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Berliner Heizspiegel bislang kein Erfolg
Neue Art von vereinfachter Energieberatung geplant
03.01.2002 (GE 1/2002, Seite 8) Eine durchschlagendere Wirkung hatte sich der Senat mit seinem Prestigeprojekt „Berliner Heizspiegel“ erhofft. Weder Mieter noch Vermieter nehmen das mit viel öffentlichem Geld unterstützte Instrument an.
Auf der Grundlage einer Untersuchung, in die rd. 15 % des nach der HeizkostenVO abzurechnenden Wohnungsbestandes einbezogen waren, zu Kenngrößen des Energieverbrauches wurde der Berliner Heizspiegel für zentralbeheizte Wohngebäude erstellt. Er erschien im September 1999 als Broschüre, gleichzeitig begann eine Aktion zur kostenlosen Beratung und Ermittlung von klimabereinigten Verbrauchskennwerten.

Die Vermieterorganisationen, der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen e. V. (BBU), der Landesverband Freier Wohnungsunternehmen Berlin/Brandenburg e. V. (LfW) und der Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine e. V. (Haus & Grund) lehnten einhellig die Nutzung des Instrumentes Heizspiegel durch Mieter ab. Der Berliner Mieterverein dagegen unterstützte die Anwendung des Instrumentes Heizspiegel.
Die Ergebnisse der Aktion 1999 waren dürftig:

n Ganze 200 Verbrauchsausweise wurden kostenlos erstellt. Die Gebäude-Verbrauchskennwerte lagen im Gesamtdurchschnitt im unteren Bereich der Klasse E, das heißt bei 210 kWh/m2*a. Die besten Werte lagen im unteren Bereich der Heizklasse C, viele Werte waren allerdings auch den schlechten Heizklassen F und G zuzuordnen.
n Der Aufwand zur Ermittlung der Verbrauchskennwerte war höher als vorher eingeschätzt; Ursache dafür seien, so der Senat, die „vielfach nicht ordnungsgemäßen bzw. schwer ,durchschaubaren‘ Heizkostenabrechnungen“.
n 3.000 Exemplare der Broschüre wurden bereits Ende 1999 verteilt.
Im Oktober 2000 gab es eine Neuauflage der Broschüre mit 6.000 Exemplaren, und es wurde auf die Möglichkeit der Internet-Nutzung hingewiesen. Gleichzeitig wurde eine weitere Aktion zur Ermittlung von klimabereinigten Verbrauchskennwerten ausgelöst. Diese Aktion sah eine Vergütung von 50 DM für die Ermittlung der Verbrauchskennwerte pro Gebäude vor: Wenn beispielsweise zehn Mieter eines Gebäudes ihre Heizkostenabrechnungen zur Ermittlung der Verbrauchskennwerte für Gebäude und jeweiliger Wohnung einschickten, mußte jeder Mieter nur 5 DM zahlen.
Die Ergebnisse dieser zweiten Aktion waren noch kümmerlicher: Das Angebot zur Erstellung von Verbrauchskennwerten wurde so gut wie nicht wahrgenommen. Nur die 6.000 Exemplare der Broschüre waren in sechs Monaten vergriffen.
Weil für Kampagnen zum Heizkostentest, wie sie in anderen Städten durchgeführt werden, öffentliche Finanzmittel erforderlich sind, erscheint es dem Berliner Senat angesichts knapper Mittel nicht sinnvoll, kontinuierlich weitere mit öffentlichen Geldern bezuschußte Heizspiegel-Kampagnen durchzuführen. Statt dessen soll das Instrument Heizspiegel zumindest in folgende Aktivitäten eingebunden werden:
n Aufbau einer selbsttragenden, das heißt kostengünstig am Markt agierenden, breiten Initial-Energieberatung in Berlin.
n Regelung eines wirkungsvollen Vollzuges der Energieeinsparverordnung (EnEV) des Bundes.
n Einbeziehung bei Agenda-21-Aktionen im Handlungsfeld Klimaschutz.
Die Berliner Vermieterorganisationen lehnen die Heizspiegelarbeit mit den Mietern weiterhin ab. Sie befürchten, daß eine Flut von mieterseitigen Rechtsbeschwerden ausgelöst wird, zudem stelle das Nutzerverhalten die Heizspiegelarbeit grundsätzlich in Frage.
Dem hält der Senat entgegen:
n Rechtsbeschwerden aufgrund des Berliner Heizspiegels seien nicht bekannt.
n Einige Berliner Wohnungsunternehmen nutzen bereits den Berliner Heizspiegel, um ihren Mietern bzw. Bewohnern Erfolge der energetischen Sanierung zu verdeutlichen.
n Umfangreiche Untersuchungen belegten, daß das Nutzerverhalten in Summe bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als sechs Wohnungen nicht signifikant für die Änderung von Verbrauchskenngrößen der Gebäude sei.
n Im Auftrag des Verbandes der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen e. V. sei das „Basismodul Energiecontrolling“ erarbeitet worden. Dieses baue wie der Berliner Heizspiegel auf Verbrauchskennwerten auf. Bei genereller jährlicher Nutzung dieses Basismoduls durch die Unternehmen der Wohnungswirtschaft seien diese bestens für den mit dem Berliner Heizspiegel beabsichtigten breiten Energiedialog mit ihren Mietern gerüstet.
Eine grundsätzliche Weiterentwicklung des Berliner Heizspiegels hält der Senat derzeit nicht für notwendig. Die Diskussionen um die EnEV bestätigen, daß der im Berliner Heizspiegel gesetzte Maßstab für einen längeren Zeitraum als realistisch angesehen werden müsse, wobei folgendes gelte:

