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LBS-Studie zum Berliner Wohnungsmarkt
140.000 leerstehende Wohnungen: Metropole mit Mittelstadt-Mietniveau
03.04.2002 (GE 7/02, Seite 424) Vor einem Jahr hatte die fusionierte LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin-Hannover angekündigt, Berlin dürfe nicht auf immer und ewig eine Mieterstadt bleiben. Daß das kein Naturgesetz ist, wollte die Bausparkasse mit einem umfassenden Gutachten untermauern. Es brachte zutage, was alle schon wissen: 140.000 Wohnungen stehen leer. Aber entscheidend für die künftige Entwicklung Berlins wird sein, daß vor diesem Hintergrund stärker als bisher auf die individuellen Bedürfnisse der Marktteilnehmer gebaut, modernisiert und weiterentwickelt wird. Dazu gehört auch eine Stärkung der Eigentumsquote. Wer hier ein Haus oder eine Eigentumswohnung hat bleibt, wer abwandert, kostet die Kommune jedes Jahr 3.000 Euro. Bei einigen Aussagen ist die empirica-Studie freilich etwas zu pessimistisch (der Bevölkerungsverlust in Berlin scheint nämlich gestoppt), dafür waren die Macher der Studie anfangs der 90er Jahre zu optimistisch. So gleicht sich alles aus.
Nach über die Jahre hinweg stabilen Umfragen würden rd. 80 % der Deutschen gern Immobilieneigentum erwerben, erklärte Manfred Breuer, Vorstandsvorsitzender der LBS Nord, der zusammen mit den Geschäftsführern der empirica, Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier und Ulrich Pfeiffer, die Ergebnisse der Studie der Öffentlichkeit vorstellte.
In Berlin liege die Eigentumsquote aber nur bei etwa 11 %. Eine veränderte Wohnungspolitik könne jedoch dazu führen, daß Berlin bis zum Jahr 2015 seine Wohneigentumsquote fast verdoppelt und damit auf das Niveau anderer Städte hebt, so auch eine der Kernaussagen der empirica-Studie. Die Stadt habe Deutschlands größte und zudem ausgesprochen attraktive Flächenreserven für den Wohnungsbau. Für eine verstärkte Eigentumsbildung sei es jedoch notwendig, die Voraussetzungen für eine preisgünstige Erschließung dieser Flächen zu schaffen. Dabei werde die Baulandpolitik zu einem der wichtigsten Instrumente der Wohnungspolitik.
Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie sei eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung im Bestand. Berlin könne aufgrund von preisgünstigen Angeboten an Flächen und einem großen Angebot an günstigen Mietwohnungen zur Metropole mit den Preisen einer Mittelstadt werden.
Blieben die derzeit geltenden Rahmenbedingungen und Abwanderungstrends unverändert, so die Studie, so dürften bei etwa gleichbleibender Neigung der Haushalte zur Eigentumsbildung zukünftig jährlich nur noch etwa 2.500 Berliner Haushalte Eigentum bilden. Diese Zahl könne durch eine bewußt eigentumsfreundliche Politik in Berlin allerdings deutlich gesteigert werden. Hierzu zähle neben günstigen Bedingungen im Neubau auch eine veränderte Politik der Wohnungsprivatisierung.
Wolle man in Berlin bis 2015 eine Eigentumsquote von ca. 20 % erreichen (das entspräche dem Niveau anderer Städte), dann bedeute dies eine Zahl von gut 150.000 neuen Eigentümerhaushalten. Davon könnten, unterstelle man ein „Halten“ der Abwanderer in Berlin, 75.000 Haushalte Eigentum durch Neubau bilden. Für den Erwerb aus dem Bestand ergäbe sich dann eine Größenordnung von ebenfalls rund 75.000 Haushalten bis zum Jahr 2015.
