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Die Rückgängigmachung von Beitrittserklärungen
Atypischer stiller Gesellschafter an Immobilien-AGS
27.08.2001 (GE 16/2001, 1103) In den letzten Jahren hat eine Vielzahl von Anlegern den Beitritt als atypisch stiller Gesellschafter an einer Immobilien-AG gezeichnet. Mittlerweile wollen viele Anleger aus der Gesellschafterstellung herauskommen und ihre Einlagen zurückerhalten. Im Blickpunkt steht dabei insbesondere die EURO-Gruppe aus Würzburg, die über ihre Vertriebsgesellschaft, die AVB GmbH, die Beteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter an der GOJ Immobilienhandel, der Schober Immobilienhandel AG, der IBEKA Immobilien Beteiligungen AG und der Lenz Immobilienhandel AG vertreibt.
Insbesondere in den letzten zwei vergangenen Jahren haben diese Firmen eine Vielzahl von Anlegern mit angeblich lukrativen Renditeversprechen an Land ziehen können. In den Prospekten dieser Firmen wurde in der Vergangenheit mit Mindestverzinsungen von 6 % der erbrachten Einlage jahresdurchschnittlich ergebnisunabhängig geworben. Weiterhin wurden viele Anleger überredet ihre Lebensversicherungen aufzulösen und die Rückkaufswerte als Einlage einzubringen. Weiterhin soll die Einlage in monatlichen Raten über einen Zeitraum von 15 bzw. 30 Jahren erbracht werden.
Im folgenden sollen die Möglichkeiten der Anleger aufgezeigt werden, wobei insbesondere auch die bisher ergangene Rechtsprechung skizziert werden soll.

Problematik der
fehlerhaften Gesellschaft
Sofern der Beitritt des atypisch stillen Gesellschafters vollzogen ist, taucht die Problematik der fehlerhaften Gesellschaft auf, wonach der fehlerhafte Beitritt nicht von Anfang an, sondern nur für die Zukunft unwirksam ist, und die Rechtsfolgen nicht in der Rückgewähr des Geleisteten, sondern in der Abwicklung nach den Regeln des Gesellschaftsvertrages bestehen.1)
Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gelten nach der Rechtsprechung des BGH auch für die Stellung des atypisch stillen Gesellschafters.2)

Insofern taucht die Frage auf, wann der Beitritt als atypisch stiller Gesellschafter vollzogen ist. Das OLG Hamburg3) hat in einer Entscheidung vom 14. Juli 1999 wie folgt ausgeführt:
„Dabei ist nicht auf die Gesellschaft selbst abzustellen, die schon vorher bestanden hat und im Rechtsverkehr aufgetreten ist; abzustellen ist vielmehr darauf, ob der Beitritt der Kläger vollzogen worden ist. Das ist erst der Fall, wenn der Beitretende Beiträge geleistet hat oder gesellschaftliche Rechte ausgeübt hat … Denn nach den Vertragsbestimmungen betrafen die sogenannten Kontoeröffnungszahlungen und die geringfügigen weiteren Zahlungen nur das Agio, das wiederum zur Deckung der Emissionskosten, nicht für Investitionszwecke zur Verfügung steht. Die bisherigen Zahlungen wurden also nicht auf die Einlage geleistet. In diesem Anfangsstadium, das den stillen Gesellschafter noch von der Gewinnbeteiligung und der Möglichkeit der Entnahme ausschließt, kann von einem Vollzug des Beitritts noch nicht gesprochen werden.“

Sofern das Agio daher noch nicht vollständig eingezahlt worden ist, kann festgehalten werden, daß der Rückforderung der Einlage die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegenstehen.
Sollten bereits Zahlungen auf die Einlage erfolgt sein, stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einer Zahlungsklage auf Rückforderung der getätigten Einlagen entgegen.
In diesem Falle ist neben der Feststellungsklage, daß der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, eine Klage auf eine Abschichtungsbilanz zu erheben.

Das LG Berlin hat in einem Urteil vom 12. Juli 20014) eine AG der EURO-Gruppe daher verurteilt, eine Abschichtungsbilanz per Austrittsdatum für die Klägerin zu erstellen und in diese Abschichtungsbilanz einen Schadensersatzanspruch zugunsten der Klägerin einzustellen darauf gerichtet, so gestellt zu werden, wie sie gestanden hätte, wenn sie der Beklagten nicht beigetreten wäre. Die Urteilsgründe lagen bei Abfassung dieses Aufsatzes noch nicht vor.

