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Minister unter Naturschutz
19.03.2002 (GE 6/02, Seite 352) Wir sind so stolz auf unsere - vom Bundesverfassungsgericht ja auch sehr umfassend verstandene - Meinungsfreiheit, daß § 90 b des Strafgesetzbuchs weithin unbekannt ist. Er stellt die Verunglimpfung von Verfassungsorganen unter Strafe.
Bisher hatte man darunter allerdings die Organe - Regierung, Parlament, Bundespräsident oder Bundesverfassungsgericht - verstanden. Neuerdings scheint bereits der einzelne Minister unter Naturschutz zu stehen. Das mußte jüngst ein Ministerialrat mit dem schönen Namen Wolfgang Hetzer erfahren (nomen est omen …), der seines Postens im Bundeskanzleramt enthoben wurde, weil er das Befinden seiner Majestät, Innenminister Otto Schily, durch vorlaute Äußerungen in einer Fachzeitschrift empfindlich gestört hatte. Im Rahmen eines Beitrages zum zweiten Anti-Terror-Paket der Bundesregierung hatte Hetzer (sic!) sich auch zur „juristischen Brillanz“ Schilys geäußert und dabei eine Biographie des Ministers zitiert, wonach der ein „Bummelstudent“ gewesen und durch die erste juristische Staatsprüfung gerasselt sein soll und den zweiten Anlauf nur mit Mühe gemeistert habe. Tja, für Majestätsbeleidigung hat es zu allen Zeiten zweierlei gegeben: Beifall von den Mitunterdrückten und anschließend Festungshaft.