Umfragen hätten ergeben, daß ein Großteil der aktuell etwa 6.000 bis 7.000 Berliner Haushalte, die pro Jahr Eigentum im Umland erwerben, lediglich einem Preisgefälle folge und bei entsprechend attraktiven Angeboten auch in Berlin bleiben würde. Hieraus ergebe sich ein jährliches Potential von rund 5.000 Eigentümerhaushalten, die in Berlin gehalten werden könnten. Hinzu kämen etwa 6.000 bis 7.000 neue Eigentümer durch Privatisierungen im Bestand, so daß man bis 2015 die Eigentumsquote verdoppeln könnte.
„Die Wohneigentumsbildung und damit das mietfreie Wohnen im Alter“, so Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier, „wird als wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge weiter an Bedeutung gewinnen. Um so wichtiger ist es, die Vermögensbildung im Neubau und aus dem Bestand anzuregen, denn Städte mit niedrigen Eigentümerquoten werden zukünftig verstärkt soziale Probleme bekommen.“
Auch ließe sich die angespannte Haushaltssituation der Stadt Berlin durch das Halten von Einwohnern verbessern. Berechnungen zeigen, daß eine Kommune mit jeder abgewanderten Person rund 3.000 Euro jährlich verliert. Führe man sich vor Augen, daß im Jahr 2000 nahezu 33.000 Menschen aus Berlin in das Umland gezogen seien, so bedeute dies einen Verlust von fast 100 Millionen Euro allein für das Jahr 2000.
Der Erwerb von Gebrauchtimmobilien, vor allem in den Städten, gewinne für die Eigentumsbildung an Bedeutung, so Manfred Breuer. Hier setze ein Vorschlag der LBS Nord an. Der Bestandserwerb sollte stärker als bisher gefördert werden. Diese höhere Förderung müßte aber von Investitionen für Modernisierungen abhängig gemacht werden. Deshalb sollte eine Investitionskomponente eingeführt werden, die je nach Höhe des eingesetzten Kapitals bei Bestandsimmobilien gezahlt werde. Berlin könnte hierfür ein idealer Testmarkt sein, erst recht wenn man die Stadt als Einheit betrachte und daher das Bund-/Länderprogramm „Stadtumbau Ost“ auch auf den Westteil Berlins ausdehne.
Parallel zu einer Investitionszulage müsse aber auch die Stadt ihren Beitrag leisten, so Ulrich Pfeiffer. Genannt seien hier die Stichworte „Preiswertes Bauland ausweisen“ und „Familienförderung“. Wenn diese Komponenten die neu gestaltete Investitionsförderung im Bestand begleiten, könne den Problemen der Stadtflucht wirksam entgegengesteuert werden.
Obwohl in den meisten Großstädten ausreichend freie Flächen für den individuellen Wohnungsbau vorhanden seien, würden zu wenige Grundstücke zu bezahlbaren Preisen ausgewiesen. Hier gelte es, den Hebel anzusetzen, denn das Zurückhalten von Bauland koste die Kommunen auf lange Sicht mehr, als es ihnen an kurzfristigen Planungsgewinnen einbringe. Und freie Flächen gäbe es in Berlin und dem Umland nun wahrlich genug.
Eines sollte man stets im Auge behalten, meint Breuer: Der größte Teil der Abwanderer verlasse die Stadt nur „mit Widerwillen“. Er gehe also nicht mit einem Gefühl der Erleichterung, sondern fühle sich als „Vertriebener“.
