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Wärmecontracting als Zukunftsmodell
"Wir senken die Energiekosten um 20 %!"
04.12.2001 (GE 23/2001, Seite 1564) Moderne Heizanlagen sind heute High-Tech-Geräte, die man kaum noch mit ihren zehn oder 20 Jahre alten Vorgängern vergleichen kann - jedenfalls was ihre Energieausbeute betrifft.
Als Modell der Zukunft wird das aus einem Projekt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie hervorgegangene „Wärmecontracting“ gehandelt. Wir sprachen aus Anlaß der gerade veröffentlichten neuen Energiesparverordnung mit dem Geschäftsführer der Wärme GmbH Berlin, Alexander Gnann. Seine Gesellschaft ist eine Tochter der GSW und der Viterra und betreut als Contractor derzeit 10.000 Wohneinheiten - Tendenz stark steigend.

Frage: Sie versprechen Einsparungen bei den Energiekosten von bis zu 20 % und kritisieren die ineffiziente Versorgung mit Wärme. Was macht denn ein Wärmecontractor besser als andere?
Alexander Gnann: Es ist unsere Spezialität, den Energieverbrauch und die Heizanlagen zu überwachen und bei optimalen Wirkungsgraden zu betreiben. Wir finden aufgrund unserer Erfahrungen und unseres Energiecontrolling-Systems sehr schnell die Schwachstellen in der Wärmeversorgung von Immobilien.
Frage: Und diese Kompetenz macht die Qualität eines Wärme-Contracting-Anbieters aus?
Gnann: Auch. Man sollte das Wärme-Contracting aber nicht nur unter dem Aspekt der Kostensenkung sehen. Es ist eine völlig neue Dienstleistung, die sehr viele Vorteile und Annehmlichkeiten bietet - sowohl für die Gebäudewirtschaft als auch für die Mieter und letztendlich natürlich auch für die Umwelt. Es ist doch so: Der Mieter will nur eine warme Wohnung haben. Der Eigentümer muß aber dazu einmal eine Heizungsanlage kaufen und über mehrere Jahre abschreiben, und er muß Brennstoffe kaufen und den Verbrauch abrechnen. Beide Handlungsbereiche sind kompliziert und voller Fallstricke, sie bieten genügend Reibungsflächen für ständige Konflikte mit den Mietern.
Hier setzt unser Dienstleistungsangebot an. Wir liefern dem Mieter, was er braucht: die Wärme. Wir nehmen Gebäudeeigentümern alle Arbeiten ab, die mit der Heizung zusammenhängen, und das bei geringeren Preisen.
Frage: Was enthält das Dienstleistungspaket eines Wärmecontractors üblicherweise?
Gnann: Unser Dienstleistungspaket erstreckt sich vom Einkauf der Energieträger über die Anschaffung, Einrichtung und Wartung der Heizstationen bis hin zum Betrieb und der ständigen Überwachung der Anlagen. Für unsere Muttergesellschaft GSW bearbeiten wir selbst die Heizkostenabrechnung. Ziel ist, daß sich unsere Experten um die Wärmeversorgung kümmern und unser Kunde praktisch vollkommen von allen Aufgaben entlastet wird.
Frage: Die Wärmeversorgung hat auch dort schon funktioniert, wo es bisher kein Contracting gab …
Gnann: Bei der Wärmeversorgung sind eine ganze Reihe von Aufgaben zu bewältigen, die mitunter auch sehr unangenehm werden können. Denken Sie an Störungen der Anlagen, die ja schnell beseitigt werden müssen, und die meist auch noch geballt in ganz bestimmten Perioden auftreten - meist zu Beginn der Heizperiode oder in einem Zeitraum, der kurz vor Weihnachten beginnt und nach Neujahr endet. Kurz gesagt: Der Gebäudeeigentümer muß sich um alle Verwaltungstätigkeiten, die mit der Wärmeerzeugung zu tun haben, nicht mehr kümmern. Und am Ende spart er dabei sogar noch Geld. Warum also soll das für ihn nicht interessant sein?
Frage: Wo spart denn der Eigentümer Geld?
Gnann: Er muß nicht investieren. Wir kaufen und betreiben die Heizungsanlagen. Also spart der Gebäudeeigentümer die Kapitalkosten. Das gilt übrigens auch beim Einkauf der Energieträger. Wir bestellen die Brennstoffe auf eigene Rechnung und entlasten damit unsere Kunden. Sie zahlen dann nur noch für das, was sie wirklich haben wollen, nämlich die Wärme.
