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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Konkludente Annahme der Umlage durch rügelose Zahlung der neuen Betriebskosten
Zahlung ohne vertragliche Grundlage
23.01.2015 (GE 1/2015, S. 19) Eine konkludente Einigung über die Umlage weiterer Betriebskosten kann dadurch zustande kommen, dass der Gewerberaummieter die von dem neuen Vermieter in der Betriebskostenabrechnung umgelegten Kosten für Instandhaltung und Verwaltung über vier Jahre hinweg zahlt, ohne zu rügen, dass es hierfür an einer vertraglichen Grundlage fehlt.
DER FALL: In dem Gewerberaummietvertrag vom 28. August 2001 war die anteilige Umlage von Instandhaltungs- und Verwaltungskosten nicht vereinbart. Diese legte jedoch der neue Vermieter für die Zeit ab 1. Januar 2005 auf den Gewerberaummieter um, der die Kosten auch ohne Beanstandung bis 2010 zahlte. Erst mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 beanstandete der Mieter, dass die Umlage der Positionen Instandhaltungs- und Verwaltungskosten nicht vereinbart worden sei, und verlangte Rückzahlung der auf die Betriebskostenabrechnungen 2009 und 2010 entrichteten Beträge. Gegen die Verurteilung zur Rückzahlung legte der Vermieter Berufung ein.

DAS URTEIL: Der 8. Zivilsenat des Kammergerichts gab der Berufung statt und wies die Rückzahlungsklage ab. Zwar sei für das Zustandekommen eines Änderungsvertrages, der eine erweitere Umlage von Betriebskosten zum Gegenstand habe, erforderlich, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen könne, dass der Mieter damit einverstanden sei. Dafür reiche aber hier das Verhalten des Mieters aus, der über vier Jahre die erweiterten Betriebskosten an den neuen Vermieter gezahlt habe.

ANMERKUNG: Der 8. Zivilsenat zieht zwar zur Begründung seiner Ansicht zu Recht die Rechtsprechung des BGH heran, wonach der Übersendung einer von den mietvertraglichen Regelungen abweichenden Betriebskostenabrechnung nur bei Vorliegen besonderer Umstände ein Angebot des Vermieters zu entnehmen ist, insoweit eine Änderung des Mietvertrags herbeiführen zu wollen. Dazu reicht es nach BGH (Urteil vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 36/14, GE 2014, 1134) aus, wenn der Vermieter vor dem Versand der Betriebskostenabrechnung eine Änderung (zusätzliche Betriebskosten) telefonisch oder schriftlich ankündigt, und danach eine Betriebskostenabrechnung folgt, welche die zusätzlichen Betriebskostenpositionen enthält; gleiche der Mieter – so der BGH – alsdann den Nachforderungsbetrag vorbehaltlos aus, könne in diesem Verhalten seine stillschweigende Zustimmung zur Abänderung der Betriebskostenabrede des Mietvertrags liegen. An einer derartigen Ankündigung fehlte es aber in dem vom KG entschiedenen Fall. Allein die Tatsache, dass ein neuer (?) Vermieter neue Betriebskosten umlegte, dürfte nicht als besonderer Umstand angesehen werden können, dem nach der maßgeblichen Sicht des Mieters ein Angebot des Vermieters zur Umlage weiterer Betriebskosten zu entnehmen war. Fehlte es aber bereits am Angebot, konnte in der Zahlung der Betriebskosten über vier Jahre keine Annahmeerklärung liegen. Im Übrigen hat der BGH seine Rechtsprechung, wonach allein die (auch langjährige) vorbehaltlose Zahlung des Mieters auf Betriebskostenabrechnungen noch keine – stillschweigende – Änderung der Abrede der Mietvertragsparteien über umlegbare Betriebskosten beinhaltet, erst kürzlich bestätigt (BGH, VU vom 10. September 2014, XII ZR 56/11, GE 2014, 1523). Leider fehlt in der KG-Entscheidung auch jede Auseinandersetzung damit, ob die Umlage der Instandhaltungskosten wirksam war.
Die Auferlegung der Instandhaltung und Instandsetzung gemeinschaftlich genutzter Flächen und Anlagen auf den Mieter ohne Beschränkung der Höhe nach verstößt in Formularmietverträgen gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB (BGH, VU vom 10. September 2014, XII ZR 56/11, aaO.). Mangels näherer Angaben über die in den Abrechnungen aufgeführten Instandhaltungskosten kann nicht gesehen werden, ob diese sich auch auf gemeinschaftlich genutzte Flächen bezogen. Dafür spricht allerdings, dass nach den im Urteil wiedergegebenen Schreiben vom 8. Februar 2010 und 16. Dezember 2011 der Mieter den Ansatz von Instandsetzungskosten für den Außenbereich beanstandet hatte, woraufhin der Vermieter die Kosten entsprechend reduzierte. Wenn aber der Vermieter Kosten für gemeinschaftlich genutzte Flächen in Ansatz brachte, hätte in seinem – vom KG so gesehenen – Abänderungsangebot auch eine Beschränkung der Höhe dieser Kosten enthalten sein müssen, ohne die die Änderung des ursprünglichen Formularvertrags unwirksam gewesen wäre.
Aber auch insoweit lässt das Urteil offen, ob die Änderung des – offensichtlich formularmäßigen – Gewerberaummietvertrages wiederum als Formularvereinbarung – die der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1, 2 BGB unterliegt – oder als Individualvereinbarung anzusehen ist.
Zutreffend geht das Urteil stillschweigend davon aus, dass die Umlage der „Verwaltungskosten“ in dem Mietvertrag über Geschäftsräume unabhängig davon wirksam war, ob sie formularmäßig oder individuell vereinbart worden ist, und auch unabhängig davon, ob die Umlage in den Abrechnungen eine Bezifferung oder höhenmäßige Begrenzung der Verwaltungskosten enthielt (BGH, VU vom 10. September 2014, XII ZR 56/11, GE 2014, 1523; BGH, Urteil vom 26. September 2012, XII ZR 112/10, GE 2012, 1696; BGH, Urteil vom 3. August 2011, XII ZR 205/09, GE 2011, 1301; BGH, Urteil vom 24. Februar 2010, XII ZR 69/08, GE 2010, 482; BGH, Urteil vom 9. Dezember 2009, XII ZR 109/08, NZM 2010, 124 = GE 2010, 261).


(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 55 und in unserer Datenbank)
Autor: Harald Kinne


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