Archiv / Suche
Vielfach unbekannte Steuerbefreiung
Keine Spekulationssteuer bei der Veräußerung selbstgenutzten Wohneigentums
16.04.2002 (GE 8/2002, Seite 520) Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 hat der Gesetzgeber die Spekulationsfrist für private Veräußerungsgeschäfte von zwei auf zehn Jahre verlängert.
I. Neuregelung durch Steuerentlastungsgesetz
Praktisch unbemerkt blieb jedoch die mit der Fristverlängerung zeitgleich eingeführte Erweiterung des Besteuerungsgegenstandes auf die Herstellung von Gebäuden sowie die ebenfalls erstmals eingeführte Steuerbefreiung für die Veräußerung selbstgenutzten Wohneigentums.
II. Vergleich der früheren mit der neuen Regelung
Die frühere, in § 23 Abs. 1 Nr. 1 a EStG a. F. enthaltene Regelung definierte Spekulationsgeschäfte als Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Eine Unterscheidung zwischen selbstgenutzten und vermieteten sowie zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken kannte die frühere Vorschrift nicht.
Die neuere Vorschrift formuliert demgegenüber wesentlich differenzierter: „Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden“ (§ 23 Abs. 1 Ziffer 1 EStG n. F.).
III. Erweiterung der Besteuerung
auf die Herstellung
Mit der Erweiterung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG n. F. sind nunmehr auch Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraumes errichtet, ausgebaut oder erweitert wurden; hat der Steuerpflichtige beispielsweise ein Grundstück erworben, dieses selbst bebaut und anschließend veräußert, so ermittelt sich der Veräußerungsgewinn im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG n. F. aus dem Veräußerungspreis des bebauten Grundstücks abzüglich der ursprünglichen Anschaffungskosten für den Grund und Boden und der Herstellungskosten für das Gebäude, ggf. vermindert um die geltend gemachten Abschreibungen. Zur Berechnung der Zehnjahresfrist ist hierbei allerdings auf den Erwerb des Grund und Bodens und nicht auf den Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes abzustellen. Hat der Steuerpflichtige das Grundstück vor dem 1. Januar 1989 erworben und im Verlaufe der 90er Jahre bebaut, so ist dieses auf jeden Fall mit Ablauf des 31. Dezember 1998 nicht mehr steuerverhaftet. Für zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 31. Dezember 1996 angeschaffte Grundstücke wird die Frage, ob die Verlängerung der Spekulationssteuer für bereits „steuerentstrickte“ Grundstücke verfassungskonform ist, derzeit von den Gerichten geprüft.
IV. Die Privilegierung für
selbstgenutztes Wohneigentum
Unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Grundstück bebaut erworben hat, das Grundstück erworben und selbst bebaut hat, sind nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG n. F. ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne ausgenommen. Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber zwei Fälle:
1. die Immobilie wurde ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt
2. die Immobilie wurde im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Demnach ist es unschädlich, wenn der Steuerpflichtige die Immobilie zunächst einige Jahre vermietet und anschließend selbst bewohnt hat. Erforderlich ist auch nicht, daß der Steuerpflichtige die Immobilie insgesamt drei Jahre (also 36 Kalendermonate) selbst bewohnt hat. Es reicht aus, wenn der Steuerpflichtige die Immobilie im Jahr der Veräußerung einen oder mehrere Monate, das Jahr zuvor und in dem vorvergangenen Jahr auch nur einen oder einige Monate selbst genutzt hat.
Nicht anwendbar ist diese steuerliche Privilegierung jedoch auf Veräußerungen, die vor dem 1. Januar 1999 erfolgt sind; abzustellen ist dabei auf den Tag des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages (Niedersächsisches Finanzgericht vom 28.9.2001, Az. 10 K 266/96). Gegen die diesbezügliche Entscheidung ist die Revision zum BFH eingelegt (Az. IX R 1/01). Diese wird damit begründet, daß die Kläger als frühere Mieter bereits über eine Verkaufszusage der Vermieterin verfügt hätten und deren Datum - anstelle des Datums des notariellen Kaufvertrages - der Berechnung der Spekulationsfrist zugrunde zu legen sei.
Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist der Zeitraum „zwischen Anschaffung und Veräußerung“ maßgeblich. Dieses Anschaffungsgeschäft ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes grundsätzlich mit dem notariell beurkundeten Kaufvertrag betreffend das Grundstück identisch und somit dieser notarielle Kaufvertrag für die Berechnung der Spekulationsfrist maßgebend (BFH vom 17.12.1997, Az. X R 88/95, zur insoweit identischen Formulierung der früheren Regelung).
