Archiv / Suche
Berliner Mietspiegel 2000: Makulatur? Berliner Mietspiegel 2003: Überflüssig?
Unerwartete Nebenfolgen der Mietrechtsreform
21.02.2002 (GE 4/02, Seite 243) Der nächste Berliner Mietspiegel könnte Überraschungen bringen. Schuld ist eine kleine, von den Gesetzesmachern als solche nicht erkannte Änderung durch die Mietrechtsreform im letzten Jahr:
BISHER regte § 2 Abs. 5 MHG an, daß „bei der Aufstellung von Mietspiegeln Entgelte, die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen an Höchstbeträge gebunden sind, außer Betracht bleiben sollen.“
JETZT schreibt § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB schon bei der Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete zwingend vor, von der Ermittlung der ortsüblichen Miete Wohnraum auszunehmen, „bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.“
Einleitung
1 Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete als Grundlage eines Mieterhöhungsverlangens ist Wohnraum nicht zu berücksichtigen, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Ausgenommen ist also preisgebundener Wohnraum nach dem 1. und 2. Förderweg; darüber hinaus aber auch Wohnungen des 3. Förderweges nach §§ 88 d, 88 e II. WoBauG, der in Berlin als 2. Förderweg bezeichnet wird (vgl. Brand GE 1996, 140). Diese Wohnungen sind zwar nicht preisgebunden (§ 88 d Abs. 3 II. WoBauG), die vertragliche Bindung an eine bestimmte Miethöhe rechtfertigt es jedoch, sie bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht mitzuzählen. So ist auch schon bei den Berliner Mietspiegeln 1998 für die westlichen Bezirke und dem Berliner Mietspiegel 2000 vorgegangen worden. Im GEWOS-Endbericht zum Mietspiegel 1998 heißt es (Seite 15), daß bei der Befragung zunächst nicht mietspiegelrelevante Wohnungen „abgefiltert“ werden sollten, im Endbericht zum Mietspiegel 2000 (Seite 18), daß Wohnungen des 2. Berliner Förderweges, insbesondere mit vertraglich vereinbarter Förderung, und Wohnungen der integrierten (einkommensorientierten) Förderung nicht mietspiegelrelevant seien. Von eben diesen Wohnungen ist (nur) in der Begründung der Reformgesetzgeber die Rede (Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 134).
Förderzusagen in Berlin
2 Unberücksichtigt (weil übersehen) bleibt der Umstand, daß in den letzten Jahrzehnten in Berlin eine Vielzahl von Förderprogrammen außerhalb des Berliner 2. Förderweges nach §§ 88 d, 88 e II. WoBauG durchgeführt wurden, die alle eine Begrenzung der Miethöhe im Zusammenhang mit einer Förderzusage vorsahen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien erwähnt: die VerwVModPr 1974, die ModInstRL 1974, 1977, 1982, 1985, 1990, 1995, 1999, die ModInstRL 1994, das Landesmodernisierungsprogramm (LAMOD), das Zukunftsinvestitionsprogramm und der städtebauliche Denkmalschutz. Allein das Programm „Industrielle Bauweisen“ betrifft knapp 60.000 Wohnungen, das Programm „stadtweite Maßnahmen“ über 100.000 Wohnungen.
3 Betroffen sind ca. 200.000 Wohnungen in ganz Berlin; dazu kommen noch die gebundenen Mieten, die im Sanierungsgebiet durch Sanierungssatzung festgelegt werden (Blank/Börstinghaus, Neues Mietrecht 2001 Nr. 7 zu § 558; Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar neues Mietrecht Seite 272).
4 Alle diese Wohnungen wurden bisher bei der Mietspiegelerhebung mitgezählt. Es fragt sich, was übrig bleibt, wenn man sie aussondert. In Berlin gab es 1996 weit über 1,7 Millionen Wohnungen (Berliner Mieter-Fibel, herausgegeben vom SenBauWohn 1996, Seite 6), wovon rund die Hälfte Altbauwohnungen in Ost und West waren, also ca. 850.000. In Berlin-West gab es 1985 580.000 Altbauwohnungen (Berliner Mieter-Fibel 1985 Seite 3); die 350.000 Sozialwohnungen liegen meist im Westteil der Stadt (Mieter-Fibel 1996 Seite 7). Dazu kommen ca. 500.000 Plattenbauten und Wohnungen von Wohnungsbaugesellschaften oder Wohnungsbaugenossenschaften im Ostteil der Stadt.
