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Reicht für die Räumung ein Titel gegen die GbR?
26.07.2001 (GE 14/2001, 967) Der Fall: Vermieter V. hatte Räume zum Betrieb einer Werkstatt an die A. und B. GbR vermietet und nach fristloser Kündigung wegen nicht gezahlter Mieten gegen die GbR ein Räumungsurteil erstritten. Der Gerichtsvollzieher weigert sich, die Vollstreckung durchzuführen, da die Gesellschafter nicht namentlich im Urteil erwähnt sind. Zu Recht?
Einleitung
1 Nach dem Urteil des BGH zur Rechtsfähigkeit der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GE 2001, 276) sind allein in dieser Zeitschrift in kurzen Abständen drei Beiträge zu den Konsequenzen erschienen (Beuermann GE 2001, 403; Schmid GE 2001, 753; Armbrüster GE 2001, 821). Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sei auf die Beiträge in anderen Zeitschriften hingewiesen: Habersack (BB 2001, 477); Ulmer (ZIP 2001, 585); Schmidt (NJW 2001, 993); Wieser (MDR 2001, 421) und Jacoby (ZMR 2001, 409). Schon die Vielzahl der Beiträge belegt, daß mit dem Urteil des BGH die Probleme nicht gelöst sind, sondern sich zahlreiche neue Fragen stellen, die erst nach und nach von der Praxis gelöst werden können.
2 Die Frage, wer bei einer GbR als Mieterin im Räumungstitel erwähnt werden muß, wird nur von Schmid (GE 2001, 755) und von Armbrüster (GE 2001, 827) erörtert; beide Autoren sind der Auffassung, die Gesellschafter müßten namentlich im Urteil erwähnt werden, da sonst eine Räumungsvollstreckung nicht möglich sei. Diese Auffassung erscheint unzutreffend.
Innengesellschaft/Außengesellschaft
3 Das Urteil des BGH gilt nur für Außengesellschaften, während bei Innengesellschaften alles beim alten bleibt. Hier müssen nach wie vor die Gesellschafter verklagt werden und auch im Räumungstitel erwähnt sein. Eine Klage gegen die Gesellschaft selbst wäre unzulässig, da diese nicht parteifähig ist. Die Abgrenzung ist allerdings „als Rechtsanwendungsaufgabe beklemmend“ (Schmidt NJW 2001, 1001) und insbesondere im Bereich des Mietrechts äußerst zweifelhaft. Ob tatsächlich das Ehepaar, das gemeinsam eine vermietete Eigentumswohnung kauft, eine rechtsfähige Außengesellschaft als Vermieterin bildet (zweifelnd Armbrüster GE 2001, 823 f.; verneinend Schmidt NJW 2001, 1003), ist ebensowenig geklärt wie der umgekehrte Fall der Mietermehrheit, z. B. bei einer Wohngemeinschaft. Schmid (GE 2001, 753) und Armbrüster (GE 2001, 824) nehmen wohl eine Außengesellschaft an, während insbesondere Ulmer (ZIP 2001, 592) das verneint.
4 Nach der hier vertretenen Auffassung liegt im Bereich des Mietrechts eine Innengesellschaft dann vor, wenn nur einzelne Vermögensgegenstände gehalten und verwaltet werden, also z. B. die Vermietung einer Eigentumswohnung durch Bruchteilseigentümer (vgl. Schmidt NJW 2001, 1003). Spiegelbildlich gilt das auch für den Fall der Wohngemeinschaft, die über den gemeinsamen Abschluß des Mietvertrages nicht sonst im Rechtsverkehr gegenüber Dritten als GbR auftritt (noch enger z. B. Ulmer ZIP 2001, 599). Bei einer Mehrheit von Eigentümern eines Miethauses ist zu differenzieren: Eine Erbengemeinschaft ist ebensowenig eine Außengesellschaft wie eine Miteigentümergemeinschaft (nach Bruchteilen), etwa zwischen Eltern und Kindern. Anders ist es dagegen in den Fällen, in denen eine GbR (zum Zwecke der Steuerersparnis) ein Hausgrundstück erwirbt und die einzelnen Wohnungen vermietet. Auf der Mieterseite ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Außengesellschaft im wesentlichen nur bei Kleingewerblern (Schmidt NJW 2001, 1001) oder bei einer Freiberufler-Sozietät anzunehmen, etwa wenn mehrere Rechtsanwälte Büroräume mieten. Die folgenden Ausführungen gelten nur für den Fall der Außengesellschaft.