Wesentliche Thesen im Überblick
Die Kernaussagen der Studie „Wohnungsmarkt Berlin - Hoffnungsloser Fall oder Markt voller Chancen“ seien im folgenden zitiert:
„Der Berliner Wohnungsmarkt hat seit der Wende gleich mehrere Extreme erlebt. Auf eine Phase akuten Mangels mit sprunghaften Mietsteigerungen Anfang der 90er Jahre reagierte die Wohnungspolitik mit einem genauso sprunghaften Anstieg der Förderprogramme und in dieser Höhe bis dahin nicht gekannten steuerlichen Subventionen. Diese Phase war auch geprägt durch die Erwartung eines hohen Bevölkerungswachstums (300.000 Einwohner für die Kernstadt bis 2015). Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in Berlin zurückgegangen (bis 2000 um 52.000). Gleichzeitig hat sich die Zahl der Einwohner im Umland um knapp 160.000 erhöht - überwiegend durch Zuwanderung aus der Kernstadt (vgl. Abb. 1 Seite 424). Der ab 1994 einsetzende Bauboom (bis heute wurden etwa 250.000 Wohnungen fertiggestellt, davon fast 140.000 in Berlin) lief damit weitgehend ins Leere, vor allem in Berlin. Aufgrund der quantitativ faktisch unveränderten Nachfrage entstanden durch den Umzug in Neubauwohnungen und Eigenheime an anderen Stellen Leerstände. Seit etwa 1996 stiegen die Leerstände bis auf das heutige Rekordniveau von rd. 140.000 Wohnungen an. Aus Mangel wurde Überschuß - und das in einem Ausmaß, das wohl von niemandem für möglich gehalten wurde. Die Produktion erreichte im Spitzenjahr 1997 in der Region (Kernstadt und Umland) eine Größenordnung von über 55.000 Wohnungen und sinkt seitdem kontinuierlich. Auch im Jahre 2000 wurden jedoch mit noch etwa 20.000 Wohnungen (in der Region) deutlich mehr neue Angebote geschaffen als in den Wendejahren, wobei mittlerweile deutlich über 50 % der Produktion auf das Umland entfällt (vgl. Abbildung 2).
Parallel zu diesem quantitativen Auf und Ab haben sich nachhaltige strukturelle Verschiebungen ergeben. In der Region Berlin entstand ein neuer, besonders leistungsfähiger Markt für Wohneigentum. Im Umland von Berlin wurden im Spitzenjahr 1998 fast 10.000 neue Eigenheime errichtet. Aber auch in Berlin wurden in den letzten Jahren jeweils etwa 3.000 Eigenheime gebaut, im weit überwiegenden Teil im Ostteil der Stadt. Die Mieter der Mieterstadt Berlin haben die Wohneigentumsbildung entdeckt (vgl. Abbildung 3 Seite 426).
Die Anbieter haben auf diese Nachfrage mit erstaunlich günstigen Angeboten reagiert. In der größten Stadtregion Deutschlands sind heute Preise für Eigenheime möglich, die in Westdeutschland nur in Kleinstädten üblich sind. Das 150.000-Euro-Haus, noch vor zehn Jahren als Utopie belächelt, ist massenhaft Wirklichkeit geworden und ein erstaunlicher Erfolg des Marktes. Dieser neue Markt für Wohneigentum etablierte sich vor allem im Umland. Im Durchschnitt sind in den letzten zehn Jahren jährlich 24.000 Berliner in das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen mit einem Wegzug von rd. 40.000 Berlinern in das Umland ihren Höhepunkt.
Zukünftig wird es in Berlin kaum mehr einen relevanten Zuwachs in der Zahl der Haushalte geben. Wahrscheinlicher ist zunächst ein leichter Rückgang, gefolgt von einer Periode der Stagnation. Auf lange Sicht (nach 2025) geht die Zahl der Haushalte stetig zurück. Nur wenn es zu einer drastischen Zuwanderung aus dem Ausland kommt - etwa im Zuge der Osterweiterung der EU - kann dieser Trend für längere Zeit unterbrochen werden (vgl. Abbildung 4).
Die Zahl der Haushalte wird selbst unter optimistischen Rahmenbedingungen (relativ hohe Zuwanderung aus dem Ausland) bis 2030 um rd. 50.000 sinken (unter Status-quo-Bedingungen sogar minus 155.000). Nur wenn es gelingt, durch nachfragegerechte Angebote die Abwanderer in Berlin zu halten, ist eine Reduzierung der Haushaltsverluste (nur minus 75.000 unter Status-quo-Bedingungen) bzw. eine Zunahme der Zahl der Haushalte (optimistische Rahmenbedingungen) bis zum Jahre 2030 um 30.000 möglich (vgl. Abbildung 5).
