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Eine der ungeklärten neuen Mietrechtsstreitfragen
Gilt stets die dreimonatige Kündigungsfrist des Mieters?
08.10.2001 (GE 19/2001, 1314) Nach § 573 c I 1 n. F. BGB beträgt die Kündigungsfrist des Mieters drei Monate, eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam, Abs. IV. Für Verträge, die nach dem 31. August 2001 abgeschlossen werden, ist diese Rechtslage ganz klar und unzweideutig.
Für Altverträge, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen wurden, ist die Rechtslage jedoch entgegen dem ersten Anschein völlig ungeklärt.
Nach Art. 229 § 3 X EGBGB gilt das Verbot abweichender Vereinbarungen nicht für vertragliche Vereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes, also dem 1. September 2001, getroffen wurden. Nun wurden solche Vereinbarungen ja regelmäßig getroffen; fast alle Altverträge enthalten Kündigungsfristen des Mieters, die die gesetzliche Regelung des § 565 II BGB a. F. mit ihrer Verlängerung der Kündigungsfristen auch für den Mieter wiederholten. Dieses Problem wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen, der Rechtsausschuß des Bundestags sah in dieser Vereinbarung eine bloße Wiederholung der damaligen gesetzlichen Rechtslage ohne eigenständigen Regelungscharakter1).
Das gleiche Problem bestand nach der Wende. Auch in der DDR wiederholten viele Mietverträge formularmäßig die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 120 ZGB. Nach Art. 232 § 2 I EGBGB galt auch für die Altverträge ab dem 3. Oktober 1990 die lange Kündigungsfrist des § 565 II BGB a. F. In der Frage, ob nun kraft dieser Übergangsvorschrift die lange Kündigungsfrist oder kraft der mietvertraglichen Vereinbarung die kurze Kündigungsfrist gelten sollte, neigten die Instanzgerichte zunächst dazu, die lange Kündigungsfrist des BGB anzuwenden, bis der Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 22. Januar 19982) die Fortgeltung der zweiwöchigen Kündigungsfrist kraft mietvertraglicher Vereinbarung anordnete. Obwohl dieses Problem auch in den fünf neuen Ländern genauso bestand, wurde es keinem der dortigen Oberlandesgerichte zwecks Ab-weichung vorgelegt, so daß der Rechtsentscheid des Kammergerichts für diese Frage bis heute präjudiziell ist und davon nur vom Bundesgerichtshof abgewichen werden darf, § 541 ZPO. In diesem Rechtsentscheid hat das Kammergericht ausgeführt, daß die Vorstellung, die Wiederholung der gesetzlichen Vorschriften stelle keine wirksame Vereinbarung, sondern nur eine leere Hülse dar, „offensichtlich nicht haltbar“ sei. Aus der Tatsache, daß von zwingenden Vorschriften abweichende Vereinbarungen unwirksam seien, sei zu schließen, daß der Gesetzgeber vertragliche Vereinbarungen, die mit zwingenden Vorschriften übereinstimmen, als wirksam ansehe.
Weiter legt das Kammergericht dar, daß die Verwendung von Formularverträgen in der DDR allgemein üblich und gesellschaftlich erwünscht gewesen sei, sie habe „sowohl rechtserläuternde als auch vertragsgestaltende Funktion“ gehabt. Letzteres trifft auch für die bundesrepublikanische Wirklichkeit zu. Weiter führt das Kammergericht aus, daß es nicht zutreffe, „daß wörtliche Wiederholungen zwingenden Rechts … mit einer Gesetzesänderung ihre Wirksamkeit verlieren“, an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung hätte sich nicht einmal dann etwas geändert, wenn § 120 II ZGB noch zu DDR-Zeiten geändert worden wäre. Gilt das nicht erst recht, wenn eine halbzwingende Norm, wie es § 565 II a. F. war3), wie-derholt wird? Das Kammergericht meint abschließend, die vertragliche Vereinbarung verliere ihre Wirksamkeit erst dann, wenn sie durch neues zwingendes Recht ersetzt wird, was weder beim Übergangsrecht nach dem Beitritt noch jetzt der Fall war oder ist.
