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Dienstleistungswüste Deutschland?
14.03.2002 (GE 5/02, Seite 277) In der Nähe des Verlages gibt es eine Tankstelle. Als ich kürzlich dort auftankte, fragte ich den Betreiber, der auf dem Gelände auch eine Auto-Waschanlage unterhält, ob es möglich sei, daß das Tankstellenpersonal meinen Wagen regelmäßig vom Verlagsgelände abholt, innen und außen gründlich wäscht und wieder zum Verlag zurückbringt.
Die Miene des Mannes bewog mich, der Frage den Hinweis nachzuschieben, der Verlag sei nur „gut“ 100 Meter entfernt. Er wollte es genauer wissen, und ich zeigte mit dem Finger auf das Verlagsgebäude. Darauf sagte er knapp: „Das sind ja mehr als 100 Meter“, drehte sich um und ging wieder anderweitiger Tätigkeit nach. Seitdem tanke ich woanders.

Dieser Tage rief eine ehemalige Mitarbeiterin des Verlages an, die seit einigen Wochen in Texas (USA) lebt. Sie berichtete von ihren Erfahrungen, und unter anderem widerfuhr ihr das: Sie stand in einem Walmart-Supermarkt in langer Schlange, nur eine Kasse war geöffnet. Plötzlich löste sich aus der Schlange ein Kunde, stellte sich an eine geschlossene Kasse und erklärte mit lauter, aber freundlicher Stimme: Er sei ein Kunde und möchte gerne sein Geld loswerden. Sofort sei wie aus dem Nichts eine weitere Kassiererin gekommen und habe ihm freundlich erklärt, selbstverständlich würde sein Wunsch sofort erfüllt.

Was würde einem wohl hierzulande passieren? Böse Blicke des Personals wären das mindeste, eine schnippische Bemerkung - man habe schließlich auch anderes zu tun oder ob man nicht wie die anderen warten könne - wäre die Regel, als Kunde ist man in solchen Situationen froh, ohne Prügel davongekommen zu sein.
Dienen und Bedienen sind wahrlich keine Trendsportarten in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum, die vor einigen Tagen vorgestellt wurde und 30 großen Berliner Wohnungsunternehmen alles andere als ein gutes Zeugnis für vorbildliche Kundenbetreuung ausstellte.
Nun muß man die Studie nicht überbewerten - Kienbaum hatte auf eigene Initiative bei den Unternehmen schriftlich und mündlich nach Wohnungsangeboten gefragt, man wird die Studie deshalb auch als verstecktes Angebot an die Betroffenen werten dürfen, gegen entsprechendes Entgelt für professionelle Abhilfe zu sorgen -, aber ein wenig ernst nehmen sollte man sie doch.

Die Hälfte aller schriftlichen Anfragen sei unbeantwortet geblieben, sagen die Kienbaum-Leute. Telefonisch seien die Wohnungsbaugesellschaften zwar in 87 % aller Fälle erreichbar gewesen, der zuständige Ansprechpartner aber nur in 73 % der Fälle.
Auch der Telefondienst selbst sei mangelbehaftet gewesen. In 48 % der Fälle sei das Kundenanliegen gar nicht aufgenommen, der Anrufer „förmlich abgewürgt“ worden.
Selbst dort, wo schriftlich Anfragende eine Antwort erhielten, habe die Qualität der Antwortschreiben zu wünschen übrig gelassen. Die Kritik: Standardisiert statt individualisiert, voll von Rechtschreibe- und/oder Grammatikfehlern. Im übrigen: Die Bedeutung des Internets sei zwar erkannt, aber das Medium meist zu wenig oder nicht richtig genutzt.

Als Konsequenz aus der Studie empfiehlt Kienbaum den Unternehmen, ihre Mitarbeiter besser zu schulen. Von wem, ist klar.
Daß die Studie beim Mieterverein auf Wohlgefallen stieß als „Abbild der Realität“ (Hartmann Vetter), überrascht nicht. Daß ihre Ergebnisse vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) als in der Pauschalität unzutreffend relativiert werden, auch nicht.
Spätestens jetzt, angesichts von mindestens 130.000 leerstehenden Wohnungen allein in Berlin, sollte es sich aber bis zum letzten Vermieter herumgesprochen haben, daß Mieter heute begehrter sind als Wohnungen, auch wenn das scheinbar 50 Jahre lang umgekehrt war. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden, und Studien wie die von Kienbaum helfen dabei. Auch wenn jeder von uns von Wirtschaftsberatern getrimmte Großunternehmen kennt, in deren Call-Center der anrufende Kunde schwindelig im Kreis gedreht und letztlich zur Aufgabe genötigt wird.
Autor: Dieter Blümmel