: Ein Ehepaar mietet in den 80ern eine Wohnung im 1. OG eines Mietshauses, 20 Jahre später eine zweite ein Geschoss höher. In diesem Mietvertrag wird vereinbart, dass dort drei Personen einziehen sollen, was auch die Tochter des Ehepaars einschließt. Irgendwann stirbt der Mann, die Ehefrau nutzt die Wohnung im 1. OG, die Tochter die im 2. OG. Der Vermieter kündigt wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung und klagt auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im 2. OG – ohne Erfolg.

Das Urteil: Das LG sieht beide Wohnung als„Familienwohnung“ und damit als Einheit an. Damit fehle es an einer unbefugten Gebrauchsüberlassung an Dritte. Dritter ist grundsätzlich jeder, der nicht Partei des Mietvertrags ist. Bei bestimmten Personengruppen wird aber davon ausgegangen, dass ihre Aufnahme in die Mietsache auch ohne Erlaubnis des Vermieters vertragsgemäß ist. So wird die Familie des Mieters von der Erlaubnispflicht ausgenommen, ebenso alle anderen, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt bilden.
Diese Privilegierung greift aber nicht mehr ein, wenn diese Personen die gemieteten Räume anstelle des Mieters selbständig entgeltlich oder unentgeltlich nutzen. Der Mieter darf den Personen die Wohnung nicht zum selbständigen Gebrauch überlassen und selber ausziehen. Besonderheiten gelten bei der Ehewohnung. Solange die Wohnung noch als Ehewohnung anzusehen ist, ist der nicht mietende Ehegatte kein Dritter, selbst wenn er die Wohnung alleine nutzt.
Ob und in welchem Umfang Gebrauchsüberlassung an andere Personen vertragsgemäßer Gebrauch als verlängerter Eigengebrauch (§ 535), oder aber Gebrauchsüberlassung an Dritte ist (§ 540), ist Auslegungssache. Auszulegen sind der Mietvertragszweck und die näheren Umstände des Mietgebrauchs nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte.
Im konkreten Fall ergibt die Auslegung, die zwei Wohnungen – auch wenn sie nicht baulich miteinander verbunden sind – als eine „Familienwohnung“ zu betrachten. Dafür spricht, dass bei Anmietung der Wohnung im 2. OG im Mietvertrag aufgenommen wurde, dass drei Personen einziehen, ursprünglich also die Nutzung der Wohnung (auch) durch die Tochter vereinbart wurde.
Dafür, dass der zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann die Wohnung im 2. OG alleine nutzte, habe der Kläger keinen Beweis erbracht. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Familie die zwei Wohnungen in der Vergangenheit je nach Bedarf (durch die jeweiligen Familienmitglieder und mit unterschiedlichen Schwerpunkten) genutzt habe. Dass die Ehefrau den von ihr und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann gelebten Nutzungszweck der Wohnung als Familienwohnung aufgegeben habe, sei nicht ersichtlich. Dass die Ehefrau sich nie in der Wohnung im 2. OG aufhalte oder keinen Schlüssel mehr dafür habe, sei vom Kläger nicht dargetan worden. Er habe auch nicht in Abrede gestellt, dass die Mutter - sei es auch mit Unterstützung durch die Tochter - die Dusche im 2. OG nutzt.
Unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zur Ehewohnung sei vorliegend davon auszugehen, dass die Familienwohnung ihre Eigenschaft als solche nicht verloren habe, da die Mutter unstreitig die Wohnung im 1. OG bewohne und ihr Mitgewahrsam an der Wohnung im 2. OG nicht aufgegeben habe. Eine Nutzungsüberlassung allein an die Tochter liege mithin nicht vor.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 968 und in unserer Datenbank.


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