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Wohnungsämter: Änderungen nicht gewachsen
Keine Zahlungen mehr bei genehmigungsfreien Zweckentfremdungen
07.05.2002 (GE 9/02, Seite 587) Zum 1. Dezember 2001 ist die Zweite Änderungsverordnung zur Zweiten Zweckentfremdungsverbot-Verordnung (2. ÄndVO-2. ZwVbVO) in Kraft getreten. In der Praxis bestehen bei den einzelnen Wohnungsämtern aber noch erhebliche Anwendungsprobleme. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, daß die Ausführungsvorschriften zur 2. ÄndVO bis heute nicht veröffentlicht sind, so daß bei den einzelnen Wohnungsamtsmitarbeiter Unsicherheit in der Auslegung der Verordnung besteht.
I. Vorbemerkung
In der Praxis wird deutlich, daß die Überleitungsbestimmung des § 9 Abs. 3 der 2. ÄndVO-2. ZwVbVO
Auf Anträge, die vor dem 1. November 2001 gestellt worden sind, findet diese Verordnung in der Fassung vom 24. März 1998 Anwendung fehlinterpretiert wird.
Unklarheit besteht vor allem im Hinblick auf die Anwendung dieser Regelung auf sog. Dauerverwaltungsakte, also z. B. Genehmigungsbescheide, die eine monatliche laufende Zahlungsauflage beinhalten, jedoch Wohnraum betreffen, der nach der neuen Verordnung genehmigungsfrei gewerblich genutzt werden kann. Das Mißverständnis besteht darin, daß die Regelung nicht nur auf Antragsverfahren, sondern auch auf vor dem 1. November 2001 abgeschlossene Genehmigungsverfahren mit der Folge bezogen wird, daß von einem Genehmigungsinhaber, will er sich auf die neue Gesetzeslage berufen, ein Änderungsantrag erwartet wird. Die Wohnungsämter vertreten hier teilweise die unzutreffende Ansicht, daß eine Anpassung an die neue Gesetzeslage in diesen Fällen weder von Amts wegen noch automatisch zu erfolgen hat.

Entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 lit. h 2. ÄndVO, wonach es einer Genehmigung zur zweckfremden Nutzung von Erdgeschoßwohnungen in bestimmten Gebieten nicht bedarf, unterscheiden die Wohnungsämter zwischen Neuanträgen, auf die die Bestimmung vollumfänglich angewendet werden soll und abgeschlossene Genehmigungsverfahren, bei denen nur die Zahlung der Ausgleichsabgabe entfallen, nicht aber die ausdrücklich normierte Genehmigungsfreiheit gelten soll.

II. Anwendung der 2. ÄnderungsVO auf nicht beendete Genehmigungsverfahren und Dauergenehmigungen
Die Überleitungsbestimmung gilt nicht für in der Vergangenheit abgewickelte Zweckentfremdungsverfahren. Liegt eine bestandskräftige Genehmigung vor, die z. B. Schaffung von Ersatzwohnraum zum Inhalt hat, der schon errichtet wurde, so bleibt diese Genehmigung von der Neuregelung unberührt, auch wenn es sich inzwischen um Wohnraum handelt, der nach der 2. ÄndVO-2. ZwVbVO genehmigungsfrei zweckentfremdet werden darf.
Bei der Anwendung der 2. ÄndVO-2. ZwVbVO im Hinblick auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen, z. B. laufende Antrags- oder Rechtsmittelverfahren, aber auch Genehmigungen, die dauerhafte Zahlungsverpflichtungen oder personengebundene Nutzungseinschränkungen beinhalten, ist folgendes zu beachten.

Bereits aus § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ergibt sich, daß ein Verwaltungsakt solange und soweit wirksam bleibt, soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine Genehmigung durch eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere durch Wegfall der Erlaubnispflicht, gegenstandslos wird (BVerwG DÖV 1974,677; VG Hamburg, Urteil vom 2. Januar 2002, 3 VG 3708/2001; Kopp, VwVfG Rn. 41 zu § 43).
Ein förmlicher Widerruf bzw. eine Abänderung einer rechtmäßig erteilten Genehmigung gem. § 49 VwVfG ist in den Fällen, in denen die Erlaubnispflicht entfallen ist, nicht erforderlich, dies gilt insbesondere dann, wenn der Verordnungsgeber bewußt eine Neuregelung erlassen hat, mit der die Erlaubnispflicht entfallen ist (vgl. VG Hamburg, a.a.O.). Für einzelne Fallgruppen ergeben sich damit folgende Konsequenzen.

