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WEG-Beschlüsse: BGH verlangt Feststellung und Verkündung!
Anmerkung zum BGH-Beschluß vom 23. August 2001 (Seite 1405)
19.10.2001 (GE 20/2001, Seite 1389) Die neueste Entscheidung des BGH in WEG-Sachen betrifft wiederum das Beschlußrecht. Nach Ansicht des BGH kommt ein Eigentümerbeschluß nur dann wirksam zustande, wenn der Versammlungsleiter das Beschlußergebnis feststellt und verkündet.
I. Die Entscheidung
Unter dem Begriff „Feststellung“ versteht der BGH, daß der Versammlungsleiter - i. d. R. der Verwalter - als Ergebnis der Stimmenauszählung erklärt, wie viele JA-Stimmen, NEIN-Stimmen und Stimmenthaltungen auf den Beschlußantrag abgegeben wurden. Daran anknüpfend hat die Bekanntgabe (Verkündung) des Beschlußergebnisses zu erfolgen. Sie ist die Erklärung des Versammlungsleiters, ob der Beschlußantrag angenommen oder abgelehnt wurde.
In diesem Zusammenhang klärte der BGH eine weitere, bisher umstrittene Frage. Er entschied, daß ein Eigentümerbeschluß nicht nur dann zustande kommt, wenn das erforderliche Stimmenquorum (i. d. R. einfache Stimmenmehrheit) erreicht wird, sondern auch, wenn der Beschlußantrag wegen Nichterreichens des erforderlichen Quorums abgelehnt wird. Während im ersten Fall ein „positiver Beschluß“ vorliegt, handelt es sich im zweiten Fall um einen „negativen Beschluß“. Auch der negative Beschluß ist ein wirksamer Beschluß, dem ein Regelungsgehalt zukommt. Er regelt für die Wohnungseigentümer verbindlich, daß die beantragte Änderung oder Ergänzung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten soll. Ein negativer Beschluß kann ebenfalls im gerichtlichen Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG angefochten werden, wenn er an einem Fehler leidet, insbesondere wenn er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Der negative Beschluß ist also von einem „Nichtbeschluß“ zu unterscheiden; letzterer liegt vor, wenn eine Feststellung und Verkündung oder eine andere Beschlußvoraussetzung fehlt (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 40).
Feststellung und Verkündung sind allerdings nicht die einzigen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Beschlüsse der Wohnungseigentümer. Fehlt es etwa an der Beschlußkompetenz der Eigentümer, so hilft auch eine Beschlußverkündung über diesen Mangel nicht hinweg. Haben die Eigentümer etwa eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels beschlossen (sog. gesetzes- oder vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluß), so ist ein solcher Beschluß trotz erfolgter Feststellung und Verkündung nichtig. Einer Beschlußanfechtung bedarf es dann nicht.
II. Folgen für die Praxis
1. Form der Feststellung
und Verkündung
Die vom BGH geforderte Feststellung und Verkündung des Beschlußergebnisses muß in der Eigentümerversammlung erfolgen. Eine bestimmte Form ist dafür nicht vorgesehen. Insbesondere muß die Feststellung und Verkündung nicht unbedingt in das Versammlungsprotokoll aufgenommen werden. Aus dem Fehlen einer Beschlußfeststellung im Protokoll läßt sich daher nicht ohne weiteres schließen, daß eine Feststellung und Verkündung unterblieben und ein Beschluß nicht zustande gekommen ist.
Die Feststellung und Verkündung kann nach Ansicht des BGH auch in konkludenter Weise, also stillschweigend erfolgen. Im Zweifel soll eine konkludente Beschlußfeststellung vorliegen, wenn das Protokoll ein für sich genommen eindeutiges Abstimmungsergebnisses enthält. Den Versammlungsleitern ist daher dringend zu empfehlen, im Versammlungsprotokoll zu vermerken, wie viele JA-Stimmen, NEIN-Stimmen und Stimmenthaltungen die Auszählung ergeben hat und ob der Beschlußantrag angenommen (positiver Beschluß) oder abgelehnt (negativer Beschluß) wurde. Eine unwiderlegliche Beweiskraft hat dies jedoch nicht.