Sofern Ansprüche aus dem HaustürWG bestehen, was das LG Dortmund5) in einem Urteil gegen die EURO-Gruppe bestätigt hat, stellt sich die Frage, ob auch hier die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zur Anwendung kommen. Das OLG Rostock hat in einem Urteil vom 1. März 2001 die Auffassung vertreten, daß die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft der Anwendbarkeit des HaustürWG nicht entgegenstehen.6)
Angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung Bestand hat. Die Argumente des OLG Rostock sind jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Verletzung von Aufklärungspflichten
Voraussetzung für eine Rückgängigmachung des Beitritts ist die Verletzung von Aufklärungspflichten, die nach den Grundsätzen von culpa in contrahendo zu einer Abwicklung des Vertragsverhältnisses führt.
Das Landgericht Würzburg7) hat in einem Urteil vom 12. August 2000 einer Aktiengesellschaft der EURO-Gruppe gegen Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM untersagt, mit einem Renditeversprechen von 6 % ertragsunabhängig zu werben.

In der bereits erwähnten Entscheidung des OLG Hamburg8) hat das Gericht auch umfangreich zu dem Emissionsprospekt einer AG der EURO-Gruppe Stellung genommen.
Im einzelnen führt das Gericht wie folgt aus:
„Der Prospekt führt auf Seite 1 in plakativer Weise die wesentlichen Punkte des Beteiligungsangebots auf, sichert hierbei eine ergebnisunabhängige Mindestverzinsung von 6 % zu und gibt eine Gewinnprognose von 8 bis 10 %. Verschwiegen wird, daß Ratenanleger, zu denen auch die Kläger gehören, auf diese Zinsen während der Laufzeit nicht zugreifen können; sie sind auch sonst nicht zu Entnahmen berechtigt. Denn wie der Gesellschaftsvertrag unter § 12 Nr. 2 und der Prospekt an versteckter Stelle (Seiten 8 f.) erläutern, erhalten Ratenanleger ihre Gewinnanteile erst zum Schluß der Anlagedauer ausgezahlt. […] Dieser wesentliche Punkt hätte einer deutlichen Klarstellung bedurft.

Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, daß über die Folgen der Dynamisierungsklausel und das dadurch erhöhte Verlust- und Insolvenzrisiko nicht hinreichend aufgeklärt wird … Auch wenn die jährliche Erhöhung der Raten um 5 % jeweils nur auf den vereinbarten Betrag von 200 DM berechnet wird, nicht auf den im jeweiligen Vorjahr gezahlten dynamisierten Ratenbetrag, führt die Dynamisierung innerhalb von 15 Jahren zu einer Erhöhung der Einlage um 75 % der Einlage von 75.000 DM zuzüglich des Agios von 6.000 DM und damit zu finanziellen Risiken in einer Größenordnung, die deutlich zu machen war. […]

Nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 5 Nr. 4) werden sowohl die Anzahlung als auch die Raten so lange auf das Agio gezahlt, bis es - im Falle der Kläger in Höhe von 6.000 DM - getilgt ist. Hierüber klärt der Prospekt unzureichend auf. Insbesondere fehlt ein Hinweis darauf, daß die Kläger mit den durch Kündigung der Lebensversicherung aufgebrachten 2.000 DM und mit der anschließenden fast zweijährigen Ratenzahlung nicht am Gewinn, auch nicht an der Mindestverzinsung, teilnehmen.“
Ferner bemängelt das OLG Hamburg, daß aussagekräftige unternehmerische Kennzahlen nicht vorgelegt werden. Abschließend ist anzumerken, daß seit Anfang 2001 die EURO-Gruppe daher mit abgeänderten Prospekten Anleger wirbt.

Fußnoten:
1) BGH NJW 1992,1501,1502
2) BGH NJW 1993, 2107 f.
3) OLG Hamburg, Urteil vom 14.Juli 1999 - 11 U 15/99 -
4) 20.O.49/01
5) Urteil vom 27. Juli 2000 - 2.O.198/00 -
6) OLG Rostock BB 2001, 904 ff.
7) 1IH O 1940/99
8) siehe Fußnote 3
Autor: RA Dirk Domrich