Bestandskräftige Genehmigung zur Zweckentfremdung gegen Zahlung einer monatlichen Ausgleichsabgabe; zweckentfremdeter Wohnraum unterfällt nicht mehr dem Verbot der Zweckentfremdung.
Liegt eine bestandskräftige Genehmigung zur Zweckentfremdung vor, handelt es sich nicht mehr um ein Antragsverfahren, auf das die Überleitungsvorschrift des § 9 Abs. 3 2. ÄndVO-2. ZwVbVO anzuwenden ist. Die Wirkung der Genehmigung ist damit entfallen. Ausgleichsabgaben dürfen nicht mehr einbehalten werden und sind ggf. zurückzuzahlen. Enthält die Genehmigung für nicht mehr dem Verbot unterfallende Erdgeschoßwohnungen personenbezogene und nutzungsbezogene Einschränkungen und zeitliche Befristungen, so sind auch diese gegenstandslos.
Es ist zu befürchten, daß dies in der Praxis auf Schwierigkeiten stößt und Gelder noch immer ohne Rechtsgrundlage eingezogen werden und noch nicht zurückgezahlt worden sind. Ein Betroffener sollte daher vorsorglich um Rückerstattung bitten und weitere Zahlungen jedenfalls nicht mehr vorbehaltlos leisten. Gebührenpflichtige Anträge (§ 51 VwVfG) sind nicht zu stellen. Soweit ersichtlich, zahlen Betroffene, vor allem in den Plattenbausiedlungen, auch weiterhin Ausgleichsabgaben, ohne daß die Wohnungsämter von sich aus, wozu sie aber verpflichtet sind, die gezahlten Gelder zurückerstatten.

Fall 2: Bestandskräftige Genehmigung zur Zweckentfremdung wegen Schaffung von Ersatzwohnraum für Wohnraum, der nicht mehr genehmigungspflichtig ist; Ersatzwohnraum ist noch nicht errichtet; es wird bis zur Bezugsfertigkeit eine laufende monatliche Ausgleichsabgabe gezahlt.
Für diesen Fall gelten die vorstehenden Ausführungen. Wegen Wegfalls der Erlaubnispflicht ist die Genehmigung erloschen. Weder muß eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden noch ist der Ersatzwohnraum zu errichten. Sofern der ursprüngliche Ersatzwohnraum dennoch errichtet bzw. fertiggestellt werden soll, kann er in einem anderen Zweckentfremdungsverfahren für Wohnraum angeboten werden, der nach wie vor der Genehmigungspflicht unterliegt (sofern das Verbot der Zweckentfremdung überhaupt noch verfassungsgemäß und eine Genehmigung erforderlich).

Bestandskräftige Genehmigung für Nutzungsverhältnisse, die nach der 2. ÄndVO-2. ZwVbVO ohne Zahlungsauflage genehmigungsfähig sind.
Auch in diesen Fällen ist das Antragsverfahren abgeschlossen, so daß wegen der neuen Gesetzeslage eine Anpassung an die neue Rechtslage vorgenommen werden muß. Die Ausgleichsabgabe kann z. B. ab dem 1. Dezember 2001 entfallen, wenn Wohnraum als Arztpraxis, zu sozialen, gesundheitlichen, therapeutischen oder kulturellen Zwecken genutzt wird oder wenn die Zweckentfremdung der Verbesserung des Wohnumfelds dient und die Miete nicht höher liegt als die für vergleichbaren Wohnraum. Ein besonderer Anwendungsbereich liegt hier bei der gewerblichen Selbstnutzung von Eigentumswohnungen, für die entweder ein Nutzungsentgelt nicht entrichtet wird oder das Nutzungsentgelt jederzeit neu vereinbar ist.
Im vorliegenden Fall ist die Wirkung der Genehmigung nicht automatisch entfallen.
Da aber bei Bestehen der neuen Voraussetzungen wegen einer Änderung der Sach- und Rechtslage ein Anspruch auf Abänderung besteht, dürfte das Ermessen der Behörde bei der Entscheidung über den Widerruf oder Änderung eines Verwaltungsaktes für die Zukunft auf Null reduziert sein. Die Behörde sollte daher von sich aus gem. § 49 VwVfG durch Erlaß eines neuen Bescheides der geänderten Rechtslage Rechnung tragen.
Der Behörde ist es bei dieser Fallgestaltung praktisch nicht möglich, die einzelnen Fälle zu überprüfen, da bisher die Höhe des Mietzinses nicht Genehmigungsvoraussetzung war und entsprechende Nachweise nicht erbracht werden mußten. Hier ist es Sache der Betroffenen, Nachweise einzureichen, um damit eine Anpassung an die neue Gesetzeslage zu begründen.