Heizklasse A (bis 50 kWh/m2*a)
werde für bestimmte Anwendungsfälle im Neubau durch die in Kürze gültige EnEV gefordert. Außerdem müßten Modellprojekte mit der Bezeichnung Niedrigenergiehaus, Niedrigstenergiehaus und Passivhaus die Heizklasse A erreichen.

Heizklasse B (bis 100 kWh/m2*a)
werde durch die bis 31. Januar 2002 gültige Wärmeschutzverordnung für alle Neubauvorhaben seit 1995 gefordert. Bei einem sehr hohen Oberflächen-Volumen-Verhältnis könne der Wert geringfügig in Abhängigkeit vom Jahresnutzungsgrad der Heizungsanlage überschritten werden. Die Heizklasse B werde auch bei umfassender, energetisch vorbildlicher Sanierung von Altbauten erreicht.

Heizklasse C (bis 150 kWh/m2*a)
Bei umfassender energetischer Sanierung (Dämmung der gesamten Gebäudehülle, Fensteraustausch, Erneuerung der Heizungsanlage) kann i. d. R. für jeden Mehrfamilienhaustyp der Wert von 130 kWh/m2*a unterschritten werden. Auch bei energetischer Teilsanierung sollte i. d. R. der obere Wert der Heizklasse C unterschritten werden.

Heizklasse D (bis 200 kWh/m2*a)
Unsanierte Altbauten jüngeren Baualters erreichen i. d. R. die Heizklasse D. Bei energetischer Teilsanierung sollte der Wert 180 kWh/m2*a für jeden Altbautyp unterschritten werden.

Heizklasse E (bis 250 kWh/m2*a)
Unsanierte Altbauten älteren Baualters sollten diesen Wert erreichen bzw. unterschreiten.

Heizklasse F (bis 300 kWh/m2*a)
Bei dieser Heizklasse sollte genauer geprüft werden, warum der Energieverbrauch so hoch ist. Ursachen können falsche Heizkostenabrechnung oder gravierende Mängel an Heizungstechnik oder Gebäude sein, die es gilt abzustellen.

Heizklasse G (über 300 kWh/m2*a)
Diese Heizklasse sei nicht zu akzeptieren. Hier müsse schnellstens etwas geschehen.
Gegenwärtig wird an der Vorbereitung des „Berliner Mietspiegels 2002“ gearbeitet, dessen Veröffentlichung Ende 2002 geplant ist. In diesem Rahmen wird gemeinsam mit den an der Mietspiegelerstellung beteiligten Berliner Mieter- und Vermieterorganisationen geprüft, ob Merkmale des energetischen Zustandes der Wohnung/des Wohngebäudes als wohnwerterhöhende oder -mindernde Merkmale im Mietspiegel mit aufgenommen werden können.
Eine Veröffentlichung des Heizspiegels als Anhang zum Berliner Mietspiegel setzt allerdings grundsätzlich den Konsens mit den an der Mietspiegelerstellung beteiligten Mieter- und Vermieterverbänden voraus.
Ergänzende Regelungen in Kooperationsverträgen mit städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, daß der Heizspiegel den Mietern bekanntgemacht wird, hält der Senat nicht für angezeigt.
Die Feststellung der Heizklasse eines Wohngebäudes soll aber zukünftig nach Vorstellungen des Berliner Senats Ausgangspunkt einer kostengünstigen „Initial-Energieberatung“ für Hauseigentümer/Hausverwaltungen sein.
Zur Zeit werde das Konzept einer derartigen Initial-Energieberatung in Abgrenzung zur aufwendigeren ingenieurtechnischen Energieberatung entwickelt und mit dem Handwerk erprobt. Darauf aufbauend soll eine breite Energieberatung unter Einbeziehung vor allem der Schornsteinfeger-Innung in Berlin etabliert werden. Auf Empfehlung des Berliner Energiebeirates werden derzeit auch Vorschläge zu einer wirkungsvollen Umsetzung der EnEV in Berlin erarbeitet.