Das Kammergericht legt damit die vertragliche Vereinbarung nach ihrem Zusammenhang mit der Rechtsordnung aus. Diese Auslegung führt zum Ergebnis, daß die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen in Altverträgen weiter gilt. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser Wille des Gesetzgebers hat im Gesetzestext keine „Andeutung“ gefunden, ist aber gleichwohl historisch feststellbar4).
Die Auslegung nach dem Wortsinn versagt m. E. hier, weil die Frage ja die ist, ob die bloße Wiederholung der „alten“ Kündigungsfristen im Formularvertrag „eine Vereinbarung durch Vertrag“ i. S. d. Art. 229 § 3 X EGBGB ist. Formularverträge wiederholen oftmals die einschlägigen (dispositiven oder zwingenden) gesetzlichen Regelungen, damit die Vertragspartner sich die Rechtslage nicht aus dem Gesetz und aus den Geschäftsbedingungen zusammensuchen müssen. Außer im Mietrecht ist dies z. B. bei Reiseverträgen weitgehend üblich. Da der Zweck der Aufnahme dieser Regelung in die AGB also oft nur der ist, die Rechtslage zwecks besserer Übersichtlichkeit zusammenzufassen, kann man nicht allgemein davon sprechen, daß die Wiederholung der gesetzlichen Kündigungsfristen bedeutet, daß diese in den Vertragswillen der Parteien, schon gar des Mieters, aufgenommen wurden. Die Aufnahme bedeutete nicht nur eine Wiederholung des zwingenden Gesetzes. Viele mögen sich darüber nicht klar gewesen sein, jedoch war § 565 II BGB a. F., grob gesprochen, nur halbzwingend. Ohne auf das antiquierte Detail des Abs. II 4 einzugehen, läßt sich doch sagen, daß die Verkürzung der Kündigungsfrist des Mieters und sogar die Verlängerung der Kündigungsfrist beider Seiten (!) zulässig waren, solange bloß die Verlängerung für beide Seiten gleich lang war5).
Oft werden die Parteien sich bei der Wie-derholung der gesetzlichen Kündigungsfrist gar nichts gedacht haben, sondern davon ausgegangen sein, daß es mit diesen Kündigungsfristen „schon seine Richtigkeit haben“ wird, weil sie ja in al-len Formularverträgen, auch im Mustermietvertrag des BMJ, so vorgesehen waren. Sonst ist jede Seite der Ansicht, daß die eigene Kündigungsfrist zu lang und die der Gegenseite zu kurz ist. Da die Formularverträge meist von den Vermietern gestellt wurden, und die Mieter mangels Verhandlungs- oder Marktmacht keine anderen Fristen durchsetzen konnten, die Vermieter aber an einer Abkürzung der Frist des Mieters verständlicherweise kein Interesse hatten, blieb es dann bei der Wiederholung der gesetzlichen Regelung, und zwar nicht mangels Alternativen, sondern als kleinster gemeinsamer Nenner.
Der Gesetzgeber6) meint jedoch, es gebe eine Vermutung dafür, daß die längeren Kündigungsfristen nur informativ in das Vertragsformular übernommen wurden. Werden sie nicht trotzdem durch die Un-terschrift der Parteien in deren Willen aufgenommen? Wollen die Parteien sich nicht sogar bei zwingendem Recht auf die Weise vertraglich binden, wie das Gesetz es befiehlt? Der Rechtsausschuß unterscheidet damit zwischen vertraglichen Vereinbarungen, die man trifft, weil man sie will (z. B. ob man überhaupt ver-mietet oder mietet), und solchen, die man trifft, weil man muß. Diese Unterscheidung ist der Rechtsgeschäftslehre aber fremd, weil das Motiv, warum man sich vertraglich verpflichtet, außer im Fall des § 119 II BGB unerheblich ist. Diese Unterscheidung paßt auch höchstens für die Wiederholung zwingender Vorschriften, was, wie dargelegt, hier nicht der Fall war.
