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Zauberlehrlinge
19.10.2001 (GE 20/2001, Seite 1353) Die Bundesregierung hat Ende August wie berichtet ihr neues Programm zum „Stadtumbau Ost” beschlossen, in dessen Kern eine Prämienzahlung für denjenigen steht, der Wohnraum abreißt. Nach Aufbau jetzt also „Abriß Ost”.
120 DM pro Quadratmeter Abrißprämie sind schon sicher. Die Hälfte davon trägt der Bund, die andere Hälfte das Land, und so mancher hofft, daß die Kommunen noch was drauflegen, weil Abrißkosten von 120 DM/m2 nicht auskömmlich seien. Die Berliner öffentlichen Wohnungsunternehmen haben gerade kürzlich erklärt, die durchschnittlichen Kosten betrügen zwischen 125 bis über 200 DM, und bei solider Mauerwerksbauweise vor 1945 kam man gar auf 450 DM im Mittel. Freilich muß man sich dafür erst einer neuen Terminologie des Begriffs Abbruchkosten bedienen, weil die bisherige Definition in der DIN-Norm 276 nicht alle Kosten enthält, die man gerne unterbringen möchte (Planung, Entkernung, Medientrennung, Abbruch, einfache Grünflächengestaltung).

Überhaupt scheinen die öffentlichen Wohnungsunternehmen mit dem Abriß-Programm, das doch in erster Linie von ihnen gefordert worden war und auf sie zugeschnitten ist, nicht ganz zufrieden zu sein. Seit Wochen drängen sie auf Nachbesserungen und Veränderungen zu ihren Gunsten. Nicht nur die Erhöhung der Abrißfinanzierung pro Quadratmeter Wohnfläche ist das Ziel, auch die Änderung (Verschlechterung) der Investitionszulage in der Modernisierungsförderung ist Zielscheibe der Kritik.

Hinter all dem steckt die nicht unberechtigte Angst, der Zauberlehrling gewesen zu sein, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr los wird. Zu gut deutsch: Die öffentlichen Wohnungsunternehmen haben die nicht unberechtigte Befürchtung, daß das Programm „Stadtumbau Ost” nach folgendem Muster abläuft: Die kommunalen Wohnungsunternehmen reißen Wohnungen ab, die privaten Eigentümer verbessern ihre Bestände und freuen sich über die Marktbereinigung durch ihre öffentlichen Kollegen, die künftig, überspitzt gesagt, dann vermehrt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft haben werden.

Schon gibt es hin und wieder Stimmen im Bereich städtischer und kommunaler Wohnungsunternehmen, daß man nur in dem Maße abreißen werde, wie das auch Private täten, doch macht man sich auf Regierungsebene solche Illusionen nicht. Dort erwartet man vielmehr, daß die notwendige Marktbereinigung (in den neuen Bundesländern stehen 1 Million Wohnungen leer, das entspricht 13 % des Gesamtbestandes) tatsächlich nach dem Muster ablaufen wird: Die Öffentlichen reißen ab, damit die Privaten wieder zu einer vernünftigen Belegung kommen.
Und wenn Wiederholungen nicht so nervig wären, könnte man geneigt sein zu sagen: „Und das ist auch gut so …”

Die in Privathand befindlichen Wohnungen nämlich haben gegenüber den Wohnungen, die im Besitz der kommunalen Wohnungsunternehmen sind, einen schwer zu kompensierenden Vorteil: Sie entsprechen fast immer dem menschlichen Maß. Sind keine Ameisenhochburgen, auf die zu bauen nur Leute kommen, die selbst nicht darin wohnen müssen. Meist befinden sich Wohnungen Privater auch in attraktiverer Lage.

Dabei soll nicht verkannt werden, daß die früheren und heutigen Geschäftsführer oder Vorstände der kommunalen Wohnungsunternehmen wenig oder nichts dafür können, daß sie sich oft in verzweifelter wirtschaftlicher Situation befinden. Gerade in den neuen Bundesländern sind die Geisterstädte Produkte der von der damaligen DDR konzipierten Industrie-Monokultur, die mit der Wende weggebrochen ist. Wenn in Eisenhüttenstadt nun nichts mehr zu verhütten ist, ist mit den zu diesem Zweck gebauten Trabantenstädten auch nichts mehr anzufangen.
Autor: Dieter Blümmel