Gewahrsam und Besitz
5 Nach § 885 ZPO hat bei der Räumung der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen. Anders als bei der Pfändung von beweglichen Sachen (§ 808 ZPO) kommt es also nicht auf den Gewahrsam, sondern die rein tatsächliche Herrschaft an (vgl. Thomas-Putzo, 23. Aufl. 2001, Rn. 3 zu § 808 BGB). Für den Besitz nach § 854 BGB reicht die tatsächliche Gewalt allein nicht aus, sondern es müssen noch andere Kriterien hinzukommen, wie etwa ein Besitzbegründungswille (vgl. Palandt-Bassenge, 60. Aufl. Rn. 4 zu § 854 BGB). Trotz tatsächlicher Sachherrschaft ist der Besitzdiener (§ 855 BGB) kein Besitzer, weswegen etwa Mitarbeiter eines Betriebes in einem Räumungsurteil nicht aufgeführt werden müssen (vgl. Palandt-Bassenge, Rn. 7 zu § 855 BGB).
Familienangehörige als Besitzer
6 Der Gesetzgeber der ZPO ging davon aus, daß allein der Mieter (Ehemann) Besitzer war, während Familienangehörige (Ehefrau, Kinder) lediglich als Besitzdiener anzusehen seien, so daß bei einem Räumungsurteil gegen den Ehemann die Vollstreckung gegen Familienangehörige ohne weiteres möglich war (vgl. Schuschke NZM 1998, 61). Nun ist eine solche Sicht, die die Ehefrau oder erwachsene Kinder als bloße abhängige Besitzdiener auffaßt, längst überholt, weswegen die früher herrschende Meinung, ein Räumungstitel gegen den Alleinmieter reiche aus, von vielen Gerichten nicht mehr geteilt wird (vgl. etwa KG NJW-RR 1994, 713 und die Übersicht bei Schuschke NZM 1998, 58 ff.). Das als maßgeblich angesehene Abgrenzungskriterium, es komme darauf an, ob der Besitzer sein Besitzrecht vom Vermieter oder vom Mieter herleite, wird im Gesetz nicht erwähnt und ist insbesondere für den Fall der Untermiete durchbrochen, bei dem nach dazu einhelliger Auffassung ein Räumungstitel auch gegen den Untermieter erforderlich ist (Stein/Jonas/Brehm, 21. Aufl. Rn. 16 zu § 885 ZPO).
7 Auf die Rechtsprechung, nach der grundsätzlich ein Räumungstitel gegen jeden Besitzer nötig ist, bezieht sich etwa Schmid (GE 2001, 755), wenn er einen Räumungstitel gegen jeden Gesellschafter verlangt. Zu prüfen ist also, wer bei der (rechtsfähigen) GbR Besitzer ist.
Die GbR als Besitzerin
8 Der BGH wendet auf die BGB-Gesellschaft weitgehend das Recht der OHG an. Eine offene Handelsgesellschaft ist zwar nicht rechtsfähig, wird aber wie eine rechtsfähige Person behandelt. Rechtsfähig sind etwa eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH. Solche juristischen Personen üben einen eigenen unmittelbaren Besitz durch ihre Geschäftsführungsorgane aus (Erman/Werner, 10. Aufl. 2000 Rn. 6 zu § 854 BGB); sie haben „Organbesitz“ (MüKo-Joost, 3. Aufl. 1997 Rn. 32 zu § 854 BGB); die Organe haben daneben trotz tatsächlicher Sachherrschaft keinen eigenen Besitz im Rechtssinne (MüKo-Joost, a. a. O. Rn. 34). Das gilt auch für die OHG und die KG, bei der die tatsächliche Sachherrschaft der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet wird (MüKo-Joost, a. a. O. Rn. 38; Palandt-Bassenge, Rn. 15 zu § 854 BGB). Die Kommanditisten einer KG sind ohnehin nicht Besitzer (BGH NJW 1972, 43).