5 Die Förderprogramme betreffen Altbauwohnungen und Plattenbauten; ein wesentlicher Prozentsatz der im Berliner Mietspiegel enthaltenen Daten wäre dort dann zu Unrecht berücksichtigt.
Folgen für den Mietspiegel 2000
6 Daraus die Konsequenz zu ziehen, auch den Mietspiegel 2000 zumindest als Beweismittel nicht mehr heranzuziehen, wäre jedoch voreilig. Zunächst einmal ändert auch die Mietrechtsreform nichts an dem Umstand, daß alle diese Wohnungen nicht preisgebunden sind, so daß im Mieterhöhungsverfahren, sofern es denn nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der IBB möglich ist, der Mietspiegel als Begründungs- und Beweismittel herangezogen werden darf. Die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete in § 558 Abs. 2 BGB gibt eine Anweisung an Mietspiegelaufsteller und Sachverständige, welche Wohnungen in Zukunft berücksichtigt werden dürfen. Eine rückwirkende Aufhebung oder Entwertung des Berliner Mietspiegels, der nur mangels formeller Erklärung kein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558, § 558 d BGB wurde, ist mit der Mietrechtsreform nicht beabsichtigt.
7 Auch wenn der Mietspiegel kein Gesetz ist, wäre insoweit eine ausdrücklich gesetzliche Regelung erforderlich gewesen. Daß die Berliner Mietgerichte in sonst ungewohnter Einigkeit den Mietspiegel als Beweismittel heranziehen, kann auch den Reformgesetzgebern nicht entgangen sein. Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, ein Gut von Verfassungsrang, spricht für die Fortgeltung des Mietspiegels 2000, zumal der Mietspiegel 2003 den Erhebungsstichtag 1. März 2002 vorsieht, es sich also um einen Zeitraum von nur sechs Monaten seit Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes handelt.
8 Das Problem der niedrigeren Subventionsmieten hat schon bei der Aufstellung des ersten Mietspiegels 1987 eine Rolle gespielt. Müller (Miete und Mieterhöhung in Wohnungen mit öffentlicher Modernisierungsförderung 1988, Seite 23 f.) weist zu Recht darauf hin, daß diese Subventionsmieten - wenn überhaupt - den Mittelwert beeinflussen, der nicht bei allen Mietspiegeln rechnerisch ermittelt, sondern z. T. ausgehandelt ist („Berliner Mittelwert“, eine Mischung aus arithmetischem Mittel und Median). Ein ausgehandelter Wert wird aber, anders als ein rechnerisch ermittelter, nicht automatisch durch Änderung seiner Daten hinfällig.
Zwischenergebnis: Auch nach der Mietrechtsreform ist der Berliner Mietspiegel 2000 weiterhin anzuwenden.
Der Mietspiegel 2003
9 Bisher wurde unterstellt, daß nach der Neuregelung alle auf irgendeine Art geförderten Wohnungen mit vertraglichen Regelungen zur Miethöhe nicht mehr bei der Aufstellung eines Mietspiegels berücksichtigt werden dürfen. Das ist allerdings keineswegs eindeutig. Nach § 2 MHG waren nur die Mieten von preisgebundenen Wohnungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung hat lange Zeit darunter ausschließlich die formelle Preisbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz verstanden und daraus nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Verpflichtung hergeleitet, alle anderen Mieten zu berücksichtigen (LG Hamburg WuM 1995, 543; WuM 1996, 45). Erst nach und nach begann sich die Auffassung durchzusetzen, daß der Begriff der Preisbindung unscharf ist, da letztlich jede Wohnung (über § 5 WiStG) materiell preisgebunden ist (vgl. Beuermann MüG 2. Aufl. Rn. 4 vor §§ 11-17 MHG). Hatte noch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Mietrechtsvereinfachung“ in ihrem Bericht (Seite 190) einen § 560 Abs. 2 BGB vorgeschlagen, der nur (formell) preisgebundenen Wohnraum ausnahm, wird im Referentenentwurf vom 27. März 1997 der Ausschluß auf Wohnungen erweitert, deren Miethöhe durch Fördervereinbarungen festgelegt worden ist (§ 561 BGB E). Gemeint waren die nichtpreisgebundenen Wohnungen des 3. Förderweges (in Berlin: 2. Förderweg). In der Literatur begann sich die Auffassung von Voelskow (MüKo 3. Aufl. 1995 Rn. 20 zu § 2 MHG) durchzusetzen, daß auch quasi preisgebundene Wohnungen nicht als Vergleichswohnungen zu berücksichtigen sind. Für Wohnungen des 3. Förderweges wurde schon vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes die Auffassung vertreten, daß diese bei der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht herangezogen werden dürften (Börstinghaus/Clar Mietspiegel Rn. 214, Schmidt-Futterer/Börstinghaus Rn. 105 zu § 2 MHG). Ob das auch für Wohnungen in Gebieten mit Sanierungssatzung gilt, war umstritten (vgl. Börstinghaus/Clar Rn. 234). Immer war allerdings nur die Rede vom 3. Förderweg des § 88 d II. WoBauG, der ausgeschlossen sein sollte.
