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Vom Wohnungsbau
04.12.2001 (GE 23/2001, Seite 1557) Wer den Seelenschmerz der Grünen und der wahrhaft Linken, ihre Hin- und Hergerissenheit zwischen dem „erpresserischen“ Bundeskanzler auf der einen und dem aufrecht-pazifistischen Gewissen auf der anderen Seite miterlebt und mitgenossen hat, dem fällt es schwer, ins banale Tagesgeschäft zurückzukehren.
Denn wo so viel hehres Wollen, so viel Genügsamkeit, so viel Weltgewissen zusammenkommen, wo all das auch noch mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit verbunden wird, da muß es sich doch gut leben lassen, da kann das Paradies nicht weit sein: in Deutschland nämlich!
Nüchterner sieht’s der Unternehmer. Spricht der Politiker vom Abbau der Verwaltung, so verweisen Geschäftsführer und Handwerksmeister auf die soeben erfundene „Abzugssteuer im Baugewerbe“. Beklagen Regierung und Abgeordnete die steigende Zahl der Arbeitslosen, so verweist der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen auf die verschlechterten AfA-Sätze im Wohnungsbau, auf die gestiegene Grunderwerbssteuer, die Verfünffachung der Besteuerungsfrist bei Immobilien auf zehn Jahre und die eingeschränkte oder ausgeschlossene Verrechenbarkeit von Verlusten mit anderen Einkunftsarten.

Suchen Minister und Kommissionen nach Möglichkeiten der Wirtschaftsankurbelung - vor allem im Baubereich -, so springen Programme für den Straßen- und Eisenbahnbau dabei heraus. Nur kommt anscheinend keiner auf die Idee, daß die Umwandlung von Werbungskosten in Herstellungskosten, daß die immer ungehemmtere Anwendung des wahrscheinlich verfassungswidrigen § 2 b Einkommensteuergesetz viel stärkere Investitionsbremsen sind als die allüberall schwierige Haushaltslage der öffentlichen Hände. Wenn in Berlin im Zeitraum Januar bis August 2001 Baugenehmigungen (einschließlich Umbau) für 3.112 Wohnungen in 1.814 Gebäuden erteilt wurden, davon knapp 50 % in Pankow, Steglitz/Zehlendorf und Treptow/Köpenick, wenn in dieser Gesamtzahl nur 67 Wohnungen in ganzen drei Gebäuden in Berlin-Mitte enthalten sind, dann zeigt das den totalen Zusammenbruch des Geschoßwohnungsbaus und das mühsame Gewürge mit Ein- und Zweifamilienhäusern am Rande Berlins und seiner Umgebung, wo sich ähnliches abspielt.

Muß man die Prognose der Fachgemeinschaft Bau hinzufügen, derzufolge die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe im Dezember 2002 gerade noch 18.000 betragen wird, verglichen mit 33.000 im Dezember 2000 und 22.000 gegenwärtig? Man muß wohl, denn anders wird das Ausmaß der Katastrophe nicht deutlich genug. Was kann man tun? Nun, u. a. dieses:

Es muß im Jahr 1994 - einem Wahljahr - gewesen sein, da hat eine von der damaligen Bundesregierung berufene Kommission den Vorschlag gemacht, die seinerzeit schon zu komplizierten AfA-Regelungen wie auch alle Sonderabschreibungen abzuschaffen zugunsten eines für alle Wohn- und Gewerbegebäude gleich hohen Abschreibungssatzes in Höhe von 4 % linear. Das wäre einfach gewesen und hätte das Arbeitsvolumen der Verwaltung, der Finanzgerichte und der Steuerberater entscheidend verringert. Das könnte auch heute die Bautätigkeit in vernünftigem Umfang stimulieren, ohne daß jeder Initiator wegen der 2-b-Falle mit Alpträumen schlafen müßte, in denen er sich gemeinsam mit Berufskollegen Dauerskat spielen sieht - im Knast nämlich.

Aber wie das so ist mit einfachen Lösungen: Entweder sind sie falsch - oder keiner will sie. Einmal mehr zeigt es sich, daß man auf die Vernunft der Menschen zwar hoffen kann, daß es jedoch sicherer ist, auf ihre Dummheit zu setzen.
Autor: Dietmar Otremba