Frage: Klingt wie im Märchen: Die Eigentümer sparen - Geld, Arbeit und Nerven -, der Wärmecontractor will und soll ja auch auf seine Kosten kommen, aber irgendwer muß doch die Zeche zahlen? Der Mieter sollte es angesichts von 130.000 leerstehenden Wohnungen und der damit verbundenen Wettbewerbssituation auch nicht sein …
Gnann: Auch wir müssen unser Geld verdienen, das ist schon richtig. Aber wir erarbeiten es uns tatsächlich selbst und nehmen es eigentlich nicht vom Kunden. Wir berechnen ihm einen Grund- und einen Arbeitspreis. Der Arbeitspreis richtet sich nach der Wärme, die der Kunde erhalten hat. Er wird auf der Basis des Wärmemengenzählers abgerechnet. Wieviel Geld der Kunde zahlt, hängt am Ende nur von der Witterung ab, nicht vom Energieeinsatz. Wenn die Anlagen nicht effizient arbeiten, ist das unser Schaden, und wenn sie nahezu optimal funktionieren, verdienen wir unser Geld.
Frage: Das beweist ja noch nicht, daß Ihr Kunde tatsächlich durch Wärme-Contracting spart. Immerhin berechnen Sie die Preise, und die könnten doch zu hoch sein.
Gnann: Dafür, daß wir faire Preise berechnen, sorgt der Wettbewerb. Und den gibt es ja nur aufgrund des Contractings. Früher war man entweder an die Fernwärme angeschlossen - da war Wettbewerb gar nicht möglich -, oder der Hauseigentümer hat selbst das Gebäude beheizt. Jetzt können Angebote von Dienstleistern eingeholt werden, und dabei entsteht die günstigste Lösung. Das Wärme-Contracting stellt somit für alle Beteiligten eine klassische „Win-win-Situation“ dar.
Frage: Dann gibt es also auch Vorteile für die Mieter. Welche sind das?
Gnann: Die Kostenvorteile bekommt ja gerade der Mieter zu spüren, und die haben wir ja noch gar nicht alle aufgezählt. Wir können durch Großabnehmerrabatte die Energie sehr günstig einkaufen. Wir sind von der Ökosteuer befreit. Wir können sogar Preisvorteile bei der Installation der Anlagen weitergeben, weil wir jährlich 40 Anlagen bauen und folglich auch hier sehr gute Konditionen erhalten. Und als weiterer Vorteil kommt die Versorgungssicherheit für die Bewohner hinzu.
Frage: Die Versorgungssicherheit muß jeder Vermieter aus seiner mietrechtlichen Verpflichtung bisher auch schon garantieren …
Gnann: Das bestreite ich nicht. Aber es ist das alte Problem mit den Generalisten und den Spezialisten. Die Welt bewegt sich in Richtung Arbeitsteilung, und wir sind die Wärmespezialisten. Alle Anlagen, die wir betreuen, werden an unsere Gebäudeleittechnik angeschlossen. Von dort aus können wir sie fernsteuern. Das heißt: Wir können von unserer Zentrale aus alle Stationen per Knopfdruck ein- oder ausschalten, wir können auch die Heizkurven verändern, und wir erkennen Störungen frühzeitiger und können schneller eine Reparatur veranlassen. Unsere Philosophie ist, daß Bewohner die Störungen gar nicht erst mitbekommen. Nachdem ein Defekt auftritt - was ja vorkommen kann -, bleibt für eine gewisse Zeit noch genug Wärme im Gebäude gespeichert. Bevor das Absinken der Temperatur im Haus bemerkt wird, hat die Gebäudeleittechnik bereits ein Serviceunternehmen beauftragt, das in der Regel bis dahin den Schaden auch schon behoben hat.
Dabei kommt uns natürlich zugute, daß wir als großes Contracting-Unternehmen auch ein großer Nachfrager von Service-Dienstleistungen sind und besser bedient werden.
Frage: Wie erzielen Sie denn die Einsparungen im Verbrauch?
Gnann: Unser Energiecontrolling-System spielt dabei eine große Rolle. Durch die regelmäßige Überwachung der Heizungsanlagen fallen uns Funktionsstörungen oder Fehleinstellungen sofort auf.
Frage: Dann erklären Sie uns doch bitte Ihr Energiecontrolling-System.