In der Region Berlin hat damit ein neues Zeitalter der Wohnungsmarktentwicklung begonnen. Auch künftig dürften die Fertigstellungen von Eigenheimen und selbstgenutzten Eigentumswohnungen die Marktentwicklung dominieren. Nach dem Ende quantitativer Defizite wird künftig der strukturelle Bedarf Motor und Ursache für den Neubau sein. Haushalte, die im Bestand nicht die Wohnformen finden, die sie sich wünschen und finanzieren können, werden auch dann Neubauten beziehen, wenn Leerstände weiterbestehen oder sogar weiterwachsen.
Daneben geht es darum, die Struktur des Angebotes an die künftige Struktur der Nachfrage anzupassen - auch durch Umbau vorhandener Bestände. Und es geht darum, die negativen Folgen der Abwanderungstendenzen, die sich bei Märkten mit Wohnungsüberschüssen verfestigen können, möglichst weitgehend zu überwinden.
Die Wohnungspolitik, deren Aufgabe es bisher immer war, Mangel zu überwinden, wird sich neuen Herausforderungen stellen müssen. In Zukunft gilt es, Vermögensbildung im Neubau und aus dem Bestand anzuregen, da die Wohneigentumsbildung als wesentlicher Bestandteil der Alterssicherung weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.
Berlin hat die Chance, die Wohneigentumsquote zu heben und damit sukzessive den Wohneigentumsquoten der anderen Städte anzupassen. Wohneigentum war in der Vergangenheit insbesondere im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw. zu den herunterregulierten Altbaumieten, zu teuer.
Im Neubau wird es in Berlin darauf ankommen, möglichst günstige Voraussetzungen für die Eigentumsbildung zu schaffen, um möglichst vielen Schwellenhaushalten den Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in Berlin zu ermöglichen. Dabei wird die Baulandpolitik zum wichtigsten Instrument der Wohnungspolitik. Berlin verfügt, anders als die westdeutschen Großstädte, noch über riesige innere Flächenreserven, die für diese Aufgaben mobilisiert werden können. Wenn es gelingt, attraktive und preiswerte Bauprojekte zu entwickeln, wird auch die Abwanderung in das Umland geringer sein als in anderen Großstädten. Viele Abwanderer in das Umland folgen noch immer lediglich einem Preisgefälle. Sie würden bei entsprechenden Angeboten auch in Berlin bleiben.
Berlin als Stadt des preiswerten Wohneigentums und der preiswerten Wohnung insgesamt würde damit gleichzeitig in der künftig verschärften Konkurrenz der Stadtregionen um knappen Nachwuchs bei hochqualifizierten Arbeitskräften eine günstige Wettbewerbsposition erreichen.
Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Durch gute Möglichkeiten zur Eigentumsbildung wird zudem eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten günstiger als in den anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt werden Büroarbeitsplätze preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die Löhne/Einkommen spürbar niedriger sind als in München oder Frankfurt, ergibt sich hier ein erheblicher Standortvorteil, der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird. Berlin kann seine Wettbewerbsposition an den Märkten für hochwertige, überregional vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon jetzt verbessern. Natürlich werden auch weiterhin qualitativ hochwertige freifinanzierte Mietwohnungen im Neubau benötigt. Traditionelle Förderprogramme sind hierfür nicht mehr erforderlich. Auch hier geht es vor allem darum, planerisch die Voraussetzungen für einen preisgünstigen und nachfragegerechten Neubau zu schaffen.
Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie ist eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung im Bestand. Angesichts des entspannten Wohnungsmarktes und in Anbetracht der relativ hohen Anzahl der Leerstände bestehen die Chance und die Notwendigkeit, Wohnungen an Mieter zu veräußern, die sonst nicht die Möglichkeit hätten, Wohneigentum zu bilden. Bei den städtischen Gesellschaften ist ein Kompromiß zwischen dem Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten der Wohnungsunternehmen und des öffentlichen Haushaltes und der Zahlungsfähigkeit der Mieter zu erreichen. Orientiert man sich an den Privatisierungserfolgen anderer Wohnungseigentümer mit umfangreichen Beständen in Deutschland, könnten in Berlin etwa 6.000 bis 7.000 Wohnungen pro Jahr aus dem Bestand verkauft und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und 35.000 Euro an stillen Reserven aufgelöst werden. Es wird unterstellt, daß die Mieter eine Mehrbelastung von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen können. Parallel zur Privatisierungsstrategie der kommunalen Gesellschaften müssen die Rahmenbedingungen zur Sanierung und Veräußerung privater Mietwohnungen weiter verbessert werden.“
In Berlin liege die Eigentumsquote aber nur bei etwa 11 %. Eine veränderte Wohnungspolitik könne jedoch dazu führen, daß Berlin bis zum Jahr 2015 seine Wohneigentumsquote fast verdoppelt und damit auf das Niveau anderer Städte hebt, so auch eine der Kernaussagen der empirica-Studie. Die Stadt habe Deutschlands größte und zudem ausgesprochen attraktive Flächenreserven für den Wohnungsbau. Für eine verstärkte Eigentumsbildung sei es jedoch notwendig, die Voraussetzungen für eine preisgünstige Erschließung dieser Flächen zu schaffen. Dabei werde die Baulandpolitik zu einem der wichtigsten Instrumente der Wohnungspolitik.
Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie sei eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung im Bestand. Berlin könne aufgrund von preisgünstigen Angeboten an Flächen und einem großen Angebot an günstigen Mietwohnungen zur Metropole mit den Preisen einer Mittelstadt werden.
Blieben die derzeit geltenden Rahmenbedingungen und Abwanderungstrends unverändert, so die Studie, so dürften bei etwa gleichbleibender Neigung der Haushalte zur Eigentumsbildung zukünftig jährlich nur noch etwa 2.500 Berliner Haushalte Eigentum bilden. Diese Zahl könne durch eine bewußt eigentumsfreundliche Politik in Berlin allerdings deutlich gesteigert werden. Hierzu zähle neben günstigen Bedingungen im Neubau auch eine veränderte Politik der Wohnungsprivatisierung.
Wolle man in Berlin bis 2015 eine Eigentumsquote von ca. 20 % erreichen (das entspräche dem Niveau anderer Städte), dann bedeute dies eine Zahl von gut 150.000 neuen Eigentümerhaushalten. Davon könnten, unterstelle man ein „Halten“ der Abwanderer in Berlin, 75.000 Haushalte Eigentum durch Neubau bilden. Für den Erwerb aus dem Bestand ergäbe sich dann eine Größenordnung von ebenfalls rund 75.000 Haushalten bis zum Jahr 2015.
Umfragen hätten ergeben, daß ein Großteil der aktuell etwa 6.000 bis 7.000 Berliner Haushalte, die pro Jahr Eigentum im Umland erwerben, lediglich einem Preisgefälle folge und bei entsprechend attraktiven Angeboten auch in Berlin bleiben würde. Hieraus ergebe sich ein jährliches Potential von rund 5.000 Eigentümerhaushalten, die in Berlin gehalten werden könnten. Hinzu kämen etwa 6.000 bis 7.000 neue Eigentümer durch Privatisierungen im Bestand, so daß man bis 2015 die Eigentumsquote verdoppeln könnte.
