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Politisches Debakel in Berlin
21.02.2002 (GE 4/02, Seite 212) „Ihr politisches Kapital ist aufgebraucht” - dies war der zentrale Satz, den eine Reihe von besorgten Berliner Bürgern und CDU-Mitgliedern in großformatigen Zeitungsanzeigen dem Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen durch einen öffentlichen Brief übermittelten.
Diepgen trage durch seine insgesamt 16jährige Tätigkeit als Regierender Bürgermeister die entscheidende Verantwortung für die katastrophale Situation der Stadt und den Reputationsverlust, der den materiellen Schaden noch übertreffe. Um so erstaunter hätten viele Berliner Diepgens ganz persönlichen Anspruch auf Listenplatz Nr. 1 bei der Bundestagswahl im September verfolgt. An allem hätten bis zum heutigen Tag nur noch die anderen schuld, obwohl doch Diepgen der Meister der feingezogenen Fäden der Macht gewesen sei. Es sei erschreckend, daß Diepgen die politische Verantwortung für das Debakel, das er hinterlassen habe, nicht übernehmen wolle. Der Brief endet mit der Aufforderung, weder seine Partei noch den Ruf Berlins und auch nicht das Ansehen seiner Bürger länger zu schädigen. Harter Tobak für einen, der doch nichts anderes wollte, als es allen recht zu machen. Der aber intelligent genug ist, um zu wissen, daß das nicht geht. Und dessen Anteil an der katastrophalen Haushaltssituation des Landes in der Tat sehr hoch zu veranschlagen ist. Diepgen konterte noch kurzfristig mit heftigen Verbalattacken („Selbstdarsteller“!, „Klugscheißer“). Seine Partei reihte sich jedoch mit großer Mehrheit um der Erneuerung willen bei den Nestbeschmutzern ein und schickte Diepgen nach dem amtlichen nun auch in den unwillkommenen politischen Ruhestand.