9 Für eine rechtsfähige GbR gilt das gleiche (MüKo-Joost a. a. O. Rn. 39 ff.); die entgegenstehende Entscheidung des BGH (BGHZ 86, 340), wonach die Gesellschafter Mitbesitz haben, ist überholt, da dort der BGH noch nicht von der Rechtsfähigkeit der GbR ausging. Zwingende Folgen der Annahme der GbR als Rechtssubjekt, also als Träger von Rechten und Pflichten, ist, sie nicht nur als mögliche Eigentümerin, sondern auch als Besitzerin anzuerkennen (vgl. auch Schmidt Gesellschaftsrecht § 60 II 3).
10 Daneben sind wie bei einer OHG die Gesellschafter nicht als Besitzer anzusehen. Anders als bei der Streitfrage des Räumungstitels gegen Familienangehörige, wo die Besitzerstellung der nicht mietenden Ehefrau unzweifelhaft ist, ergibt sich hier aus Rechtsgründen, daß trotz tatsächlicher Sachherrschaft der Besitz allein der Gesellschaft zugerechnet wird. Ein Räumungstitel gegen die GbR ist also ausreichend, aber auch erforderlich.
Folgerungen für die Praxis
11 Steht fest, daß es sich um eine Außengesellschaft handelt, ist diese auf Räumung zu verklagen. Eine Räumungsklage gegen die Gesellschafter reicht nicht und wäre darüber hinaus auch mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen. Diese sind nicht Besitzer, gegen sie ist kein Räumungstitel erforderlich. Ist nur gegen sie ein Räumungsurteil ergangen, ist die Zwangsvollstreckung gegen die GbR als Besitzerin nicht möglich.
12 Fraglich sind die Zweifelsfälle, in denen nicht abzusehen ist, ob das Gericht eine Innen- oder Außengesellschaft annehmen wird. Hier empfiehlt es sich, sowohl die Gesellschaft als auch die Gesellschafter auf Räumung zu verklagen, da es jedenfalls bei unklarer Rechtslage nicht am Rechtsschutzbedürfnis (eines Titels gegen die einzelnen Gesellschafter) fehlen kann. Die mögliche Abweisung der Klage gegen die nicht rechtsfähige Innengesellschaft stellt dann das geringere Risiko dar. Ob das Gericht verpflichtet ist, einer Bitte nach rechtlichem Hinweis zu entsprechen, ist zweifelhaft, da § 278 ZPO nur Überraschungsentscheidungen verhindern will, das Gericht aber nicht dazu zwingt, schon vor Urteilserlaß eine abschließende rechtliche Beurteilung den Parteien mitzuteilen.
13 Zweifelhaft sind auch die Übergangsfälle, in denen etwa entsprechend der früheren Rechtsauffassung ein Räumungsurteil gegen die einzelnen Gesellschafter der rechtsfähigen GbR zu vollstrecken ist. Hier müssen aus Gründen des Vertrauensschutzes mit „Augenmaß für die Praxis angemessene Übergangslösungen“ entwickelt werden (Armbrüster GE 2001, 825). Wenn man nicht eine bloße Titelberichtigung zulassen will (weil eine Klage gegen alle Gesellschafter sich im Zweifel auch gegen die Gesellschaft richtet: Wieser MDR 2001, 423), kommt jedenfalls eine entsprechende Anwendung des § 727 ZPO in Betracht, wonach der Titel umgeschrieben werden kann.
Ergebnis: Der Gerichtsvollzieher weigert sich zu Unrecht, die Räumung aufgrund eines Titels gegen die GbR durchzuführen. Eine Erinnerung des Vermieters (§ 766 ZPO) mit dem Ziel, den Gerichtsvollzieher durch das Gericht zur Fortführung der Zwangsvollstreckung anweisen zu lassen, wäre erfolgreich.
PS: Wegen der besonderen praktischen Bedeutung ist - über die Räumungsproblematik hinaus - auf die kurze Verjährung nach § 558 BGB a. F. = § 548 n. F. hinzuweisen. Alle Ansprüche des Vermieters verjähren in sechs Monaten, beginnend mit der Rückgabe. Sind nur die Gesellschafter verklagt (was an sich im Passivprozeß möglich ist), wird die Verjährung nicht unterbrochen (vgl. im einzelnen Armbrüster GE 2001, 831). Da die Gesellschafter nur akzessorisch haften, nämlich für und anstelle der Gesellschaft, können sie die Einrede der Verjährung dann erheben, wenn ein Anspruch gegen die Gesellschaft verjährt wäre. Eine Klage gegen die Außengesellschaft ist daher in diesen Fällen zwingend geboten; ein Rechtsanwalt, der dies unterläßt, macht sich regreßpflichtig.