Genehmigungsverfahren wegen Schaffung von Ersatzwohnraum ist noch nicht beendet, der zweckzuentfremdende Wohnraum (Erdgeschoß) unterfällt nicht mehr dem Genehmigungsvorbehalt.
An diesem Beispiel werden die Auslegungsschwierigkeiten des § 9 Abs. 3 2. ÄndVO-2. ZwVbVO deutlich. Die Regelung kann nicht Anträge betreffen, die zwar vor dem 1. November 2001 gestellt worden sind, jedoch Wohnraum betreffen, der nicht mehr der Genehmigungspflicht unterfällt. Eine Genehmigung wäre im Zeitpunkt des Erlasses bereits nach dem oben Gesagten gegenstandslos. Ein Antrag darf in diesem Fall nach dem 1. Dezember 2001 nicht mehr beschieden werden, da er sich anderweitig erledigt hat oder er müßte mangels Rechtsgrundlage negativ beschieden werden.
Die Behörde ist gem. § 25 VwVfG auch verpflichtet, einen Antragsteller bei der Antragstellung zu beraten und ihm Auskunft zu geben. Hierzu gehören auch Hinweise zu Ergänzungen, Berichtigungen und Klarstellungen (Kopp, a. a. O. Rn. 8 zu § 25). Die Behörde hat im vorliegenden Fall daher den Antragsteller ohnehin auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, daß in einem laufenden Genehmigungsverfahren der Antrag jederzeit zurückgenommen werden kann. Eine Rücknahme des Antrags ist bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit, also auch noch bis zu einem Monat nach Erlaß der Genehmigung und auch noch im Widerspruchsverfahren möglich.
Handelt es sich um den Fall einer nachträglichen Legalisierung einer Zweckentfremdung, bei der auch eine rückwirkende Ausgleichsabgabe gezahlt werden muß, so kann der Antragsteller, auch insoweit müßte die Behörde den Antragsteller entsprechend beraten, seinen Antrag abändern und zwar auf Genehmigung der zweckfremden Nutzung bis zum 1. Dezember 2001 (Inkrafttreten der 2. ÄndVO). Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, im Hinblick auf die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zweckentfremdungsverbots in Berlin, einen entsprechenden Genehmigungsbescheid wegen der Zahlungsauflage anzufechten.

Bestandskräftige Genehmigung zur Zweckentfremdung wegen Schaffung von Ersatzwohnraum, Ersatzwohnraum ist bereits errichtet; bei dem Ersatzwohnraum handelt es sich um Erdgeschoßwohnraum, der nicht mehr dem Verbot der Zweckentfremdung unterfällt.
Mit der Errichtung des Ersatzwohnraums sind die Verpflichtungen aus der Genehmigung erfüllt. Der Ersatzwohnraum unterfällt damit bei einem bestehenden Verbot der Zweckentfremdung denselben Genehmigungsvoraussetzungen wie Bestandswohnraum. Auch Ersatzwohnraum kann grundsätzlich gewerblich genutzt werden, sofern hierfür erneut Ersatzwohnraum geschaffen wird oder die gewerbliche Nutzung anderweitig, z. B. gegen Zahlung einer Ausgleichsabgabe, genehmigt wird. Handelt es sich bei dem Ersatzwohnraum um eine Erdgeschoßwohnung, die ab dem 1. Dezember 2001 genehmigungsfrei genutzt werden darf, so ist für die gewerbliche Nutzung nur noch eine Baugenehmigung (Nutzungsänderungsgenehmigung) erforderlich. Das Wohnungsamt muß in das baurechtliche Genehmigungsverfahren nicht mehr einbezogen werden. Anträge sind beim Wohnungsamt nicht zu stellen.

Widerspruchsverfahren gegen Zahlungsauflage in Zweckentfremdungsgenehmigung für Wohnraum, der nicht mehr der Genehmigungspflicht unterfällt.
Im Widerspruchsverfahren ist die neue Rechtslage zu berücksichtigen. Sofern der angefochtene Bescheid von der Ursprungsbehörde nicht aufgehoben wird, ist das Verfahren für den Widerspruchsführer kostenfrei zu beenden.
Die Regelung in § 9 Abs. 3 ÄndVO-2. ZwVbVO ist nach alledem nur auf Antragsverfahren anzuwenden, die am 1. Dezember 2001 noch nicht abgeschlossen waren und auch nur auf Wohnraum, der noch der Genehmigungspflicht unterfällt.
Handelt es sich um Wohnraum, dessen gewerbliche Nutzung nicht mehr genehmigungspflichtig ist, hat die Behörde das Antragsverfahren zu beenden. Für abgeschlossene Verwaltungsverfahren gilt, daß die neue Rechtslage entweder durch einen Änderungsbescheid berücksichtigt werden muß oder, bei Wegfall der Genehmigungspflicht, erlassene Bescheide ihre Wirksamkeit verlieren.
Autor: Dipl.-Pol. Utemaria Bujewski-Crawford und RA Dr. Michael Schultz, Kanzlei Schultz & Seldeneck