„Die Wohneigentumsbildung und damit das mietfreie Wohnen im Alter“, so Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier, „wird als wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge weiter an Bedeutung gewinnen. Um so wichtiger ist es, die Vermögensbildung im Neubau und aus dem Bestand anzuregen, denn Städte mit niedrigen Eigentümerquoten werden zukünftig verstärkt soziale Probleme bekommen.“
Auch ließe sich die angespannte Haushaltssituation der Stadt Berlin durch das Halten von Einwohnern verbessern. Berechnungen zeigen, daß eine Kommune mit jeder abgewanderten Person rund 3.000 Euro jährlich verliert. Führe man sich vor Augen, daß im Jahr 2000 nahezu 33.000 Menschen aus Berlin in das Umland gezogen seien, so bedeute dies einen Verlust von fast 100 Millionen Euro allein für das Jahr 2000.
Der Erwerb von Gebrauchtimmobilien, vor allem in den Städten, gewinne für die Eigentumsbildung an Bedeutung, so Manfred Breuer. Hier setze ein Vorschlag der LBS Nord an. Der Bestandserwerb sollte stärker als bisher gefördert werden. Diese höhere Förderung müßte aber von Investitionen für Modernisierungen abhängig gemacht werden. Deshalb sollte eine Investitionskomponente eingeführt werden, die je nach Höhe des eingesetzten Kapitals bei Bestandsimmobilien gezahlt werde. Berlin könnte hierfür ein idealer Testmarkt sein, erst recht wenn man die Stadt als Einheit betrachte und daher das Bund-/Länderprogramm „Stadtumbau Ost“ auch auf den Westteil Berlins ausdehne.
Parallel zu einer Investitionszulage müsse aber auch die Stadt ihren Beitrag leisten, so Ulrich Pfeiffer. Genannt seien hier die Stichworte „Preiswertes Bauland ausweisen“ und „Familienförderung“. Wenn diese Komponenten die neu gestaltete Investitionsförderung im Bestand begleiten, könne den Problemen der Stadtflucht wirksam entgegengesteuert werden.
Obwohl in den meisten Großstädten ausreichend freie Flächen für den individuellen Wohnungsbau vorhanden seien, würden zu wenige Grundstücke zu bezahlbaren Preisen ausgewiesen. Hier gelte es, den Hebel anzusetzen, denn das Zurückhalten von Bauland koste die Kommunen auf lange Sicht mehr, als es ihnen an kurzfristigen Planungsgewinnen einbringe. Und freie Flächen gäbe es in Berlin und dem Umland nun wahrlich genug.
Eines sollte man stets im Auge behalten, meint Breuer: Der größte Teil der Abwanderer verlasse die Stadt nur „mit Widerwillen“. Er gehe also nicht mit einem Gefühl der Erleichterung, sondern fühle sich als „Vertriebener“.
Wesentliche Thesen im Überblick
Die Kernaussagen der Studie „Wohnungsmarkt Berlin - Hoffnungsloser Fall oder Markt voller Chancen“ seien im folgenden zitiert:
„Der Berliner Wohnungsmarkt hat seit der Wende gleich mehrere Extreme erlebt. Auf eine Phase akuten Mangels mit sprunghaften Mietsteigerungen Anfang der 90er Jahre reagierte die Wohnungspolitik mit einem genauso sprunghaften Anstieg der Förderprogramme und in dieser Höhe bis dahin nicht gekannten steuerlichen Subventionen. Diese Phase war auch geprägt durch die Erwartung eines hohen Bevölkerungswachstums (300.000 Einwohner für die Kernstadt bis 2015). Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in Berlin zurückgegangen (bis 2000 um 52.000). Gleichzeitig hat sich die Zahl der Einwohner im Umland um knapp 160.000 erhöht - überwiegend durch Zuwanderung aus der Kernstadt (vgl. Abb. 1 Seite 424). Der ab 1994 einsetzende Bauboom (bis heute wurden etwa 250.000 Wohnungen fertiggestellt, davon fast 140.000 in Berlin) lief damit weitgehend ins Leere, vor allem in Berlin. Aufgrund der quantitativ faktisch unveränderten Nachfrage entstanden durch den Umzug in Neubauwohnungen und Eigenheime an anderen Stellen Leerstände. Seit etwa 1996 stiegen die Leerstände bis auf das heutige Rekordniveau von rd. 140.000 Wohnungen an. Aus Mangel wurde Überschuß - und das in einem Ausmaß, das wohl von niemandem für möglich gehalten wurde. Die Produktion erreichte im Spitzenjahr 1997 in der Region (Kernstadt und Umland) eine Größenordnung von über 55.000 Wohnungen und sinkt seitdem kontinuierlich. Auch im Jahre 2000 wurden jedoch mit noch etwa 20.000 Wohnungen (in der Region) deutlich mehr neue Angebote geschaffen als in den Wendejahren, wobei mittlerweile deutlich über 50 % der Produktion auf das Umland entfällt (vgl. Abbildung 2).