1 Nach dem Urteil des BGH zur Rechtsfähigkeit der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GE 2001, 276) sind allein in dieser Zeitschrift in kurzen Abständen drei Beiträge zu den Konsequenzen erschienen (Beuermann GE 2001, 403; Schmid GE 2001, 753; Armbrüster GE 2001, 821). Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sei auf die Beiträge in anderen Zeitschriften hingewiesen: Habersack (BB 2001, 477); Ulmer (ZIP 2001, 585); Schmidt (NJW 2001, 993); Wieser (MDR 2001, 421) und Jacoby (ZMR 2001, 409). Schon die Vielzahl der Beiträge belegt, daß mit dem Urteil des BGH die Probleme nicht gelöst sind, sondern sich zahlreiche neue Fragen stellen, die erst nach und nach von der Praxis gelöst werden können.
2 Die Frage, wer bei einer GbR als Mieterin im Räumungstitel erwähnt werden muß, wird nur von Schmid (GE 2001, 755) und von Armbrüster (GE 2001, 827) erörtert; beide Autoren sind der Auffassung, die Gesellschafter müßten namentlich im Urteil erwähnt werden, da sonst eine Räumungsvollstreckung nicht möglich sei. Diese Auffassung erscheint unzutreffend.
Innengesellschaft/Außengesellschaft
3 Das Urteil des BGH gilt nur für Außengesellschaften, während bei Innengesellschaften alles beim alten bleibt. Hier müssen nach wie vor die Gesellschafter verklagt werden und auch im Räumungstitel erwähnt sein. Eine Klage gegen die Gesellschaft selbst wäre unzulässig, da diese nicht parteifähig ist. Die Abgrenzung ist allerdings „als Rechtsanwendungsaufgabe beklemmend“ (Schmidt NJW 2001, 1001) und insbesondere im Bereich des Mietrechts äußerst zweifelhaft. Ob tatsächlich das Ehepaar, das gemeinsam eine vermietete Eigentumswohnung kauft, eine rechtsfähige Außengesellschaft als Vermieterin bildet (zweifelnd Armbrüster GE 2001, 823 f.; verneinend Schmidt NJW 2001, 1003), ist ebensowenig geklärt wie der umgekehrte Fall der Mietermehrheit, z. B. bei einer Wohngemeinschaft. Schmid (GE 2001, 753) und Armbrüster (GE 2001, 824) nehmen wohl eine Außengesellschaft an, während insbesondere Ulmer (ZIP 2001, 592) das verneint.
4 Nach der hier vertretenen Auffassung liegt im Bereich des Mietrechts eine Innengesellschaft dann vor, wenn nur einzelne Vermögensgegenstände gehalten und verwaltet werden, also z. B. die Vermietung einer Eigentumswohnung durch Bruchteilseigentümer (vgl. Schmidt NJW 2001, 1003). Spiegelbildlich gilt das auch für den Fall der Wohngemeinschaft, die über den gemeinsamen Abschluß des Mietvertrages nicht sonst im Rechtsverkehr gegenüber Dritten als GbR auftritt (noch enger z. B. Ulmer ZIP 2001, 599). Bei einer Mehrheit von Eigentümern eines Miethauses ist zu differenzieren: Eine Erbengemeinschaft ist ebensowenig eine Außengesellschaft wie eine Miteigentümergemeinschaft (nach Bruchteilen), etwa zwischen Eltern und Kindern. Anders ist es dagegen in den Fällen, in denen eine GbR (zum Zwecke der Steuerersparnis) ein Hausgrundstück erwirbt und die einzelnen Wohnungen vermietet. Auf der Mieterseite ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Außengesellschaft im wesentlichen nur bei Kleingewerblern (Schmidt NJW 2001, 1001) oder bei einer Freiberufler-Sozietät anzunehmen, etwa wenn mehrere Rechtsanwälte Büroräume mieten. Die folgenden Ausführungen gelten nur für den Fall der Außengesellschaft.