Gnann: Wir ermitteln einmal im Monat Daten, die uns bei Problemen sofort auf einen Mißstand hinweisen. Um es genauer zu sagen: Wir errechnen für jede einzelne Anlage den Normnutzungsgrad. Der ergibt sich als Quotient aus dem Wert des Wärmemengenzählers und dem Wert des Gaszählers. Wir wissen dann also, wieviel Wärme wir mit einer Einheit Gas erzeugt haben. Liegt dieser Quotient, also im Prinzip der Wirkungsgrad der Anlage, bei 85 %, sind wir zufrieden. Liegt er darunter, überprüfen wir die Anlage, denn dann liegt irgendein Problem vor, das möglicherweise einen unnötig hohen Energieverbrauch verursacht. Eine selbst entwickelte Software unterstützt uns bei der Datenauswertung. Dieses Energie-Controlling, das den wichtigsten Einspareffekt beim Wärmecontracting generiert, kann normalerweise eine Hausverwaltung gar nicht leisten - schon weil ihr die Vergleichsdaten fehlen.
Frage: Welche Art von Problemen stellen Sie denn in der Regel fest, wenn es Abweichungen gibt?
Gnann: Die Abweichungen vom Normnutzungsgrad können sehr viele Ursachen haben. Mitunter finden wir nicht optimal abgestimmte Brenner oder falsch eingebaute Wärmemengenzähler. Manchmal ist aber auch einfach nur falsch abgelesen worden. Grundsätzlich machen diese Daten aber auch sichtbar, wenn etwa die Heizungsanlage zu großzügig bemessen ist oder der Schornsteinquerschnitt zu groß ist. Das kostet alles unnötige Energie und kann verbessert werden, wenn man sich des Problems bewußt ist.
Frage: Wie beurteilen Sie aus Ihrer fachlichen Sicht die Effizienz der Berliner Wärmeversorgung insgesamt?
Gnann: Da gibt es noch eine Menge zu tun. Viele Kesselanlagen sind erstens überdimensioniert und damit unwirtschaftlich. Das ist ein Grund, warum im Berliner Heizspiegel sehr viele Objekte in sehr schlechten, also sehr hohen Verbrauchsklassen ausgewiesen sind. Eine klein dimensionierte Kesselanlage wird seltener abgeschaltet und hat damit geringere Auskühlverluste. Daher werden auch bessere Normnutzungsgrade erreicht.
Frage: Warum sind so viele überdimensionierte Anlagen angeschafft worden?
Gnann: Wir befinden uns da immer in einer schwierigen Abwägung. Einerseits soll die Versorgung sicher und auch bei tiefen Frosttemperaturen noch stabil ein. Andererseits wollen wir den optimalen Wirkungsgrad beim Einsatz der Primärenergie. Wir können in Berlin durchaus mal Temperaturen von minus 15 oder minus 20 Grad haben. Also sind auch die Heizungsanlagen auf diese Temperaturen ausgelegt. Wir erreichen diese hohen Minus-Grade aber nur an wenigen Tagen im Jahr. Es sind also per se für den überwiegenden Teil des Jahres Überkapazitäten vorhanden.
Frage: Wie kann man dem Konflikt begegnen?
Gnann: Modulierende Brenner sind ein Ausweg. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sich der Einsatz von Brennwerttechnik immer lohnt, obwohl die Investition deutlich teurer ist. Noch teurer ist allerdings auf Dauer die Primärenergie, und daher stellt die Investition in gute Technik für uns immer eine günstige Variante dar. Es gibt aber noch eine Reihe anderer Antworten auf den erwähnten Konflikt.
Frage: Welche sind das?
Gnann: Wir haben auch festgestellt, daß es große Optimierungspotentiale im Bereich der Regeltechnik gibt. Oft sind die Standardeinstellungen alles andere als primärenergiefreundlich. Auch die Frage nach der optimalen Einstellung von Heizkurven und Einschaltzeiten führt bei richtiger Beantwortung zu deutlichen Energieeinsparungen, ohne daß der Komfort darunter zu leiden hätte. Es ist allerdings auch das Bewußtsein notwendig, daß wir hier mit sehr wertvollen Primärenergien umgehen, die man nur sorgsam verbrauchen sollte. Auch ein geschultes Verbraucherverhalten kann einiges dazu beitragen. Ich besuche einmal in der Woche einen Fachkurs in einer Kreuzberger Schule. Im Winter muß ich regelmäßig feststellen, daß ich im Schulraum trotz geöffneter Fenster schwitze. Die Erkenntnis, daß Primär-energie wertvoll und kostbar ist, und daß man damit sorgsam umgehen muß, ist noch nicht überall durchgedrungen.