Angesichts der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre stellt sich die Frage, welche Rechtsgeschäfte eine Situation herbeiführen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag vergleichbar sind, aber keine Besteuerung auslösen. Solche Gestaltungen erfordern aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des BFH dringend eine individuelle steuerliche Beratung.
Schädlich ist es jedoch, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise die Immobilie langfristig zu eigenen Wohnzwecken bewohnt hat, sie anschließend vermietet und dann veräußert, jedenfalls dann, wenn er dadurch nicht mehr im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren diese zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Auch eine kurzfristige „Zwischenvermietung“ kann folglich bereits die Steuerpflicht für private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Ziffer 1 EStG n. F. auslösen und den Immobilieneigentümer damit teuer zu stehen kommen.
Ein Leerstand vor Beginn der Nutzung ist jedoch unschädlich, wenn er mit der beabsichtigten Nutzung im Zusammenhang steht, ebenso ein Leerstand zwischen Beendigung der eigenen Nutzung und Verkauf, wenn der Eigentümer die Veräußerungsabsicht nachweist.
V. Steuertip
Soweit Sie aus beruflichen oder familiären Gründen aus Ihrem Eigenheim ausziehen und umziehen müssen, sollte die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG n. F. genannte Frist zur Vermeidung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen eingehalten werden, wenn ein Veräußerungsgewinn zu erwarten ist und die Anschaffung innerhalb der Zehnjahresfrist lag. Da das Finanzamt üblicherweise auf die melderechtlichen Verhältnisse abstellt, kann es ratsam sein, am Ort der neuen Arbeitsstelle zunächst eine Zweitwohnung zu beziehen und zu pendeln, was zum einen häufig für einen gewissen Zeitraum vom neuen Arbeitgeber als Kosten der doppelten Haushaltsführung neben den sogenannten Verpflegungsmehraufwendungen und Familienheimfahrten übernommen wird, andernfalls als Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden kann. Belastungen wie z. B. einen doppelten Umzug für die Familie - erst in eine neue Mietwohnung und danach in das neue Eigenheim - können dadurch ebenfalls vermieden und zumindest teilweise gegenfinanziert werden.
Praktisch unbemerkt blieb jedoch die mit der Fristverlängerung zeitgleich eingeführte Erweiterung des Besteuerungsgegenstandes auf die Herstellung von Gebäuden sowie die ebenfalls erstmals eingeführte Steuerbefreiung für die Veräußerung selbstgenutzten Wohneigentums.
II. Vergleich der früheren mit der neuen Regelung
Die frühere, in § 23 Abs. 1 Nr. 1 a EStG a. F. enthaltene Regelung definierte Spekulationsgeschäfte als Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Eine Unterscheidung zwischen selbstgenutzten und vermieteten sowie zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken kannte die frühere Vorschrift nicht.
Die neuere Vorschrift formuliert demgegenüber wesentlich differenzierter: „Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden“ (§ 23 Abs. 1 Ziffer 1 EStG n. F.).
III. Erweiterung der Besteuerung
auf die Herstellung
Mit der Erweiterung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG n. F. sind nunmehr auch Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraumes errichtet, ausgebaut oder erweitert wurden; hat der Steuerpflichtige beispielsweise ein Grundstück erworben, dieses selbst bebaut und anschließend veräußert, so ermittelt sich der Veräußerungsgewinn im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG n. F. aus dem Veräußerungspreis des bebauten Grundstücks abzüglich der ursprünglichen Anschaffungskosten für den Grund und Boden und der Herstellungskosten für das Gebäude, ggf. vermindert um die geltend gemachten Abschreibungen. Zur Berechnung der Zehnjahresfrist ist hierbei allerdings auf den Erwerb des Grund und Bodens und nicht auf den Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes abzustellen. Hat der Steuerpflichtige das Grundstück vor dem 1. Januar 1989 erworben und im Verlaufe der 90er Jahre bebaut, so ist dieses auf jeden Fall mit Ablauf des 31. Dezember 1998 nicht mehr steuerverhaftet. Für zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 31. Dezember 1996 angeschaffte Grundstücke wird die Frage, ob die Verlängerung der Spekulationssteuer für bereits „steuerentstrickte“ Grundstücke verfassungskonform ist, derzeit von den Gerichten geprüft.
