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Die Wahrheit
07.05.2002 (GE 9/02, Seite 553) Die Wahrheit über Katzen erfährt man bekanntlich von den Mäusen. Die Wahrheit über die Politik der Bundesregierung also am ehesten von denen, die von ihr gejagt und gebissen werden.
Beißen tut die Regierung, indem sie Steuern erhöht, Strafen verschärft, Anreize streicht und Initiativen, Gründungen und Veränderungen behindert. Wer immer in den letzten Jahren den Arbeitsmarkt deregulieren und die sozialen Sicherungssysteme effizienter - durch Stärkung der Eigenverantwortung - machen wollte, wurde von den Gewerkschaftshunden verbellt und von den Sozialpolitikern verbissen. Auf diesem Hintergrund muß die Lage der Gesamtwirtschaft, aber eben auch der Bauwirtschaft betrachtet werden - und dazu gehören von den Architekten und Ingenieuren über die Baufirmen bis hin zu den Banken und Bausparkassen einige Millionen Betroffene.

Um 25 % ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen und Einfamilienhäuser im letzten Jahr gesunken - das sind etwa 100.000 Stück. Die damit verbundene Wertschöpfung könnte sich auf etwa 150.000 E pro Einheit belaufen, folglich sank diese - die Wertschöpfung - im letzten Jahr um 15 Mrd. E, also knapp 30 Mrd. DM, was - ganz nebenbei - etwa 200.000 bis 300.000 Arbeitsplätzen entspricht, wahrscheinlich „Peanuts“ für die Politik dieses Landes.

Wie es ganz anders aussehen könnte, zeigt der Blick in die USA. Am 30.3. konnte man in der FAZ dieses lesen: „Ein Papiervermögen von mehr als 4.000 Mrd. Dollar wurde in den vergangenen beiden Jahren am amerikanischen Aktienmarkt vernichtet. Und dennoch haben die … Verbraucher kaum zurückgesteckt. Ihr fortgesetzter Kaufrausch ist vielmehr dafür verantwortlich, daß die jüngste Rezession … milde und kurz ausfiel. Die Erklärung für diese starke Konsumneigung ist im Häusermarkt zu finden ... Wohneigentum ist der wichtigste Vermögensrückhalt für den amerikanischen Durchschnittshaushalt. Und der Wert dieses Vermögens ist in den vergangenen zwei Jahren um weitere 17 % gestiegen, während die breiten Aktienmarktindizes um mehr als 20 % abtauchten.“

Während also in den USA der Häuslebau eine Lokomotive der Wirtschaftsentwicklung geworden ist, entpuppt sich die gleiche Branche in Deutschland als Bleigewicht, das ein Pferd mit sich herumschleppen muß, dem für das Rennen längst die Puste ausgegangen ist.

Dabei sind zwei der notwendigen Rahmenbedingungen gut: Die Zinsen sind nach wie vor günstig, die Baukosten so niedrig wie zuletzt 1995, im Osten Deutschlands - auch in Berlin - sogar noch klar darunter. Reihenhäuser zu Anfangspreisen von 250.000 oder 300.000 DM komplett und inkl. Grundstück - wann hat es das schon mal gegeben?
Tödlich für die Entwicklung sind dagegen die Angst vor der Zukunft (Arbeitslosigkeit), die immens verschärften Finanzierungsbedingungen der Banken (Basel II läßt grüßen), die abgesenkte Einkommensgrenze für die Gewährung der Eigenheimzulage und vielfach sicher auch die mangelnde Baugeländeausweisung durch die Gemeinden vor allem im Westen des Landes.

Die Bau- und Immobilienbranche hat ein schlechtes Image bei unseren politischen Stimmungsmachern. Das ist zwar keine Neuerscheinung, aber in der jetzigen Situation besonders verheerend. Denkt man über die steuerlichen Rahmenbedingungen nach, über Finanzierungshilfen für Eigenheimerwerber, über die Obergrenze für die Eigenheimzulage? Nichts von alledem! Das Ausmaß an Lähmung, an Gedanken- und Tatenlosigkeit ist erschreckend. Wer nichts tut, kann nichts falsch machen? Irrtum! Seit Voltaire ist man auch verantwortlich für das, was man nicht tut! Eine Mutter, die es versäumt, ihr Kind zu säugen, handelt verbrecherisch. Politiker, die es versäumen, der Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen zu geben, haben das falsche Signal gehört, als sie glaubten, berufen zu sein.
Autor: Dietmar Otremba