Gewahrsam und Besitz
5 Nach § 885 ZPO hat bei der Räumung der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen. Anders als bei der Pfändung von beweglichen Sachen (§ 808 ZPO) kommt es also nicht auf den Gewahrsam, sondern die rein tatsächliche Herrschaft an (vgl. Thomas-Putzo, 23. Aufl. 2001, Rn. 3 zu § 808 BGB). Für den Besitz nach § 854 BGB reicht die tatsächliche Gewalt allein nicht aus, sondern es müssen noch andere Kriterien hinzukommen, wie etwa ein Besitzbegründungswille (vgl. Palandt-Bassenge, 60. Aufl. Rn. 4 zu § 854 BGB). Trotz tatsächlicher Sachherrschaft ist der Besitzdiener (§ 855 BGB) kein Besitzer, weswegen etwa Mitarbeiter eines Betriebes in einem Räumungsurteil nicht aufgeführt werden müssen (vgl. Palandt-Bassenge, Rn. 7 zu § 855 BGB).
Familienangehörige als Besitzer
6 Der Gesetzgeber der ZPO ging davon aus, daß allein der Mieter (Ehemann) Besitzer war, während Familienangehörige (Ehefrau, Kinder) lediglich als Besitzdiener anzusehen seien, so daß bei einem Räumungsurteil gegen den Ehemann die Vollstreckung gegen Familienangehörige ohne weiteres möglich war (vgl. Schuschke NZM 1998, 61). Nun ist eine solche Sicht, die die Ehefrau oder erwachsene Kinder als bloße abhängige Besitzdiener auffaßt, längst überholt, weswegen die früher herrschende Meinung, ein Räumungstitel gegen den Alleinmieter reiche aus, von vielen Gerichten nicht mehr geteilt wird (vgl. etwa KG NJW-RR 1994, 713 und die Übersicht bei Schuschke NZM 1998, 58 ff.). Das als maßgeblich angesehene Abgrenzungskriterium, es komme darauf an, ob der Besitzer sein Besitzrecht vom Vermieter oder vom Mieter herleite, wird im Gesetz nicht erwähnt und ist insbesondere für den Fall der Untermiete durchbrochen, bei dem nach dazu einhelliger Auffassung ein Räumungstitel auch gegen den Untermieter erforderlich ist (Stein/Jonas/Brehm, 21. Aufl. Rn. 16 zu § 885 ZPO).
7 Auf die Rechtsprechung, nach der grundsätzlich ein Räumungstitel gegen jeden Besitzer nötig ist, bezieht sich etwa Schmid (GE 2001, 755), wenn er einen Räumungstitel gegen jeden Gesellschafter verlangt. Zu prüfen ist also, wer bei der (rechtsfähigen) GbR Besitzer ist.
Die GbR als Besitzerin
8 Der BGH wendet auf die BGB-Gesellschaft weitgehend das Recht der OHG an. Eine offene Handelsgesellschaft ist zwar nicht rechtsfähig, wird aber wie eine rechtsfähige Person behandelt. Rechtsfähig sind etwa eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH. Solche juristischen Personen üben einen eigenen unmittelbaren Besitz durch ihre Geschäftsführungsorgane aus (Erman/Werner, 10. Aufl. 2000 Rn. 6 zu § 854 BGB); sie haben „Organbesitz“ (MüKo-Joost, 3. Aufl. 1997 Rn. 32 zu § 854 BGB); die Organe haben daneben trotz tatsächlicher Sachherrschaft keinen eigenen Besitz im Rechtssinne (MüKo-Joost, a. a. O. Rn. 34). Das gilt auch für die OHG und die KG, bei der die tatsächliche Sachherrschaft der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet wird (MüKo-Joost, a. a. O. Rn. 38; Palandt-Bassenge, Rn. 15 zu § 854 BGB). Die Kommanditisten einer KG sind ohnehin nicht Besitzer (BGH NJW 1972, 43).
9 Für eine rechtsfähige GbR gilt das gleiche (MüKo-Joost a. a. O. Rn. 39 ff.); die entgegenstehende Entscheidung des BGH (BGHZ 86, 340), wonach die Gesellschafter Mitbesitz haben, ist überholt, da dort der BGH noch nicht von der Rechtsfähigkeit der GbR ausging. Zwingende Folgen der Annahme der GbR als Rechtssubjekt, also als Träger von Rechten und Pflichten, ist, sie nicht nur als mögliche Eigentümerin, sondern auch als Besitzerin anzuerkennen (vgl. auch Schmidt Gesellschaftsrecht § 60 II 3).