Dem Mietrechtsreformgesetz kann m. E. sehr wohl der objektive Zweck entnommen werden, langfristige Bindungen der Mieter abzuschaffen. Dies kann aus der Zusammenschau der Verkürzung der Kündigungsfrist des Mieters (§ 573 c I BGB n. F.) mit der fast völligen Abschaffung des Zeitmietvertrags (§ 575 I 2 BGB n. F.) gewonnen werden7). Die Übergangsvorschrift für die Zeitmietverträge ist eindeutig: Nach Art. 229 § 3 III EG-BGB gelten für Altverträge die Vorschriften über den „qualifizierten“ Zeitmietvertrag (§ 564 c a. F.) fort. Der befristete Mietvertrag mit Verlängerungsklausel (§ 565 a I a. F.) soll nach Art. 229 § 3 III EGBGB zwar weitergelten, unklar ist jedoch, mit welcher Kündigungsfrist8). Ob-jektiv ist in den Überleitungsvorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB daher eher an-gelegt, daß die Altverträge mit ihren Ver-einbarungen weitergelten und die Reform, was die Beendigungsmöglichkeiten betrifft, nur für Verträge gelten soll, die nach dem Inkrafttreten abgeschlossen werden, die für den Mieter ungünstigeren Verträge also nicht auf die neue Rechtslage umgestellt werden, sondern auslaufen sollen.
Zu diesem Ergebnis führen auch die Wertungsgesichtspunkte, die im intertemporalen Kollisionsrecht sonst gelten9): Mangels ausdrücklicher Übergangsvorschrift gilt das alte Recht fort, und zwar auch bei Dauerschuldverhältnissen10), weil den Parteien nicht unterstellt werden kann, daß sie diesen Vertrag mit die-sem sonstigen Inhalt auch abgeschlossen hätten, wenn sie gewußt hätten, daß der Inhalt durch eine spätere Gesetzesänderung modifiziert wird. Ihnen den Ver-trag mit diesem Inhalt später aufzuzwingen (und zwar, anders als im Fall des Art. 171 EGBGB bei Einführung des BGB, ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit des Vermieters), geriete in bedenkliche Nähe zu einer verfassungsrechtlich problematischen Rückwirkung11).
Zur Fortgeltung der vereinbarten längeren Kündigungsfrist führt also die vom KG gefundene systematische Auslegung und die objektive teleologische Auslegung, gegen die Fortgeltung lediglich der Wille des historischen Gesetzgebers. In diesem Fall gebührt der teleologischen Auslegung der Vorzug12) mit der Folge, daß die vereinbarten längeren Kündigungsfristen des § 565 II BGB a. F. für Altverträge fortgelten.
Es ist nun erwogen worden, die Zulässigkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist an dem AGB-Gesetz zu prüfen13). Dies scheitert daran, daß die Inhaltskontrolle lediglich auf den Vergleich zwischen dem Klauselinhalt und dem Gesetzesrecht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellt14).
Nach der derzeitigen Gesetzesfassung spricht also vieles dafür, daß die verlängerte Kündigungsfrist des Mieters von bis zu einem Jahr (§ 565 II BGB a. F.) bei Altverträgen weitergilt.
Fußnoten:
1) BT-Drucksache 14/5663, 180
2) WuM 1998, 98, 149 = GE 1998, 177 = MM 1998, 77
3) Palandt-Weidenkaff § 565 Rdn. 6
4) Münchner Kommentar-Säcker Einleitung Rdn. 99
5) Emmerich-Sonnenschein § 565 Rdn. 30 f.
