Recht → Miet- & Zivilrecht
Steigerung um 557 % reichte dem Gericht nicht
Einwendungen gegen Stromrechnung
04.06.2025 (GE 9/2025, S. 419) Nach § 17 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV) werden Einwände gegen die Stromrechnung nur berücksichtigt, soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Das ist bei einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung von einer vorausgegangenen oder nachfolgenden Abrechnungsperiode der Fall, wobei der Kunde das Risiko einer unterlassenen Selbstablesung trägt. Im vom OLG Celle entschiedenen Fall reichte dem Gericht eine Abweichung von 557 % nicht.
Der Fall: Die Klägerin belieferte die Beklagte mit Strom, der auch zur Beheizung genutzt wurde. Sie verlangt von der Beklagten Stromentgelte für den Zeitraum vom 1. November 2017 bis zum 31. Oktober 2023 i.H.v. 17.538,52 € abzüglich Abschlagszahlungen von insgesamt 6.300,97 €.
Die Zählerstände wurden letztmals im November 2017 und 2018 abgelesen; danach erst wieder im April 2022 anlässlich eines Zählerwechsels. Ob die Beklagte in der Folgezeit die ihr übersandten Ablesekarten zurücksandte, ist streitig.
Den Gesamtverbrauch schätzte die Klägerin und klagte die so ermittelten Entgelte ein. Die Beklagte verweigerte die Zahlung wegen erheblicher Abweichungen der Verbrauchswerte. Gegenüber den Vorjahreszeiträumen war eine Steigerung um bis zu 557 % eingetreten. Das LG bejahte deshalb ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten. Die Berufung war erfolgreich.
Der Beschluss: Das OLG Celle verwies darauf, dass ein offensichtlicher Fehler nicht anzunehmen sei; ein Grenzwert, also eine für alle Fallgestaltungen maßgebliche Größe der Abweichung, lasse sich nicht bestimmen. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände seien die Abweichungen nicht außerhalb jeder Plausibilität. Verbrauchsunterschiede könnten insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass die Beklagte mit dem Strom geheizt habe. Verbrauchsschwankungen könnten auch durch die unterschiedlichen Erträge der vorhandenen Photovoltaikanlage bedingt gewesen sein. Eine Beweisaufnahme über das konkrete Verbrauchsverhalten, die Heiztechnik, den Zustand des Gebäudes und die Arbeitsweise der Photovoltaikanlage komme nicht in Betracht.
Das Risiko von Messfehlern sei nicht auf das Versorgungsunternehmen zu verlagern, wenn die Kunden zur Selbstablesung des Zählers aufgefordert werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines offensichtlichen Fehlers trage der Kunde und die Aufforderung zur Selbstablesung des Zählers entspreche der heute üblichen Praxis. Jedenfalls dann, wenn der Kunde deutlich auf die vorzunehmende Selbstablesung hingewiesen wurde, trage er das Risiko, dass keine enorme Verbrauchsabweichung anzunehmen sei.
Anmerkung: Das OLG Celle hat eine Steigerung von 520 % in einer früheren Entscheidung als eine enorme und nicht plausibel erklärbare Abweichung angesehen (NJW-RR 2016, 435). Eine Steigerung um mehr als das Doppelte berechtigt nur dann zur Zahlungsverweigerung, wenn der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt (§ 17 StromGVV).
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 443 und in unserer Datenbank.
Die Zählerstände wurden letztmals im November 2017 und 2018 abgelesen; danach erst wieder im April 2022 anlässlich eines Zählerwechsels. Ob die Beklagte in der Folgezeit die ihr übersandten Ablesekarten zurücksandte, ist streitig.
Den Gesamtverbrauch schätzte die Klägerin und klagte die so ermittelten Entgelte ein. Die Beklagte verweigerte die Zahlung wegen erheblicher Abweichungen der Verbrauchswerte. Gegenüber den Vorjahreszeiträumen war eine Steigerung um bis zu 557 % eingetreten. Das LG bejahte deshalb ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten. Die Berufung war erfolgreich.
Der Beschluss: Das OLG Celle verwies darauf, dass ein offensichtlicher Fehler nicht anzunehmen sei; ein Grenzwert, also eine für alle Fallgestaltungen maßgebliche Größe der Abweichung, lasse sich nicht bestimmen. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände seien die Abweichungen nicht außerhalb jeder Plausibilität. Verbrauchsunterschiede könnten insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass die Beklagte mit dem Strom geheizt habe. Verbrauchsschwankungen könnten auch durch die unterschiedlichen Erträge der vorhandenen Photovoltaikanlage bedingt gewesen sein. Eine Beweisaufnahme über das konkrete Verbrauchsverhalten, die Heiztechnik, den Zustand des Gebäudes und die Arbeitsweise der Photovoltaikanlage komme nicht in Betracht.
Das Risiko von Messfehlern sei nicht auf das Versorgungsunternehmen zu verlagern, wenn die Kunden zur Selbstablesung des Zählers aufgefordert werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines offensichtlichen Fehlers trage der Kunde und die Aufforderung zur Selbstablesung des Zählers entspreche der heute üblichen Praxis. Jedenfalls dann, wenn der Kunde deutlich auf die vorzunehmende Selbstablesung hingewiesen wurde, trage er das Risiko, dass keine enorme Verbrauchsabweichung anzunehmen sei.
Anmerkung: Das OLG Celle hat eine Steigerung von 520 % in einer früheren Entscheidung als eine enorme und nicht plausibel erklärbare Abweichung angesehen (NJW-RR 2016, 435). Eine Steigerung um mehr als das Doppelte berechtigt nur dann zur Zahlungsverweigerung, wenn der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt (§ 17 StromGVV).
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 443 und in unserer Datenbank.
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