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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Festlegung des Umlageschlüssels durch Vermieter
Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für die Betriebskostenabrechnung
29.01.2015 (GE 1/2015, S. 24) Wohnraummietvertragsparteien können statt eines konkreten Umlageschlüssels ein ein seitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen des Vermieters vereinbaren.
DER FALL: Nach dem Wohnungsmietvertrag der Parteien sollte der Vermieter mit der Abrechnung über die vom Mieter zu zahlenden Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode den „Umlageschlüssel nach billigem Ermessen” festlegen. In der ersten Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 rechnete die Vermieterin hinsichtlich der Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt ab. Aus der für das Jahr 2010 erstellten Jahresabrechnung unter Verwendung des gleichen Umlageschlüssels ergab sich ein Nachzahlungsbetrag, den die Vermieterin einklagte. Der Mieter forderte Auszahlung eines sich unter Verwendung des gesetzlichen Abrechnungsmaßstab (Fläche) zu seinen Gunsten errechneten Guthabens.
Die Vorinstanzen haben die entsprechende Widerklage des Mieters abgewiesen und ihn zur Nachzahlung verurteilt, wogegen sich seine Revision richtete.

DAS URTEIL: Der für Wohnraummietsachen zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hielt die Widerklage im Ergebnis für unbegründet. Die erteilte Betriebskostenabrechnung sei im Hinblick auf den von dem gesetzlichen Abrechnungsmaßstab abweichenden Umlageschlüssel nicht zu beanstanden. Die Vermieterseite habe insoweit ihr in § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags wirksam vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 wirksam für die zukünftigen Abrechnungen ausgeübt. Dieser Regelung stünden weder Wortlaut noch der Gesetzeszweck von § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen.
Dem Wortlaut von § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts durch die Parteien unzulässig ist. Auch das Anliegen des Gesetzgebers, durch Bereitstellen eines konkreten Abrechnungsmaßstabs Streitigkeiten in den Fällen zu verhindern, in denen die Parteien keinen Verteilungsmaßstab vereinbart hätten, stehe der Vereinbarung eines Bestimmungsrechts nicht entgegen. Denn die Parteien nähmen das Risiko von Streitigkeiten über dessen Ausübung „sehenden Auges” in Kauf, sofern sie dem Vermieter durch eine entsprechende Vereinbarung das Recht vorbehielten, den Abrechnungsmaßstab einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Formularklausel sei auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, denn der Mieter sei angesichts des Umstandes, dass die einseitige Festlegung entsprechend §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen habe, nicht unangemessenen benachteiligt.

ANMERKUNG: Der Entscheidung ist in vollem Umfang zuzustimmen. § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB schreibt nur bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung vor, dass nicht verbrauchsoder verursachungsabhängig erfasste Betriebskosten nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen sind. Vorrangig ist dagegen für diese Betriebskosten – soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften (wie z. B. §§ 7, 8 HeizkostenV) entgegenstehen – die vertragliche Vereinbarung. Diese kann auch zu Lasten des Mieters von der gesetzlichen Regelung des § 556 a Abs. 1 BGB über die Umlage nach der Wohnfläche abweichen, da § 556 a Abs. 1 BGB in § 556 a Abs. 3 BGB nicht erwähnt ist. Die Vereinbarung muss allerdings in Mietverträgen, die über längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden, schriftlich abgeschlossen werden, sonst gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550 BGB). Im Übrigen kann sie auch mündlich – und damit auch konkludent – getroffen werden. Die vertragliche Vereinbarung unterliegt der Billigkeitskontrolle, wenn – wie hier – dem Vermieter vertraglich ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich des Umlagemaßstabes eingeräumt worden ist (BGH, NJW 1993, 1061 = WuM 1993, 109; insoweit zutreffend KG, Urteil vom 24. Juli 2006, 8 U 224/05, GE 2006, 1231).
Zutreffend verneint der BGH auch einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB, da die einseitige Festlegung entsprechend §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen hat. Der BGH (Beschluss vom 8. Januar 2013, VIII ZR 180/12, GE 2013, 411; Urteil vom 22. Oktober 2014 - VIII ZR 97/14, GE 2014, 1645) hat die Umlage nach der Personenzahl nicht beanstandet (a. A. für Müllbeseitigungskosten Schmidt-Futterer/ Langenberg, § 556 a BGB Rn. 134), die allerdings nicht ganz einfach ist (vgl. dazu Verf. GE 2013, 525).


(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 50 und in unserer Datenbank)
Autor: Harald Kinne


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