6) BT-Drucksache 14/5663, 180
7) Feuerlein WuM 2001, 371
8) Feuerlein GE 2001, 974
9) Beuermann GE 2001, 902
10) Staudinger-Hönle Art. 170 EGBGB Rdn. 4; i. E. auch Münchner Kommentar-Mayer-Maaly § 134 Rdn. 20 und Palandt-Heinrichs § 134 Rdn. 12 b
11) Medicus NJW 1995, 2578
12) Palandt-Heinrichs Einleitung Rdn. 38; Münchner Kommentar-Säcker Einleitung Rdn. 117
13) Bösche WuM 2001, 367
14) Palandt-Heinrichs § 9 AGBG Rdn. 2; Medicus NJW 1995, 2580
Nach Art. 229 § 3 X EGBGB gilt das Verbot abweichender Vereinbarungen nicht für vertragliche Vereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes, also dem 1. September 2001, getroffen wurden. Nun wurden solche Vereinbarungen ja regelmäßig getroffen; fast alle Altverträge enthalten Kündigungsfristen des Mieters, die die gesetzliche Regelung des § 565 II BGB a. F. mit ihrer Verlängerung der Kündigungsfristen auch für den Mieter wiederholten. Dieses Problem wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen, der Rechtsausschuß des Bundestags sah in dieser Vereinbarung eine bloße Wiederholung der damaligen gesetzlichen Rechtslage ohne eigenständigen Regelungscharakter1).
Das gleiche Problem bestand nach der Wende. Auch in der DDR wiederholten viele Mietverträge formularmäßig die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 120 ZGB. Nach Art. 232 § 2 I EGBGB galt auch für die Altverträge ab dem 3. Oktober 1990 die lange Kündigungsfrist des § 565 II BGB a. F. In der Frage, ob nun kraft dieser Übergangsvorschrift die lange Kündigungsfrist oder kraft der mietvertraglichen Vereinbarung die kurze Kündigungsfrist gelten sollte, neigten die Instanzgerichte zunächst dazu, die lange Kündigungsfrist des BGB anzuwenden, bis der Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 22. Januar 19982) die Fortgeltung der zweiwöchigen Kündigungsfrist kraft mietvertraglicher Vereinbarung anordnete. Obwohl dieses Problem auch in den fünf neuen Ländern genauso bestand, wurde es keinem der dortigen Oberlandesgerichte zwecks Ab-weichung vorgelegt, so daß der Rechtsentscheid des Kammergerichts für diese Frage bis heute präjudiziell ist und davon nur vom Bundesgerichtshof abgewichen werden darf, § 541 ZPO. In diesem Rechtsentscheid hat das Kammergericht ausgeführt, daß die Vorstellung, die Wiederholung der gesetzlichen Vorschriften stelle keine wirksame Vereinbarung, sondern nur eine leere Hülse dar, „offensichtlich nicht haltbar“ sei. Aus der Tatsache, daß von zwingenden Vorschriften abweichende Vereinbarungen unwirksam seien, sei zu schließen, daß der Gesetzgeber vertragliche Vereinbarungen, die mit zwingenden Vorschriften übereinstimmen, als wirksam ansehe.
Weiter legt das Kammergericht dar, daß die Verwendung von Formularverträgen in der DDR allgemein üblich und gesellschaftlich erwünscht gewesen sei, sie habe „sowohl rechtserläuternde als auch vertragsgestaltende Funktion“ gehabt. Letzteres trifft auch für die bundesrepublikanische Wirklichkeit zu. Weiter führt das Kammergericht aus, daß es nicht zutreffe, „daß wörtliche Wiederholungen zwingenden Rechts … mit einer Gesetzesänderung ihre Wirksamkeit verlieren“, an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung hätte sich nicht einmal dann etwas geändert, wenn § 120 II ZGB noch zu DDR-Zeiten geändert worden wäre. Gilt das nicht erst recht, wenn eine halbzwingende Norm, wie es § 565 II a. F. war3), wie-derholt wird? Das Kammergericht meint abschließend, die vertragliche Vereinbarung verliere ihre Wirksamkeit erst dann, wenn sie durch neues zwingendes Recht ersetzt wird, was weder beim Übergangsrecht nach dem Beitritt noch jetzt der Fall war oder ist.
Das Kammergericht legt damit die vertragliche Vereinbarung nach ihrem Zusammenhang mit der Rechtsordnung aus. Diese Auslegung führt zum Ergebnis, daß die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen in Altverträgen weiter gilt. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser Wille des Gesetzgebers hat im Gesetzestext keine „Andeutung“ gefunden, ist aber gleichwohl historisch feststellbar4).