2. Unterbliebene Feststellung
und Verkündung
Da eine Feststellung und Verkündung zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses ist, hat der Versammlungsleiter auch die Pflicht, das Ergebnis der Stimmenauszählung festzustellen und den Beschluß bekanntzugeben. Kommt der Versammlungsleiter dieser Pflicht nicht nach, etwa weil er sich hierzu wegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten bei der Bewertung des Abstimmungsergebnisses außerstande sieht, so können die Wohnungseigentümer nach Auffassung des BGH einen Antrag an das Gericht stellen, daß dieses das Beschlußergebnis feststellen möge. Der Antrag ist an keine Frist gebunden. Die rechtskräftige Feststellung durch das Gericht ersetzt die unterbliebene Feststellung des Versammlungsleiters und komplettiert so die Voraussetzungen für einen wirksamen Eigentümerbeschluß.
3. Unrichtige Feststellung
und Verkündung
Eine weitere Fehlerquelle kann darin liegen, daß der Versammlungsleiter ein falsches Beschlußergebnis verkündet. Gibt der Versammlungsleiter ein positives Beschlußergebnis bekannt, obwohl das erforderliche Beschlußquorum nicht erreicht wurde, so ist diese (unrichtige) Bekanntgabe für die Wohnungseigentümer zunächst bindend. Die Rechtswirkungen der unrichtigen Bekanntgabe können nur durch Anfechtung des Beschlusses im gerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Für die Anfechtung gilt die Monatsfrist des § 23 Abs. 4 WEG (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 37).
Gibt der Versammlungsleiter im umgekehrten Fall die Ablehnung des Beschlußantrages bekannt, obwohl der Antrag angenommen wurde, so bedarf es ebenfalls einer fristgebundenen Anfechtung im Verfahren nach § 23 Abs. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG. Die Ungültigerklärung des Beschlusses durch das Gericht führt jedoch noch nicht zu einem positiven Beschluß im Sinne des wahren Beschlußergebnisses. Der Anfechtungsantrag muß vielmehr mit einem Antrag auf Feststellung eines positiven Beschlußergebnisses verbunden werden (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 39).
4. Versammlungsvorsitzender fehlt
Bei sehr kleinen Wohnanlagen kann es vorkommen, daß die Versammlung ohne Versammlungsleiter abgehalten wird. Hier soll ein Beschluß nach Ansicht des BGH bereits dann wirksam sein, wenn die Versammlungsteilnehmer sich über das Beschlußergebnis einig sind. Die Einigung habe dann die Wirkung einer Feststellung durch den Versammlungsleiter. Dem BGH wird man allerdings entgegenhalten müssen, daß im nachhinein nur schwer zu beweisen ist, ob tatsächlich die Einigung aller Wohnungseigentümer vorgelegen hat. Die Wohnungseigentümer sollten daher auch bei kleinen Gemeinschaften einen Eigentümer zum Versammlungsleiter wählen.
5. Schriftliche Beschlüsse
Eine Feststellung und Verkündung ist auch im schriftlichen Beschlußverfahren (§ 23 Abs. 3 WEG) erforderlich. Wegen der auch hier zu beachtenden wirksamkeitsbegründenden Wirkung kommt ein schriftlicher Beschluß erst zustande, wenn der Beschlußinitiator das Beschlußergebnis allen Eigentümern mitteilt. Nach Ansicht des BGH setzt diese Mitteilung aber nicht den Zugang an alle Wohnungseigentümer voraus. Vielmehr genüge jede Form der Unterrichtung, etwa durch einen Aushang oder ein Rundschreiben. Entscheidend sei lediglich, daß die Mitteilung den gewöhnlichen Geschäftsbereich des Feststellenden verlassen habe und mit einer Kenntnisnahme durch die Wohnungseigentümer nach den gewöhnlichen Umständen gerechnet werden könne. Bereits zu dem Zeitpunkt, in dem diese Voraussetzungen erfüllt sind, sei ein Beschluß im schriftlichen Verfahren existent geworden.
