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Wohnungsbaugesellschaften
04.10.2000 (GE 12/2000, 760) „Keiner traut keinem“, sagt der Geschäftsführer einer großen städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Und ein anderer: „Ich traue nicht einmal mehr meinen alten Freunden“.
Eine Branche, die bisher eher wie ein monolithischer Block wirkte und agierte, wird plötzlich brüchig aufgrund der täglich mehrmals gestellten Frage: Wer kauft wen zu welchem Preis? Geld für diese In-Sich-Geschäfte, mit denen der Berliner Senat seine leeren Taschen füllen will statt ernsthaft zu sparen (Stichwort: betriebsbedingte Kündigungen), hat so gut wie keine städtische Gesellschaft - die GeSoBau ausgenommen, die am liebsten alles kaufen will, dazu später. Aber beim Finanzsenator steht der neue Staatssekretär Hugo Holzinger und hält die Hand auf, und Holzinger glaubt, die Schmerzgrenzen der Wohnungsbaugesellschaften zu kennen. Na ja. Im Moment jedenfalls ist die Gefechtslage völlig undurchsichtig, das als sicher gehandelte In-Sich-Geschäft „DEGEWO kauft Wohnungsbaugesellschaft Marzahn” - das stand am 6. Juni noch auf Senator Peter Strieders Handzettel, am 7. Juni nicht mehr - ist offenbar geplatzt. Zunächst sollte ja bekanntlich die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn kaufen und 250 Mio. DM bezahlen. Stadt und Land hatte sich bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Domus (das ist die hauseigene Prüfungsgesellschaft des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen) ein Gutachten bestellt, daß die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn höchstens 200 Mio. DM wert sei. Doch auch das ist zu hoch, weshalb der Aufsichtsrat von Stadt und Land seinen Geschäftsführern verbot, die WBG Marzahn zu kaufen. Denn die könnte tatsächlich Verlust bringen. Dann verfiel der Finanzsenator auf die DEGEWO als Käufer. Deren Geschäftsführer Thies-Martin Brandt ist aber viel zu sehr Norddeutscher, als daß er sich auf politische Handel einläßt, da geht er schon lieber politische Händel ein. Er hat jedenfalls, wie man hört, auch ein Gutachten einholen lassen mit der Frage: Was ist denn die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn wirklich wert? Der Gutachter soll zu dem Ergebnis gekommen sein: 50 Mio., und wenn die Immobilienwelt wieder ganz ganz rosig wird, 100 Mio. Das hat die DEGEWO offenbar gemittelt und 75 Mio. geboten, was angesichts der Risiken, die Marzahn mit sich bringt, immer noch ein wagemutiger Schritt für einen hanseatischen Kaufmann ist (die WBG Marzahn hat 700 Mio. Schulden bei der KfW, die sie demnächst mit 5 % p. a. tilgen muß). Finanz-Staatssekretär Hugo Holzinger soll bei dem 75-Mio.-Angebot getobt haben. Aber schließlich kann man ja den Geschäftsführer einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft nicht einfach rausschmeißen. Und schon gar nicht, wenn der noch einen längerlaufenden Vertrag hat und zusätzlich mit Karl Kauermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Berliner Volksbank, einen Aufsichtsratsvorsitzenden in seinem Rücken weiß, der als exzellenter Sanierer bekannt ist. Aber vielleicht landet auch die WBG Marzahn letztlich in den Taschen der GESOBAU, die sich richtig auf Shopping-Tour befindet, womit sich vor allem das GESOBAU-Vorstandsmitglied Jürgen Lüdtke die Sympathien mancher Freunde verscherzt. So soll die GESOBAU die noch in Landeshand befindlichen 25 % GEHAG-Anteile kaufen - 300 bis 350 Mio. DM könnte das Paket wert sein. Außerdem war im Gespräch, daß die GESOBAU die Wohnungsbaugesellschaften WIR und WIP kaufen sollte, und zwar für 200 plus 50 Mio. interne Ausplünderung (Ausplündern: WIR kauft die WIP für 50 Mio. und liefert diese beim Senat ab, GESOBAU kauft WIP für 200 Mio., wodurch unterm Strich 250 Mio. beim Senat landen). Die 250 Mio. waren der GESOBAU zu viel. Aber weil bei diesem Monopoly-Spiel alles denkbar ist, kam die GEWOBAG - ihrerseits in Furcht, privatisiert zu werden - und bot plötzlich für WIR und WIP 300 Mio. plus 50 Mio. interner Ausplünderung. Immerhin ist die GESOBAU beim GEHAG-Restpaket noch im Rennen. Aber da die Gesellschaft statt der vom Finanzsenator geforderten 350 Mio. nur 300 bezahlen will, ging GESOBAU-Vorstandsmitglied Jürgen Lüdtke (dem ein besonders gutes Verhältnis zu Stadtentwicklungssenator Peter Strieder nachgesagt wird) einen anderen Weg: Eigentlich wolle er ja 500 oder 600 Mio. an das Land abliefern, doch möchte er dafür auch noch die Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen einschließlich Lichtenberg dazuhaben. Der Gipfel des Monopoly-Spiels dürfte sein, wie der Senat den Verkauf der GSW vorbereitet. Also nicht etwa wie ein Autobesitzer, der seinen Gebrauchtwagen verkaufen will und ihn vorher auf Hochglanz poliert, die Sitze säubert, Motorwäsche und Ölwechsel vornehmen läßt. Nein, im Gegenteil. Die Braut wird nicht geputzt, sondern ganz häßlich gemacht (Verkauf von Wohnungen nur an Mieter und Bewohnergenossenschaften, zusätzliche Verpflichtung zur Unterstützung der strukturpolitischen Ziele Berlins und und und), damit auf jeden Fall eines erreicht wird: Die Braut GSW muß so häßlich sein, daß am Ende nur die Bankgesellschaft Berlin sie kauft.