Die Auslegung nach dem Wortsinn versagt m. E. hier, weil die Frage ja die ist, ob die bloße Wiederholung der „alten“ Kündigungsfristen im Formularvertrag „eine Vereinbarung durch Vertrag“ i. S. d. Art. 229 § 3 X EGBGB ist. Formularverträge wiederholen oftmals die einschlägigen (dispositiven oder zwingenden) gesetzlichen Regelungen, damit die Vertragspartner sich die Rechtslage nicht aus dem Gesetz und aus den Geschäftsbedingungen zusammensuchen müssen. Außer im Mietrecht ist dies z. B. bei Reiseverträgen weitgehend üblich. Da der Zweck der Aufnahme dieser Regelung in die AGB also oft nur der ist, die Rechtslage zwecks besserer Übersichtlichkeit zusammenzufassen, kann man nicht allgemein davon sprechen, daß die Wiederholung der gesetzlichen Kündigungsfristen bedeutet, daß diese in den Vertragswillen der Parteien, schon gar des Mieters, aufgenommen wurden. Die Aufnahme bedeutete nicht nur eine Wiederholung des zwingenden Gesetzes. Viele mögen sich darüber nicht klar gewesen sein, jedoch war § 565 II BGB a. F., grob gesprochen, nur halbzwingend. Ohne auf das antiquierte Detail des Abs. II 4 einzugehen, läßt sich doch sagen, daß die Verkürzung der Kündigungsfrist des Mieters und sogar die Verlängerung der Kündigungsfrist beider Seiten (!) zulässig waren, solange bloß die Verlängerung für beide Seiten gleich lang war5).
Oft werden die Parteien sich bei der Wie-derholung der gesetzlichen Kündigungsfrist gar nichts gedacht haben, sondern davon ausgegangen sein, daß es mit diesen Kündigungsfristen „schon seine Richtigkeit haben“ wird, weil sie ja in al-len Formularverträgen, auch im Mustermietvertrag des BMJ, so vorgesehen waren. Sonst ist jede Seite der Ansicht, daß die eigene Kündigungsfrist zu lang und die der Gegenseite zu kurz ist. Da die Formularverträge meist von den Vermietern gestellt wurden, und die Mieter mangels Verhandlungs- oder Marktmacht keine anderen Fristen durchsetzen konnten, die Vermieter aber an einer Abkürzung der Frist des Mieters verständlicherweise kein Interesse hatten, blieb es dann bei der Wiederholung der gesetzlichen Regelung, und zwar nicht mangels Alternativen, sondern als kleinster gemeinsamer Nenner.
Der Gesetzgeber6) meint jedoch, es gebe eine Vermutung dafür, daß die längeren Kündigungsfristen nur informativ in das Vertragsformular übernommen wurden. Werden sie nicht trotzdem durch die Un-terschrift der Parteien in deren Willen aufgenommen? Wollen die Parteien sich nicht sogar bei zwingendem Recht auf die Weise vertraglich binden, wie das Gesetz es befiehlt? Der Rechtsausschuß unterscheidet damit zwischen vertraglichen Vereinbarungen, die man trifft, weil man sie will (z. B. ob man überhaupt ver-mietet oder mietet), und solchen, die man trifft, weil man muß. Diese Unterscheidung ist der Rechtsgeschäftslehre aber fremd, weil das Motiv, warum man sich vertraglich verpflichtet, außer im Fall des § 119 II BGB unerheblich ist. Diese Unterscheidung paßt auch höchstens für die Wiederholung zwingender Vorschriften, was, wie dargelegt, hier nicht der Fall war.