Allerdings dürfte die Rechtslage auch weiterhin in dem Fall fraglich sein, in dem der Verwalter einen positiven Beschluß feststellt, obwohl nicht alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu dem Beschluß erklärt haben, was aber gemäß § 23 Abs. 3 WEG Voraussetzung für einen schriftlichen Beschluß ist: Liegt hier ein Nichtbeschluß vor, weil eine Gültigkeitsvoraussetzung des § 23 Abs. 3 WEG nicht gegeben ist? Oder handelt es sich um einen positiven schriftlichen Beschluß, der lediglich anfechtbar ist? Die Antwort müßte davon abhängen, ob auf das Einstimmigkeitserfordernis des § 23 Abs. 3 WEG wirksam verzichtet werden kann. Dies wird von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Schrifttum verneint (BayObLGZ 1980, 331, 337; OLG Hamm WE 1993, 24, 25; a. A. Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 100). Folgt man der Rechtsprechung in dieser Frage, was dem Praktiker zu raten ist, so ist ein Beschluß, der im schriftlichen Verfahren ohne Einstimmigkeit gefaßt wird, trotz positiver Beschlußbekanntgabe nichtig.
6. Verwalterhaftung
Für den Verwalter schafft die neue Entscheidung des BGH ein weiteres Haftungsrisiko. Der Verwalter ist in seiner Funktion als Versammlungsleiter nicht nur zur Feststellung und Verkündung verpflichtet, sondern er haftet auch dafür, daß die Feststellung und Verkündung fehlerfrei erfolgt. Insbesondere darf der Verwalter einen positiven Beschluß nur dann verkünden, wenn das erforderliche Stimmenquorum erreicht wurde.
Eine Haftung setzt allerdings ein Verschulden voraus, d. h. der Verwalter muß bei der fehlerhaften Verkündung zumindest fahrlässig gehandelt haben. Welche Anforderungen künftig an die Rechtskenntnisse des Verwalters zu stellen sind, ist derzeit nur schwer abschätzbar. Jedenfalls wird man an einen Verwalter nicht die gleichen Anforderungen stellen können, wie an einen mit dem Wohnungseigentumsrecht befaßten Juristen. Man wird allerdings verlangen können, daß mehrfach entschiedene Rechtsfragen dem professionellen Verwalter bekannt sind.
Des weiteren stellt sich die Frage, ob der Verwalter bei einer fehlerhaften Feststellung und Verkündung verpflichtet ist, der Gemeinschaft die Kosten eines Beschlußanfechtungsverfahrens zu ersetzen. Die Verpflichtung zur Kostenübernahme wäre jedenfalls die konsequente Folge, wenn dem Verwalter eine fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung nachgewiesen wird. Da die Schadensersatzforderungen aber beträchtliche Höhen erreichen können, ist zu vermuten, daß die Gerichte die Grenze des Verschuldens nicht allzu niedrig ansetzen. Dennoch sollte der Verwalter daran denken, in den Verwalterverträgen seine Haftung für leichte Fahrlässigkeit auf einen Höchstbetrag zu begrenzen oder auszuschließen. Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Verwalter allerdings nicht im voraus erlassen werden (§ 276 Abs. 2 BGB).
III. Resümee
Die Feststellung und Verkündung ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung Wirksamkeitsvoraussetzung für Beschlüsse der Wohnungseigentümer. Unterbleibt die Feststellung und Verkündung, liegt ein Nichtbeschluß vor, der keine Rechtswirkungen entfaltet. Eine unterbliebene Feststellung und Verkündung kann durch das Gericht ersetzt werden. Eine unrichtige Feststellung und Verkündung können die Wohnungseigentümer ebenfalls im Beschlußanfechtungsverfahren beseitigen. Unterläßt der Versammlungsleiter pflichtwidrig die Feststellung des Beschlußergebnisses oder unterlaufen ihm dabei schuldhaft Fehler, so haftet er den Wohnungseigentümern auf Ersatz für die Kosten eines gerichtlichen Beschlußmängelverfahrens. Der Versammlungsleiter ist insbesondere verpflichtet, das Zustandekommen eines positiven Beschlusses nur dann zu verkünden, wenn das erforderliche Stimmenquorum erreicht wurde.