10 Wenn man dann in der Regierungsbegründung zu § 558 liest (Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 134), die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete sei in der Sache unverändert aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG übernommen worden, kann daraus hergeleitet werden, daß zwar die Wohnungen des 3. Förderweges ausgenommen werden sollten entsprechend der Meinung von Börstinghaus und der Praxis des Berliner Mietspiegels, nicht jedoch alle anderen zahlreichen Förderwohnungen in Berlin. Börstinghaus (Neues Mietrecht Rn. 7 zu § 558 BGB) spricht denn auch nur davon, daß damit der alte Streit beigelegt sei hinsichtlich der Wohnungen des 3. Förderweges.
11 Die Versuchung, den neuen § 558 BGB einschränkend auszulegen, drängt sich um so mehr auf, wenn man die Ergebnisse bedenkt. Wenn tatsächlich alle Subventionsmieten der zahlreichen Förderprogramme in Berlin nicht zu berücksichtigen sind, führt das höhere Niveau der Restmieten zu einem Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete. Daß eine rot-grüne Regierung dies gewollt haben könnte, ist schwer vorstellbar.
12 Dieser Versuchung zur einschränkenden Auslegung muß aus grundsätzlichen Erwägungen widerstanden werden. Maßgeblich ist nun einmal der Text des Gesetzes. Was die Gesetzgeber sich dabei gedacht (oder nicht gedacht) haben, mag in Zweifelsfällen für die Auslegung eine Rolle spielen. Bei einer eindeutigen Regelung wie in § 558 BGB verbietet sich jedoch eine solche einschränkende Auslegung, da hier alle öffentlichen Fördertatbestände einzubeziehen sind (so auch Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar neues Mietrecht Seite 272). Der Berliner Mietspiegel 2003 darf daher prinzipiell keine Subventionsmieten aus den zahlreichen Förderprogrammen enthalten.
13 Das erschwert die Datenermittlung erheblich. Vorgesehen sind etwa 20.000 Interviews, zur Hälfte jeweils für Ost und West. Davon wiederum betrifft die Hälfte Altbau, die andere Hälfte Neubau. Schließlich sollen die Ermittlungen paritätisch bei Mietern und Vermietern durchgeführt werden, so daß für Altbau etwa 2.500 Mieterbefragungen vorgenommen werden. Die Mieter müßten dann Auskunft geben, ob ihre Wohnung unter ein Förderprogramm fällt, ob das Ende der Maßnahme länger als ein Jahr zurückliegt und ob sie unter die Einkommensgrenzen des alten § 25 II. WoBauG fallen (viele Mietbegrenzungen sind an die Einkommensverhältnisse des Mieters gebunden). Wenn auch die Frage, ob die Wohnung im Sanierungsgebiet liegt, einfach zu beantworten ist, kann die Zuordnung einer bestimmten Wohnung zu einem bestimmten Förderprogramm nicht zentral ermittelt werden, so daß bei der Erhebung des Datenmaterials die Mietspiegelersteller auf die Angaben der Beteiligten angewiesen sind. Nun wird bereits ein Vermieter nicht unbedingt Angaben dazu machen können, ob die Wohnung vor Jahren Zuschüsse in einem Förderprogramm erhalten hatte, etwa wenn inzwischen das Haus verkauft oder zwangsversteigert worden war. Um so weniger werden Mieter zu diesen Angaben in der Lage sein.