Parallel zu diesem quantitativen Auf und Ab haben sich nachhaltige strukturelle Verschiebungen ergeben. In der Region Berlin entstand ein neuer, besonders leistungsfähiger Markt für Wohneigentum. Im Umland von Berlin wurden im Spitzenjahr 1998 fast 10.000 neue Eigenheime errichtet. Aber auch in Berlin wurden in den letzten Jahren jeweils etwa 3.000 Eigenheime gebaut, im weit überwiegenden Teil im Ostteil der Stadt. Die Mieter der Mieterstadt Berlin haben die Wohneigentumsbildung entdeckt (vgl. Abbildung 3 Seite 426).
Die Anbieter haben auf diese Nachfrage mit erstaunlich günstigen Angeboten reagiert. In der größten Stadtregion Deutschlands sind heute Preise für Eigenheime möglich, die in Westdeutschland nur in Kleinstädten üblich sind. Das 150.000-Euro-Haus, noch vor zehn Jahren als Utopie belächelt, ist massenhaft Wirklichkeit geworden und ein erstaunlicher Erfolg des Marktes. Dieser neue Markt für Wohneigentum etablierte sich vor allem im Umland. Im Durchschnitt sind in den letzten zehn Jahren jährlich 24.000 Berliner in das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen mit einem Wegzug von rd. 40.000 Berlinern in das Umland ihren Höhepunkt.
Zukünftig wird es in Berlin kaum mehr einen relevanten Zuwachs in der Zahl der Haushalte geben. Wahrscheinlicher ist zunächst ein leichter Rückgang, gefolgt von einer Periode der Stagnation. Auf lange Sicht (nach 2025) geht die Zahl der Haushalte stetig zurück. Nur wenn es zu einer drastischen Zuwanderung aus dem Ausland kommt - etwa im Zuge der Osterweiterung der EU - kann dieser Trend für längere Zeit unterbrochen werden (vgl. Abbildung 4).
Die Zahl der Haushalte wird selbst unter optimistischen Rahmenbedingungen (relativ hohe Zuwanderung aus dem Ausland) bis 2030 um rd. 50.000 sinken (unter Status-quo-Bedingungen sogar minus 155.000). Nur wenn es gelingt, durch nachfragegerechte Angebote die Abwanderer in Berlin zu halten, ist eine Reduzierung der Haushaltsverluste (nur minus 75.000 unter Status-quo-Bedingungen) bzw. eine Zunahme der Zahl der Haushalte (optimistische Rahmenbedingungen) bis zum Jahre 2030 um 30.000 möglich (vgl. Abbildung 5).
In der Region Berlin hat damit ein neues Zeitalter der Wohnungsmarktentwicklung begonnen. Auch künftig dürften die Fertigstellungen von Eigenheimen und selbstgenutzten Eigentumswohnungen die Marktentwicklung dominieren. Nach dem Ende quantitativer Defizite wird künftig der strukturelle Bedarf Motor und Ursache für den Neubau sein. Haushalte, die im Bestand nicht die Wohnformen finden, die sie sich wünschen und finanzieren können, werden auch dann Neubauten beziehen, wenn Leerstände weiterbestehen oder sogar weiterwachsen.