Unter dem Begriff „Feststellung“ versteht der BGH, daß der Versammlungsleiter - i. d. R. der Verwalter - als Ergebnis der Stimmenauszählung erklärt, wie viele JA-Stimmen, NEIN-Stimmen und Stimmenthaltungen auf den Beschlußantrag abgegeben wurden. Daran anknüpfend hat die Bekanntgabe (Verkündung) des Beschlußergebnisses zu erfolgen. Sie ist die Erklärung des Versammlungsleiters, ob der Beschlußantrag angenommen oder abgelehnt wurde.
In diesem Zusammenhang klärte der BGH eine weitere, bisher umstrittene Frage. Er entschied, daß ein Eigentümerbeschluß nicht nur dann zustande kommt, wenn das erforderliche Stimmenquorum (i. d. R. einfache Stimmenmehrheit) erreicht wird, sondern auch, wenn der Beschlußantrag wegen Nichterreichens des erforderlichen Quorums abgelehnt wird. Während im ersten Fall ein „positiver Beschluß“ vorliegt, handelt es sich im zweiten Fall um einen „negativen Beschluß“. Auch der negative Beschluß ist ein wirksamer Beschluß, dem ein Regelungsgehalt zukommt. Er regelt für die Wohnungseigentümer verbindlich, daß die beantragte Änderung oder Ergänzung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten soll. Ein negativer Beschluß kann ebenfalls im gerichtlichen Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG angefochten werden, wenn er an einem Fehler leidet, insbesondere wenn er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Der negative Beschluß ist also von einem „Nichtbeschluß“ zu unterscheiden; letzterer liegt vor, wenn eine Feststellung und Verkündung oder eine andere Beschlußvoraussetzung fehlt (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 40).
Feststellung und Verkündung sind allerdings nicht die einzigen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Beschlüsse der Wohnungseigentümer. Fehlt es etwa an der Beschlußkompetenz der Eigentümer, so hilft auch eine Beschlußverkündung über diesen Mangel nicht hinweg. Haben die Eigentümer etwa eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels beschlossen (sog. gesetzes- oder vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluß), so ist ein solcher Beschluß trotz erfolgter Feststellung und Verkündung nichtig. Einer Beschlußanfechtung bedarf es dann nicht.
II. Folgen für die Praxis
1. Form der Feststellung
und Verkündung
Die vom BGH geforderte Feststellung und Verkündung des Beschlußergebnisses muß in der Eigentümerversammlung erfolgen. Eine bestimmte Form ist dafür nicht vorgesehen. Insbesondere muß die Feststellung und Verkündung nicht unbedingt in das Versammlungsprotokoll aufgenommen werden. Aus dem Fehlen einer Beschlußfeststellung im Protokoll läßt sich daher nicht ohne weiteres schließen, daß eine Feststellung und Verkündung unterblieben und ein Beschluß nicht zustande gekommen ist.
Die Feststellung und Verkündung kann nach Ansicht des BGH auch in konkludenter Weise, also stillschweigend erfolgen. Im Zweifel soll eine konkludente Beschlußfeststellung vorliegen, wenn das Protokoll ein für sich genommen eindeutiges Abstimmungsergebnisses enthält. Den Versammlungsleitern ist daher dringend zu empfehlen, im Versammlungsprotokoll zu vermerken, wie viele JA-Stimmen, NEIN-Stimmen und Stimmenthaltungen die Auszählung ergeben hat und ob der Beschlußantrag angenommen (positiver Beschluß) oder abgelehnt (negativer Beschluß) wurde. Eine unwiderlegliche Beweiskraft hat dies jedoch nicht.