10 Daneben sind wie bei einer OHG die Gesellschafter nicht als Besitzer anzusehen. Anders als bei der Streitfrage des Räumungstitels gegen Familienangehörige, wo die Besitzerstellung der nicht mietenden Ehefrau unzweifelhaft ist, ergibt sich hier aus Rechtsgründen, daß trotz tatsächlicher Sachherrschaft der Besitz allein der Gesellschaft zugerechnet wird. Ein Räumungstitel gegen die GbR ist also ausreichend, aber auch erforderlich.
Folgerungen für die Praxis
11 Steht fest, daß es sich um eine Außengesellschaft handelt, ist diese auf Räumung zu verklagen. Eine Räumungsklage gegen die Gesellschafter reicht nicht und wäre darüber hinaus auch mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen. Diese sind nicht Besitzer, gegen sie ist kein Räumungstitel erforderlich. Ist nur gegen sie ein Räumungsurteil ergangen, ist die Zwangsvollstreckung gegen die GbR als Besitzerin nicht möglich.
12 Fraglich sind die Zweifelsfälle, in denen nicht abzusehen ist, ob das Gericht eine Innen- oder Außengesellschaft annehmen wird. Hier empfiehlt es sich, sowohl die Gesellschaft als auch die Gesellschafter auf Räumung zu verklagen, da es jedenfalls bei unklarer Rechtslage nicht am Rechtsschutzbedürfnis (eines Titels gegen die einzelnen Gesellschafter) fehlen kann. Die mögliche Abweisung der Klage gegen die nicht rechtsfähige Innengesellschaft stellt dann das geringere Risiko dar. Ob das Gericht verpflichtet ist, einer Bitte nach rechtlichem Hinweis zu entsprechen, ist zweifelhaft, da § 278 ZPO nur Überraschungsentscheidungen verhindern will, das Gericht aber nicht dazu zwingt, schon vor Urteilserlaß eine abschließende rechtliche Beurteilung den Parteien mitzuteilen.
13 Zweifelhaft sind auch die Übergangsfälle, in denen etwa entsprechend der früheren Rechtsauffassung ein Räumungsurteil gegen die einzelnen Gesellschafter der rechtsfähigen GbR zu vollstrecken ist. Hier müssen aus Gründen des Vertrauensschutzes mit „Augenmaß für die Praxis angemessene Übergangslösungen“ entwickelt werden (Armbrüster GE 2001, 825). Wenn man nicht eine bloße Titelberichtigung zulassen will (weil eine Klage gegen alle Gesellschafter sich im Zweifel auch gegen die Gesellschaft richtet: Wieser MDR 2001, 423), kommt jedenfalls eine entsprechende Anwendung des § 727 ZPO in Betracht, wonach der Titel umgeschrieben werden kann.
Ergebnis: Der Gerichtsvollzieher weigert sich zu Unrecht, die Räumung aufgrund eines Titels gegen die GbR durchzuführen. Eine Erinnerung des Vermieters (§ 766 ZPO) mit dem Ziel, den Gerichtsvollzieher durch das Gericht zur Fortführung der Zwangsvollstreckung anweisen zu lassen, wäre erfolgreich.
PS: Wegen der besonderen praktischen Bedeutung ist - über die Räumungsproblematik hinaus - auf die kurze Verjährung nach § 558 BGB a. F. = § 548 n. F. hinzuweisen. Alle Ansprüche des Vermieters verjähren in sechs Monaten, beginnend mit der Rückgabe. Sind nur die Gesellschafter verklagt (was an sich im Passivprozeß möglich ist), wird die Verjährung nicht unterbrochen (vgl. im einzelnen Armbrüster GE 2001, 831). Da die Gesellschafter nur akzessorisch haften, nämlich für und anstelle der Gesellschaft, können sie die Einrede der Verjährung dann erheben, wenn ein Anspruch gegen die Gesellschaft verjährt wäre. Eine Klage gegen die Außengesellschaft ist daher in diesen Fällen zwingend geboten; ein Rechtsanwalt, der dies unterläßt, macht sich regreßpflichtig.
Autor: RiAG Rudolf Beuermann