14 Diesen Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Subventionsmieten könnte dadurch begegnet werden, daß entweder ein (zwischen den Mietspiegelerstellern zu verhandelnder) Zuschlag zu den Mietspiegelwerten vereinbart wird oder die Vermieterdaten wegen höherer Zuverlässigkeit auch im Mietspiegel stärker gewichtet werden. Ein solches Verfahren wurde schon 1987 gewählt, um die - wenigen - Mieterwerte stärker zu gewichten (vgl. Müller, Miete und Mieterhöhung in Wohnungen mit öffentlicher Modernisierungsförderung 1988, Seite 23). Beide Verfahren dürften nicht konsensfähig sein.
15 Eine Überprüfung der Daten nach einem Clean-Programm beim Mietspiegel 2000 (GEWOS-Endbericht Seite 23) dürfte ebenfalls nicht weiterführen, da Subventionsmieten auf diese Art nicht ermittelt werden können. Erfolgversprechend ist nur die für den Mietspiegel 2002 vorgesehene stichprobenweise Gegenkontrolle, wonach Angaben der Mieter zu ihrer Wohnung durch Angaben des Vermieters überprüft werden. Ob solche Stichproben allerdings Rückschlüsse ermöglichen auf die anderen nicht überprüften Datenangaben, kann bezweifelt werden.
16 Gleichwohl ist eine solche Datenerhebung und die darauf basierende Mietspiegelerstellung (im Konsens) noch immer allen Begründungs- und Beweismitteln überlegen, solange eine Mietdatenbank (§ 558 e BGB) noch nicht existiert, die wie ein Mietspiegel eine im einzelnen differenzierte (also unterschieden nach Baujahr, Größe, Ausstattung usw.) Vergleichsmiete geben kann. Ob allerdings ein solcher Mietspiegel mit den unvermeidlichen Schwachpunkten bei der Ermittlung der Subventionsmieten ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB sein kann, ist wiederum eine Frage der Vereinbarung (zwischen den Interessenverbänden) oder der Politik (Anerkennung durch den Senat), die hier nicht entschieden werden kann. Wie der Mietspiegel 2000 zeigt, könnten alle Beteiligten auch damit leben, wenn der Mietspiegel 2003 kein qualifizierter Mietspiegel sein würde.
Zusammenfassung: Der Berliner Mietspiegel 2000 ist auch nach der Mietrechtsreform weiterhin voll anzuwenden. Ob der Berliner Mietspiegel 2003 ein qualifizierter Mietspiegel sein wird, bleibt abzuwarten. Überflüssig ist er jedenfalls nicht, sondern für die Praxis unverzichtbar.
1 Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete als Grundlage eines Mieterhöhungsverlangens ist Wohnraum nicht zu berücksichtigen, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Ausgenommen ist also preisgebundener Wohnraum nach dem 1. und 2. Förderweg; darüber hinaus aber auch Wohnungen des 3. Förderweges nach §§ 88 d, 88 e II. WoBauG, der in Berlin als 2. Förderweg bezeichnet wird (vgl. Brand GE 1996, 140). Diese Wohnungen sind zwar nicht preisgebunden (§ 88 d Abs. 3 II. WoBauG), die vertragliche Bindung an eine bestimmte Miethöhe rechtfertigt es jedoch, sie bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht mitzuzählen. So ist auch schon bei den Berliner Mietspiegeln 1998 für die westlichen Bezirke und dem Berliner Mietspiegel 2000 vorgegangen worden. Im GEWOS-Endbericht zum Mietspiegel 1998 heißt es (Seite 15), daß bei der Befragung zunächst nicht mietspiegelrelevante Wohnungen „abgefiltert“ werden sollten, im Endbericht zum Mietspiegel 2000 (Seite 18), daß Wohnungen des 2. Berliner Förderweges, insbesondere mit vertraglich vereinbarter Förderung, und Wohnungen der integrierten (einkommensorientierten) Förderung nicht mietspiegelrelevant seien. Von eben diesen Wohnungen ist (nur) in der Begründung der Reformgesetzgeber die Rede (Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 134).