2. Unterbliebene Feststellung
und Verkündung
Da eine Feststellung und Verkündung zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses ist, hat der Versammlungsleiter auch die Pflicht, das Ergebnis der Stimmenauszählung festzustellen und den Beschluß bekanntzugeben. Kommt der Versammlungsleiter dieser Pflicht nicht nach, etwa weil er sich hierzu wegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten bei der Bewertung des Abstimmungsergebnisses außerstande sieht, so können die Wohnungseigentümer nach Auffassung des BGH einen Antrag an das Gericht stellen, daß dieses das Beschlußergebnis feststellen möge. Der Antrag ist an keine Frist gebunden. Die rechtskräftige Feststellung durch das Gericht ersetzt die unterbliebene Feststellung des Versammlungsleiters und komplettiert so die Voraussetzungen für einen wirksamen Eigentümerbeschluß.
3. Unrichtige Feststellung
und Verkündung
Eine weitere Fehlerquelle kann darin liegen, daß der Versammlungsleiter ein falsches Beschlußergebnis verkündet. Gibt der Versammlungsleiter ein positives Beschlußergebnis bekannt, obwohl das erforderliche Beschlußquorum nicht erreicht wurde, so ist diese (unrichtige) Bekanntgabe für die Wohnungseigentümer zunächst bindend. Die Rechtswirkungen der unrichtigen Bekanntgabe können nur durch Anfechtung des Beschlusses im gerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Für die Anfechtung gilt die Monatsfrist des § 23 Abs. 4 WEG (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 37).
Gibt der Versammlungsleiter im umgekehrten Fall die Ablehnung des Beschlußantrages bekannt, obwohl der Antrag angenommen wurde, so bedarf es ebenfalls einer fristgebundenen Anfechtung im Verfahren nach § 23 Abs. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG. Die Ungültigerklärung des Beschlusses durch das Gericht führt jedoch noch nicht zu einem positiven Beschluß im Sinne des wahren Beschlußergebnisses. Der Anfechtungsantrag muß vielmehr mit einem Antrag auf Feststellung eines positiven Beschlußergebnisses verbunden werden (Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 39).
4. Versammlungsvorsitzender fehlt
Bei sehr kleinen Wohnanlagen kann es vorkommen, daß die Versammlung ohne Versammlungsleiter abgehalten wird. Hier soll ein Beschluß nach Ansicht des BGH bereits dann wirksam sein, wenn die Versammlungsteilnehmer sich über das Beschlußergebnis einig sind. Die Einigung habe dann die Wirkung einer Feststellung durch den Versammlungsleiter. Dem BGH wird man allerdings entgegenhalten müssen, daß im nachhinein nur schwer zu beweisen ist, ob tatsächlich die Einigung aller Wohnungseigentümer vorgelegen hat. Die Wohnungseigentümer sollten daher auch bei kleinen Gemeinschaften einen Eigentümer zum Versammlungsleiter wählen.
5. Schriftliche Beschlüsse
Eine Feststellung und Verkündung ist auch im schriftlichen Beschlußverfahren (§ 23 Abs. 3 WEG) erforderlich. Wegen der auch hier zu beachtenden wirksamkeitsbegründenden Wirkung kommt ein schriftlicher Beschluß erst zustande, wenn der Beschlußinitiator das Beschlußergebnis allen Eigentümern mitteilt. Nach Ansicht des BGH setzt diese Mitteilung aber nicht den Zugang an alle Wohnungseigentümer voraus. Vielmehr genüge jede Form der Unterrichtung, etwa durch einen Aushang oder ein Rundschreiben. Entscheidend sei lediglich, daß die Mitteilung den gewöhnlichen Geschäftsbereich des Feststellenden verlassen habe und mit einer Kenntnisnahme durch die Wohnungseigentümer nach den gewöhnlichen Umständen gerechnet werden könne. Bereits zu dem Zeitpunkt, in dem diese Voraussetzungen erfüllt sind, sei ein Beschluß im schriftlichen Verfahren existent geworden.
