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Warum ist Fußball populärer als Politik?
21.02.2002 (GE 4/02, Seite 209) Welche Sportarten sind die populärsten in Deutschland? Die Antwort ist einfach: Fußball und Schwarzarbeit. In umgekehrter Reihenfolge allerdings.
Dem Deutschen Fußball-Bund gehören exakt 6.263.252 Mitglieder in 26.586 Vereinen an. Das werden mit leichter Blässe Verbandsfunktionäre und mit schwerer Politiker und Parteifunktionäre lesen, hat der DFB doch sogar mehr Vereine als manche Partei Mitglieder. Und die Zahl der DFB-Mitglieder steigt weiter, wenn auch nicht mit den Zuwachsraten der Schwarzarbeit.

Unser Bundeswirtschaftminister erklärte kürzlich: „Die Schattenwirtschaft boomt. Sie wächst nach Experteneinschätzung in diesem Jahr um weitere 10 Milliarden Euro auf 342 Milliarden Euro. Die prozentuale Expansionsrate ist um die Hälfte größer als in der offiziellen Wirtschaft.“ Allein dem Handwerk, dies noch zur Ergänzung, entgehen jährlich rund 50 Milliarden Euro an Umsatz durch die Feierabendbrigaden. Insgesamt werden auf dem Freizeitsektor Schwarzarbeit, wenn die Annahmen des Bundeswirtschaftministerium stimmen, über 20 % des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet. Tendenz steigend, die Bauabzugssteuer läßt grüßen.

Warum sind Schwarzarbeit und Fußball Volkssportarten? Die Antwort liegt auf der Hand: Beide funktionieren nach einfachen Regeln.

Beim Fußball ist der Ball rund, eine Mannschaft besteht aus elf Spielern einschließlich Torwart, und ihre Zahl wird nicht nach jeder Seitenwahl geändert. Ein Spiel dauert so lange, bis der Schiedsrichter abpfeift, und ein Tor ist ein Tor, wenn der Ball vollumfänglich die Torlinie - unterhalb der Torlatte, versteht sich - überquert hat. Sogar die Abseitsregel wird, einen geduldigen Erklärer vorausgesetzt, von den anderen 50 % der Gesellschaft verstanden.
Auch bei der Schwarzarbeit sind die Regeln einfach: Zahle keine Steuern und laß Dich nicht erwischen.

Weil jeder die Regeln versteht, kann sich auch jeder am Spiel beteiligen.
Spiele, deren Regeln nicht verstanden werden, werden nicht gespielt. Die Menschen spielen statt dessen – siehe Schwarzarbeit – ihre eigenen Spiele und schaffen sich die Regeln selbst. Steuern sparen kann man auch ohne § 2 und § 7 b oder ohne Fördergebietsgesetz und Sonder-AfA. Ohne Fonds und Firlefanz.
Der erste Jahrgang des Bundesgesetzblattes umfaßte die Jahre 1949/1950 mit dem Grundstock unserer Gesetze - unter anderem dem Grundgesetz - und brachte es auf ganze 826 Seiten. Der bislang letzte Jahrgang, 2001, brachte es auf 4.272 Seiten. Das ist mit großem Abstand Rekord. Weltrekord.

Als ich kürzlich in der Bundestagsfraktion der FDP zugegebenermaßen etwas unwirsch nachfragte, wieso auch die Liberalen mit allen anderen Parteien für die Einführung der Bauabzugssteuer gestimmt hätten, erhielt ich von zwei maßgeblichen Mitgliedern der Fraktion die Antwort, man könne als einzelner Abgeordneter schließlich nicht alle Gesetze vor der Abstimmung lesen. Wofür gäbe es schließlich die Stimmführer in der Fraktion.
Wir, die Bürger, sollen die Gesetze aber lesen, wir sollen sie verstehen und auch noch befolgen. Und natürlich sollen wir nebenbei auch noch arbeiten, um unter anderem auch die zu bezahlen, die neue Gesetze ausdenken lassen, die sie wiederum verabschieden, ohne sie vorher zu lesen. Dieser Krug geht nicht mehr lange zum Brunnen.

Wir haben es auf dem Holzweg staatlicher Bevormundung weit gebracht.
Wir haben uns das selbstverständliche Recht, unser Eigentum so zu gestalten, wie wir das nach unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten und Einschätzungen und unserem ästhetischen Empfinden für richtig halten, nehmen lassen. Dabei sind ganze Weltkulturerben so entstanden. Heute denken sich Heerscharen überflüssiger Baubeamter Erhaltungssatzungen aus und schreiben uns vor, welche Fenster und Dachziegel zu verwenden sind. Einfalt statt Vielfalt. Wir werden monatlich mit neuen Steuergesetzen terrorisiert. Wir benötigen für fast jede unserer Lebensäußerungen eine staatliche Genehmigung. Und das geht so von der Wiege bis zur Bahre und sogar darüber hinaus, wie umfangreiche Friedhofssatzungen belegen. „Demokratie als Bauherr“, wie der SPD-Vordenker Arndt es einmal formuliert hat? Daß ich nicht lache! Bürokratie als Bauherr wäre zutreffender.

Wir sollten unser Gemeinwesen nicht den Berufspolitikern allein überlassen, sondern uns einmischen. Wir sollten, um ein Zitat aus einem Gedicht von Günter Eich aufzugreifen, das fast auf den Tag genau vor 35 Jahren Thema meines Deutschaufsatzes im Abitur war, auch mal Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt sein.
(Stark gekürzte Rede zum GE-Verlagsessen 2002/Langversion unter www.grundeigentum-verlag.de/ge-21-f.php3?id=31)
Autor: Dieter Blümmel