Förderzusagen in Berlin
2 Unberücksichtigt (weil übersehen) bleibt der Umstand, daß in den letzten Jahrzehnten in Berlin eine Vielzahl von Förderprogrammen außerhalb des Berliner 2. Förderweges nach §§ 88 d, 88 e II. WoBauG durchgeführt wurden, die alle eine Begrenzung der Miethöhe im Zusammenhang mit einer Förderzusage vorsahen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien erwähnt: die VerwVModPr 1974, die ModInstRL 1974, 1977, 1982, 1985, 1990, 1995, 1999, die ModInstRL 1994, das Landesmodernisierungsprogramm (LAMOD), das Zukunftsinvestitionsprogramm und der städtebauliche Denkmalschutz. Allein das Programm „Industrielle Bauweisen“ betrifft knapp 60.000 Wohnungen, das Programm „stadtweite Maßnahmen“ über 100.000 Wohnungen.
3 Betroffen sind ca. 200.000 Wohnungen in ganz Berlin; dazu kommen noch die gebundenen Mieten, die im Sanierungsgebiet durch Sanierungssatzung festgelegt werden (Blank/Börstinghaus, Neues Mietrecht 2001 Nr. 7 zu § 558; Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar neues Mietrecht Seite 272).
4 Alle diese Wohnungen wurden bisher bei der Mietspiegelerhebung mitgezählt. Es fragt sich, was übrig bleibt, wenn man sie aussondert. In Berlin gab es 1996 weit über 1,7 Millionen Wohnungen (Berliner Mieter-Fibel, herausgegeben vom SenBauWohn 1996, Seite 6), wovon rund die Hälfte Altbauwohnungen in Ost und West waren, also ca. 850.000. In Berlin-West gab es 1985 580.000 Altbauwohnungen (Berliner Mieter-Fibel 1985 Seite 3); die 350.000 Sozialwohnungen liegen meist im Westteil der Stadt (Mieter-Fibel 1996 Seite 7). Dazu kommen ca. 500.000 Plattenbauten und Wohnungen von Wohnungsbaugesellschaften oder Wohnungsbaugenossenschaften im Ostteil der Stadt.
5 Die Förderprogramme betreffen Altbauwohnungen und Plattenbauten; ein wesentlicher Prozentsatz der im Berliner Mietspiegel enthaltenen Daten wäre dort dann zu Unrecht berücksichtigt.
Folgen für den Mietspiegel 2000
6 Daraus die Konsequenz zu ziehen, auch den Mietspiegel 2000 zumindest als Beweismittel nicht mehr heranzuziehen, wäre jedoch voreilig. Zunächst einmal ändert auch die Mietrechtsreform nichts an dem Umstand, daß alle diese Wohnungen nicht preisgebunden sind, so daß im Mieterhöhungsverfahren, sofern es denn nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der IBB möglich ist, der Mietspiegel als Begründungs- und Beweismittel herangezogen werden darf. Die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete in § 558 Abs. 2 BGB gibt eine Anweisung an Mietspiegelaufsteller und Sachverständige, welche Wohnungen in Zukunft berücksichtigt werden dürfen. Eine rückwirkende Aufhebung oder Entwertung des Berliner Mietspiegels, der nur mangels formeller Erklärung kein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558, § 558 d BGB wurde, ist mit der Mietrechtsreform nicht beabsichtigt.
7 Auch wenn der Mietspiegel kein Gesetz ist, wäre insoweit eine ausdrücklich gesetzliche Regelung erforderlich gewesen. Daß die Berliner Mietgerichte in sonst ungewohnter Einigkeit den Mietspiegel als Beweismittel heranziehen, kann auch den Reformgesetzgebern nicht entgangen sein. Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, ein Gut von Verfassungsrang, spricht für die Fortgeltung des Mietspiegels 2000, zumal der Mietspiegel 2003 den Erhebungsstichtag 1. März 2002 vorsieht, es sich also um einen Zeitraum von nur sechs Monaten seit Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes handelt.
8 Das Problem der niedrigeren Subventionsmieten hat schon bei der Aufstellung des ersten Mietspiegels 1987 eine Rolle gespielt. Müller (Miete und Mieterhöhung in Wohnungen mit öffentlicher Modernisierungsförderung 1988, Seite 23 f.) weist zu Recht darauf hin, daß diese Subventionsmieten - wenn überhaupt - den Mittelwert beeinflussen, der nicht bei allen Mietspiegeln rechnerisch ermittelt, sondern z. T. ausgehandelt ist („Berliner Mittelwert“, eine Mischung aus arithmetischem Mittel und Median). Ein ausgehandelter Wert wird aber, anders als ein rechnerisch ermittelter, nicht automatisch durch Änderung seiner Daten hinfällig.