Allerdings dürfte die Rechtslage auch weiterhin in dem Fall fraglich sein, in dem der Verwalter einen positiven Beschluß feststellt, obwohl nicht alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu dem Beschluß erklärt haben, was aber gemäß § 23 Abs. 3 WEG Voraussetzung für einen schriftlichen Beschluß ist: Liegt hier ein Nichtbeschluß vor, weil eine Gültigkeitsvoraussetzung des § 23 Abs. 3 WEG nicht gegeben ist? Oder handelt es sich um einen positiven schriftlichen Beschluß, der lediglich anfechtbar ist? Die Antwort müßte davon abhängen, ob auf das Einstimmigkeitserfordernis des § 23 Abs. 3 WEG wirksam verzichtet werden kann. Dies wird von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Schrifttum verneint (BayObLGZ 1980, 331, 337; OLG Hamm WE 1993, 24, 25; a. A. Bärmann/Pick/Merle § 23 WEG Rn. 100). Folgt man der Rechtsprechung in dieser Frage, was dem Praktiker zu raten ist, so ist ein Beschluß, der im schriftlichen Verfahren ohne Einstimmigkeit gefaßt wird, trotz positiver Beschlußbekanntgabe nichtig.
6. Verwalterhaftung
Für den Verwalter schafft die neue Entscheidung des BGH ein weiteres Haftungsrisiko. Der Verwalter ist in seiner Funktion als Versammlungsleiter nicht nur zur Feststellung und Verkündung verpflichtet, sondern er haftet auch dafür, daß die Feststellung und Verkündung fehlerfrei erfolgt. Insbesondere darf der Verwalter einen positiven Beschluß nur dann verkünden, wenn das erforderliche Stimmenquorum erreicht wurde.
Eine Haftung setzt allerdings ein Verschulden voraus, d. h. der Verwalter muß bei der fehlerhaften Verkündung zumindest fahrlässig gehandelt haben. Welche Anforderungen künftig an die Rechtskenntnisse des Verwalters zu stellen sind, ist derzeit nur schwer abschätzbar. Jedenfalls wird man an einen Verwalter nicht die gleichen Anforderungen stellen können, wie an einen mit dem Wohnungseigentumsrecht befaßten Juristen. Man wird allerdings verlangen können, daß mehrfach entschiedene Rechtsfragen dem professionellen Verwalter bekannt sind.
Des weiteren stellt sich die Frage, ob der Verwalter bei einer fehlerhaften Feststellung und Verkündung verpflichtet ist, der Gemeinschaft die Kosten eines Beschlußanfechtungsverfahrens zu ersetzen. Die Verpflichtung zur Kostenübernahme wäre jedenfalls die konsequente Folge, wenn dem Verwalter eine fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung nachgewiesen wird. Da die Schadensersatzforderungen aber beträchtliche Höhen erreichen können, ist zu vermuten, daß die Gerichte die Grenze des Verschuldens nicht allzu niedrig ansetzen. Dennoch sollte der Verwalter daran denken, in den Verwalterverträgen seine Haftung für leichte Fahrlässigkeit auf einen Höchstbetrag zu begrenzen oder auszuschließen. Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Verwalter allerdings nicht im voraus erlassen werden (§ 276 Abs. 2 BGB).
III. Resümee
Die Feststellung und Verkündung ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung Wirksamkeitsvoraussetzung für Beschlüsse der Wohnungseigentümer. Unterbleibt die Feststellung und Verkündung, liegt ein Nichtbeschluß vor, der keine Rechtswirkungen entfaltet. Eine unterbliebene Feststellung und Verkündung kann durch das Gericht ersetzt werden. Eine unrichtige Feststellung und Verkündung können die Wohnungseigentümer ebenfalls im Beschlußanfechtungsverfahren beseitigen. Unterläßt der Versammlungsleiter pflichtwidrig die Feststellung des Beschlußergebnisses oder unterlaufen ihm dabei schuldhaft Fehler, so haftet er den Wohnungseigentümern auf Ersatz für die Kosten eines gerichtlichen Beschlußmängelverfahrens. Der Versammlungsleiter ist insbesondere verpflichtet, das Zustandekommen eines positiven Beschlusses nur dann zu verkünden, wenn das erforderliche Stimmenquorum erreicht wurde.
Autor: Dr. Egbert Kümmel, Berlin