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Heuschober als Ministerwohnung?
19.10.2001 (GE 20/2001, Seite 1356) Karg ist sie, die märkische Landschaft mit ihren in Sandböden wurzelnden Kiefern und soll einen ebenso karg lebenden Menschenschlag hervorbringen, sagt man jedenfalls. Seit neuestem hat die Anspruchslosigkeit auch einen Namen:
Wolfgang Birthler heißt sie und ist Argarminister im schönen Nachbarland. Wie die meisten Politiker glaubt auch er, sein Land, die Welt und die Geschichte würde ohne ihn nicht auskommen, weshalb er täglich bis Mitternacht über den Akten sitzt und schwitzt, und nun auf den Gedanken verfiel, ins Ministerium zu ziehen. Von seinem riesigen Arbeitszimmer wollte er per Zwischenwand einen Schlafraum abtrennen, wogegen aber das ministerielle Personal etwas hatte, das dem Minister den Kaffee nicht ans Bett bringen wollte. Zweite Idee war dann, in ein leerstehendes Häuschen auf dem Ministerium-Gelände zu ziehen und dort vom Ministerium eine 19-Quadratmeter-Wohnung mit Bad zu mieten (für einen ordentlichen Preis von 12 bis 15 DM/m2) . Doch weder das Finanzministerium noch Birthlers eigener Staatssekretär waren gewillt, den gewünschten Mietvertrag zu unterschreiben, weil die Geschäftsordnung keine Ministerwohnung vorsieht. Weil Birthler mit dem Mietvertrag gerechnet hatte, hat er den Mietvertrag über seine bisherige Behausung in Potsdam-Eiche zum 30. September gekündigt und ist nun obdachlos. Sicherlich würde ihm der eine oder andere Brandenburger Bauer seinen Heuschober zum Übernachten anbieten, doch ist dort das Aktenstudium zu unbequem. Übrigens gab‘s in Berlin mal einen ähnlichen Fall. Der Mann hieß Hans-Jochen Vogel und war für ein paar Monate nach dem Rücktritt des über die Garsky-Affäre gestolperten Dietrich Stobbe Regierender Bürgermeister von Berlin, bevor ihn Richard von Weizsäcker nach Neuwahlen ablöste. Vogel hatte in seinem Arbeitsbereich im Rathaus Schöneberg Dusche nebst Ruheraum, wo er angeblich ein Feldbett (!) aufgestellt hatte, um dort mal ein Viertelstündchen zu ruhen, was aber - wie er suggerierte - selten vorkam: Vogel ließ in seinem Arbeitszimmer die ganze Nacht das Licht brennen, um zu dokumentieren, daß er Tag und Nacht für die Berliner arbeite.