Zwischenergebnis: Auch nach der Mietrechtsreform ist der Berliner Mietspiegel 2000 weiterhin anzuwenden.
Der Mietspiegel 2003
9 Bisher wurde unterstellt, daß nach der Neuregelung alle auf irgendeine Art geförderten Wohnungen mit vertraglichen Regelungen zur Miethöhe nicht mehr bei der Aufstellung eines Mietspiegels berücksichtigt werden dürfen. Das ist allerdings keineswegs eindeutig. Nach § 2 MHG waren nur die Mieten von preisgebundenen Wohnungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung hat lange Zeit darunter ausschließlich die formelle Preisbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz verstanden und daraus nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Verpflichtung hergeleitet, alle anderen Mieten zu berücksichtigen (LG Hamburg WuM 1995, 543; WuM 1996, 45). Erst nach und nach begann sich die Auffassung durchzusetzen, daß der Begriff der Preisbindung unscharf ist, da letztlich jede Wohnung (über § 5 WiStG) materiell preisgebunden ist (vgl. Beuermann MüG 2. Aufl. Rn. 4 vor §§ 11-17 MHG). Hatte noch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Mietrechtsvereinfachung“ in ihrem Bericht (Seite 190) einen § 560 Abs. 2 BGB vorgeschlagen, der nur (formell) preisgebundenen Wohnraum ausnahm, wird im Referentenentwurf vom 27. März 1997 der Ausschluß auf Wohnungen erweitert, deren Miethöhe durch Fördervereinbarungen festgelegt worden ist (§ 561 BGB E). Gemeint waren die nichtpreisgebundenen Wohnungen des 3. Förderweges (in Berlin: 2. Förderweg). In der Literatur begann sich die Auffassung von Voelskow (MüKo 3. Aufl. 1995 Rn. 20 zu § 2 MHG) durchzusetzen, daß auch quasi preisgebundene Wohnungen nicht als Vergleichswohnungen zu berücksichtigen sind. Für Wohnungen des 3. Förderweges wurde schon vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes die Auffassung vertreten, daß diese bei der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht herangezogen werden dürften (Börstinghaus/Clar Mietspiegel Rn. 214, Schmidt-Futterer/Börstinghaus Rn. 105 zu § 2 MHG). Ob das auch für Wohnungen in Gebieten mit Sanierungssatzung gilt, war umstritten (vgl. Börstinghaus/Clar Rn. 234). Immer war allerdings nur die Rede vom 3. Förderweg des § 88 d II. WoBauG, der ausgeschlossen sein sollte.
10 Wenn man dann in der Regierungsbegründung zu § 558 liest (Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 134), die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete sei in der Sache unverändert aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG übernommen worden, kann daraus hergeleitet werden, daß zwar die Wohnungen des 3. Förderweges ausgenommen werden sollten entsprechend der Meinung von Börstinghaus und der Praxis des Berliner Mietspiegels, nicht jedoch alle anderen zahlreichen Förderwohnungen in Berlin. Börstinghaus (Neues Mietrecht Rn. 7 zu § 558 BGB) spricht denn auch nur davon, daß damit der alte Streit beigelegt sei hinsichtlich der Wohnungen des 3. Förderweges.
11 Die Versuchung, den neuen § 558 BGB einschränkend auszulegen, drängt sich um so mehr auf, wenn man die Ergebnisse bedenkt. Wenn tatsächlich alle Subventionsmieten der zahlreichen Förderprogramme in Berlin nicht zu berücksichtigen sind, führt das höhere Niveau der Restmieten zu einem Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete. Daß eine rot-grüne Regierung dies gewollt haben könnte, ist schwer vorstellbar.
12 Dieser Versuchung zur einschränkenden Auslegung muß aus grundsätzlichen Erwägungen widerstanden werden. Maßgeblich ist nun einmal der Text des Gesetzes. Was die Gesetzgeber sich dabei gedacht (oder nicht gedacht) haben, mag in Zweifelsfällen für die Auslegung eine Rolle spielen. Bei einer eindeutigen Regelung wie in § 558 BGB verbietet sich jedoch eine solche einschränkende Auslegung, da hier alle öffentlichen Fördertatbestände einzubeziehen sind (so auch Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar neues Mietrecht Seite 272). Der Berliner Mietspiegel 2003 darf daher prinzipiell keine Subventionsmieten aus den zahlreichen Förderprogrammen enthalten.