Dem Mietrechtsreformgesetz kann m. E. sehr wohl der objektive Zweck entnommen werden, langfristige Bindungen der Mieter abzuschaffen. Dies kann aus der Zusammenschau der Verkürzung der Kündigungsfrist des Mieters (§ 573 c I BGB n. F.) mit der fast völligen Abschaffung des Zeitmietvertrags (§ 575 I 2 BGB n. F.) gewonnen werden7). Die Übergangsvorschrift für die Zeitmietverträge ist eindeutig: Nach Art. 229 § 3 III EG-BGB gelten für Altverträge die Vorschriften über den „qualifizierten“ Zeitmietvertrag (§ 564 c a. F.) fort. Der befristete Mietvertrag mit Verlängerungsklausel (§ 565 a I a. F.) soll nach Art. 229 § 3 III EGBGB zwar weitergelten, unklar ist jedoch, mit welcher Kündigungsfrist8). Ob-jektiv ist in den Überleitungsvorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB daher eher an-gelegt, daß die Altverträge mit ihren Ver-einbarungen weitergelten und die Reform, was die Beendigungsmöglichkeiten betrifft, nur für Verträge gelten soll, die nach dem Inkrafttreten abgeschlossen werden, die für den Mieter ungünstigeren Verträge also nicht auf die neue Rechtslage umgestellt werden, sondern auslaufen sollen.
Zu diesem Ergebnis führen auch die Wertungsgesichtspunkte, die im intertemporalen Kollisionsrecht sonst gelten9): Mangels ausdrücklicher Übergangsvorschrift gilt das alte Recht fort, und zwar auch bei Dauerschuldverhältnissen10), weil den Parteien nicht unterstellt werden kann, daß sie diesen Vertrag mit die-sem sonstigen Inhalt auch abgeschlossen hätten, wenn sie gewußt hätten, daß der Inhalt durch eine spätere Gesetzesänderung modifiziert wird. Ihnen den Ver-trag mit diesem Inhalt später aufzuzwingen (und zwar, anders als im Fall des Art. 171 EGBGB bei Einführung des BGB, ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit des Vermieters), geriete in bedenkliche Nähe zu einer verfassungsrechtlich problematischen Rückwirkung11).
Zur Fortgeltung der vereinbarten längeren Kündigungsfrist führt also die vom KG gefundene systematische Auslegung und die objektive teleologische Auslegung, gegen die Fortgeltung lediglich der Wille des historischen Gesetzgebers. In diesem Fall gebührt der teleologischen Auslegung der Vorzug12) mit der Folge, daß die vereinbarten längeren Kündigungsfristen des § 565 II BGB a. F. für Altverträge fortgelten.
Es ist nun erwogen worden, die Zulässigkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist an dem AGB-Gesetz zu prüfen13). Dies scheitert daran, daß die Inhaltskontrolle lediglich auf den Vergleich zwischen dem Klauselinhalt und dem Gesetzesrecht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellt14).
Nach der derzeitigen Gesetzesfassung spricht also vieles dafür, daß die verlängerte Kündigungsfrist des Mieters von bis zu einem Jahr (§ 565 II BGB a. F.) bei Altverträgen weitergilt.
Fußnoten:
1) BT-Drucksache 14/5663, 180
2) WuM 1998, 98, 149 = GE 1998, 177 = MM 1998, 77
3) Palandt-Weidenkaff § 565 Rdn. 6
4) Münchner Kommentar-Säcker Einleitung Rdn. 99
5) Emmerich-Sonnenschein § 565 Rdn. 30 f.
6) BT-Drucksache 14/5663, 180
7) Feuerlein WuM 2001, 371
8) Feuerlein GE 2001, 974
9) Beuermann GE 2001, 902
10) Staudinger-Hönle Art. 170 EGBGB Rdn. 4; i. E. auch Münchner Kommentar-Mayer-Maaly § 134 Rdn. 20 und Palandt-Heinrichs § 134 Rdn. 12 b
11) Medicus NJW 1995, 2578
12) Palandt-Heinrichs Einleitung Rdn. 38; Münchner Kommentar-Säcker Einleitung Rdn. 117
13) Bösche WuM 2001, 367
14) Palandt-Heinrichs § 9 AGBG Rdn. 2; Medicus NJW 1995, 2580
Autor: RA Albrecht Feuerlein