Daneben geht es darum, die Struktur des Angebotes an die künftige Struktur der Nachfrage anzupassen - auch durch Umbau vorhandener Bestände. Und es geht darum, die negativen Folgen der Abwanderungstendenzen, die sich bei Märkten mit Wohnungsüberschüssen verfestigen können, möglichst weitgehend zu überwinden.
Die Wohnungspolitik, deren Aufgabe es bisher immer war, Mangel zu überwinden, wird sich neuen Herausforderungen stellen müssen. In Zukunft gilt es, Vermögensbildung im Neubau und aus dem Bestand anzuregen, da die Wohneigentumsbildung als wesentlicher Bestandteil der Alterssicherung weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.
Berlin hat die Chance, die Wohneigentumsquote zu heben und damit sukzessive den Wohneigentumsquoten der anderen Städte anzupassen. Wohneigentum war in der Vergangenheit insbesondere im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw. zu den herunterregulierten Altbaumieten, zu teuer.
Im Neubau wird es in Berlin darauf ankommen, möglichst günstige Voraussetzungen für die Eigentumsbildung zu schaffen, um möglichst vielen Schwellenhaushalten den Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in Berlin zu ermöglichen. Dabei wird die Baulandpolitik zum wichtigsten Instrument der Wohnungspolitik. Berlin verfügt, anders als die westdeutschen Großstädte, noch über riesige innere Flächenreserven, die für diese Aufgaben mobilisiert werden können. Wenn es gelingt, attraktive und preiswerte Bauprojekte zu entwickeln, wird auch die Abwanderung in das Umland geringer sein als in anderen Großstädten. Viele Abwanderer in das Umland folgen noch immer lediglich einem Preisgefälle. Sie würden bei entsprechenden Angeboten auch in Berlin bleiben.
Berlin als Stadt des preiswerten Wohneigentums und der preiswerten Wohnung insgesamt würde damit gleichzeitig in der künftig verschärften Konkurrenz der Stadtregionen um knappen Nachwuchs bei hochqualifizierten Arbeitskräften eine günstige Wettbewerbsposition erreichen.
Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Durch gute Möglichkeiten zur Eigentumsbildung wird zudem eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten günstiger als in den anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt werden Büroarbeitsplätze preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die Löhne/Einkommen spürbar niedriger sind als in München oder Frankfurt, ergibt sich hier ein erheblicher Standortvorteil, der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird. Berlin kann seine Wettbewerbsposition an den Märkten für hochwertige, überregional vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon jetzt verbessern. Natürlich werden auch weiterhin qualitativ hochwertige freifinanzierte Mietwohnungen im Neubau benötigt. Traditionelle Förderprogramme sind hierfür nicht mehr erforderlich. Auch hier geht es vor allem darum, planerisch die Voraussetzungen für einen preisgünstigen und nachfragegerechten Neubau zu schaffen.
Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie ist eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung im Bestand. Angesichts des entspannten Wohnungsmarktes und in Anbetracht der relativ hohen Anzahl der Leerstände bestehen die Chance und die Notwendigkeit, Wohnungen an Mieter zu veräußern, die sonst nicht die Möglichkeit hätten, Wohneigentum zu bilden. Bei den städtischen Gesellschaften ist ein Kompromiß zwischen dem Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten der Wohnungsunternehmen und des öffentlichen Haushaltes und der Zahlungsfähigkeit der Mieter zu erreichen. Orientiert man sich an den Privatisierungserfolgen anderer Wohnungseigentümer mit umfangreichen Beständen in Deutschland, könnten in Berlin etwa 6.000 bis 7.000 Wohnungen pro Jahr aus dem Bestand verkauft und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und 35.000 Euro an stillen Reserven aufgelöst werden. Es wird unterstellt, daß die Mieter eine Mehrbelastung von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen können. Parallel zur Privatisierungsstrategie der kommunalen Gesellschaften müssen die Rahmenbedingungen zur Sanierung und Veräußerung privater Mietwohnungen weiter verbessert werden.“