13 Das erschwert die Datenermittlung erheblich. Vorgesehen sind etwa 20.000 Interviews, zur Hälfte jeweils für Ost und West. Davon wiederum betrifft die Hälfte Altbau, die andere Hälfte Neubau. Schließlich sollen die Ermittlungen paritätisch bei Mietern und Vermietern durchgeführt werden, so daß für Altbau etwa 2.500 Mieterbefragungen vorgenommen werden. Die Mieter müßten dann Auskunft geben, ob ihre Wohnung unter ein Förderprogramm fällt, ob das Ende der Maßnahme länger als ein Jahr zurückliegt und ob sie unter die Einkommensgrenzen des alten § 25 II. WoBauG fallen (viele Mietbegrenzungen sind an die Einkommensverhältnisse des Mieters gebunden). Wenn auch die Frage, ob die Wohnung im Sanierungsgebiet liegt, einfach zu beantworten ist, kann die Zuordnung einer bestimmten Wohnung zu einem bestimmten Förderprogramm nicht zentral ermittelt werden, so daß bei der Erhebung des Datenmaterials die Mietspiegelersteller auf die Angaben der Beteiligten angewiesen sind. Nun wird bereits ein Vermieter nicht unbedingt Angaben dazu machen können, ob die Wohnung vor Jahren Zuschüsse in einem Förderprogramm erhalten hatte, etwa wenn inzwischen das Haus verkauft oder zwangsversteigert worden war. Um so weniger werden Mieter zu diesen Angaben in der Lage sein.
14 Diesen Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Subventionsmieten könnte dadurch begegnet werden, daß entweder ein (zwischen den Mietspiegelerstellern zu verhandelnder) Zuschlag zu den Mietspiegelwerten vereinbart wird oder die Vermieterdaten wegen höherer Zuverlässigkeit auch im Mietspiegel stärker gewichtet werden. Ein solches Verfahren wurde schon 1987 gewählt, um die - wenigen - Mieterwerte stärker zu gewichten (vgl. Müller, Miete und Mieterhöhung in Wohnungen mit öffentlicher Modernisierungsförderung 1988, Seite 23). Beide Verfahren dürften nicht konsensfähig sein.
15 Eine Überprüfung der Daten nach einem Clean-Programm beim Mietspiegel 2000 (GEWOS-Endbericht Seite 23) dürfte ebenfalls nicht weiterführen, da Subventionsmieten auf diese Art nicht ermittelt werden können. Erfolgversprechend ist nur die für den Mietspiegel 2002 vorgesehene stichprobenweise Gegenkontrolle, wonach Angaben der Mieter zu ihrer Wohnung durch Angaben des Vermieters überprüft werden. Ob solche Stichproben allerdings Rückschlüsse ermöglichen auf die anderen nicht überprüften Datenangaben, kann bezweifelt werden.
16 Gleichwohl ist eine solche Datenerhebung und die darauf basierende Mietspiegelerstellung (im Konsens) noch immer allen Begründungs- und Beweismitteln überlegen, solange eine Mietdatenbank (§ 558 e BGB) noch nicht existiert, die wie ein Mietspiegel eine im einzelnen differenzierte (also unterschieden nach Baujahr, Größe, Ausstattung usw.) Vergleichsmiete geben kann. Ob allerdings ein solcher Mietspiegel mit den unvermeidlichen Schwachpunkten bei der Ermittlung der Subventionsmieten ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB sein kann, ist wiederum eine Frage der Vereinbarung (zwischen den Interessenverbänden) oder der Politik (Anerkennung durch den Senat), die hier nicht entschieden werden kann. Wie der Mietspiegel 2000 zeigt, könnten alle Beteiligten auch damit leben, wenn der Mietspiegel 2003 kein qualifizierter Mietspiegel sein würde.
Zusammenfassung: Der Berliner Mietspiegel 2000 ist auch nach der Mietrechtsreform weiterhin voll anzuwenden. Ob der Berliner Mietspiegel 2003 ein qualifizierter Mietspiegel sein wird, bleibt abzuwarten. Überflüssig ist er jedenfalls nicht, sondern für die Praxis unverzichtbar.
Autor: RiAG Rudolf Beuermann