IV. Die Privilegierung für
selbstgenutztes Wohneigentum
Unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Grundstück bebaut erworben hat, das Grundstück erworben und selbst bebaut hat, sind nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG n. F. ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne ausgenommen. Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber zwei Fälle:
1. die Immobilie wurde ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt
2. die Immobilie wurde im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Demnach ist es unschädlich, wenn der Steuerpflichtige die Immobilie zunächst einige Jahre vermietet und anschließend selbst bewohnt hat. Erforderlich ist auch nicht, daß der Steuerpflichtige die Immobilie insgesamt drei Jahre (also 36 Kalendermonate) selbst bewohnt hat. Es reicht aus, wenn der Steuerpflichtige die Immobilie im Jahr der Veräußerung einen oder mehrere Monate, das Jahr zuvor und in dem vorvergangenen Jahr auch nur einen oder einige Monate selbst genutzt hat.
Nicht anwendbar ist diese steuerliche Privilegierung jedoch auf Veräußerungen, die vor dem 1. Januar 1999 erfolgt sind; abzustellen ist dabei auf den Tag des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages (Niedersächsisches Finanzgericht vom 28.9.2001, Az. 10 K 266/96). Gegen die diesbezügliche Entscheidung ist die Revision zum BFH eingelegt (Az. IX R 1/01). Diese wird damit begründet, daß die Kläger als frühere Mieter bereits über eine Verkaufszusage der Vermieterin verfügt hätten und deren Datum - anstelle des Datums des notariellen Kaufvertrages - der Berechnung der Spekulationsfrist zugrunde zu legen sei.
Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist der Zeitraum „zwischen Anschaffung und Veräußerung“ maßgeblich. Dieses Anschaffungsgeschäft ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes grundsätzlich mit dem notariell beurkundeten Kaufvertrag betreffend das Grundstück identisch und somit dieser notarielle Kaufvertrag für die Berechnung der Spekulationsfrist maßgebend (BFH vom 17.12.1997, Az. X R 88/95, zur insoweit identischen Formulierung der früheren Regelung).
Angesichts der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre stellt sich die Frage, welche Rechtsgeschäfte eine Situation herbeiführen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag vergleichbar sind, aber keine Besteuerung auslösen. Solche Gestaltungen erfordern aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des BFH dringend eine individuelle steuerliche Beratung.
Schädlich ist es jedoch, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise die Immobilie langfristig zu eigenen Wohnzwecken bewohnt hat, sie anschließend vermietet und dann veräußert, jedenfalls dann, wenn er dadurch nicht mehr im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren diese zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Auch eine kurzfristige „Zwischenvermietung“ kann folglich bereits die Steuerpflicht für private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Ziffer 1 EStG n. F. auslösen und den Immobilieneigentümer damit teuer zu stehen kommen.
Ein Leerstand vor Beginn der Nutzung ist jedoch unschädlich, wenn er mit der beabsichtigten Nutzung im Zusammenhang steht, ebenso ein Leerstand zwischen Beendigung der eigenen Nutzung und Verkauf, wenn der Eigentümer die Veräußerungsabsicht nachweist.
V. Steuertip
Soweit Sie aus beruflichen oder familiären Gründen aus Ihrem Eigenheim ausziehen und umziehen müssen, sollte die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG n. F. genannte Frist zur Vermeidung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen eingehalten werden, wenn ein Veräußerungsgewinn zu erwarten ist und die Anschaffung innerhalb der Zehnjahresfrist lag. Da das Finanzamt üblicherweise auf die melderechtlichen Verhältnisse abstellt, kann es ratsam sein, am Ort der neuen Arbeitsstelle zunächst eine Zweitwohnung zu beziehen und zu pendeln, was zum einen häufig für einen gewissen Zeitraum vom neuen Arbeitgeber als Kosten der doppelten Haushaltsführung neben den sogenannten Verpflegungsmehraufwendungen und Familienheimfahrten übernommen wird, andernfalls als Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden kann. Belastungen wie z. B. einen doppelten Umzug für die Familie - erst in eine neue Mietwohnung und danach in das neue Eigenheim - können dadurch ebenfalls vermieden und zumindest teilweise gegenfinanziert werden.
Autor: Ass. iur. Bettina Wirth, Düsseldorf