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Kammergericht folgt dem BGH beim Datschenrecht
Manche „Kleingärten“ sind keine und ohne den Schutz des BKleingG
28.06.2001 (GE 12/2001, 833) In GE 2000 [7] 442 war das Grundlagen-Urteil des BGH vom 16. Dezember 1999 (GE 2000, 468) erläutert worden, in dem es um die Abgrenzung von „Datschengrundstücken“ einerseits und solchen nach dem Bundeskleingartengesetz ging.
Die endgültige Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung im konkreten Fall oblag dem Kammergericht, das nun durch Urteil vom 26. Oktober 2000 (GE 2001, 621) feststellte, daß manche „Kleingartenanlagen“ nicht dem besonderen Schutz des Bundeskleingartengesetzes unterliegen.

I. Sachverhalt
Den vom KG nunmehr endgültig entschiedenen, sich mehr als sieben (!) Jahre hinziehenden Rechtsstreitigkeiten lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund eines zu DDR-Zeiten abgeschlossenen sogenannten Hauptnutzungsvertrages, in dem auf Pächterseite der Kreisverband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) auftrat, war eine Grundstücksfläche von 8.550 m2 an den VKSK überlassen worden mit der Befugnis, diese Fläche parzellieren zu dürfen und einzelne Teilflächen bzw. Parzellen an unmittelbare Nutzer bzw. Unterpächter weiterzuverpachten. Ab Vertragsabschluß 1984 war das Grundstück für die kleingärtnerische Nutzung durch den VKSK erschlossen worden. Danach wurden mindestens 27 Parzellen unterverpachtet und mit den einzelnen Pächtern Nutzungsverträge „zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung und Freizeiterholung“ abgeschlossen. Es erfolgte eine Außenumzäunung des Gesamtgrundstückes (der „Kleingartenanlage“), die Fläche wurde mit internen Erschließungswegen und einem Versammlungsplatz ausgestattet.

II. Hin und Her der Instanzengerichte
In den seit 1993 (!) geführten diversen Rechtsstreitigkeiten hatten unterschiedliche Kammern des Landgerichts Berlin den Anwendungsbereich des BKleingG unterschiedlich beurteilt (12. Kammer bejaht, 21. und 32. Kammer verneint). In einem Feststellungsverfahren wollten die Eigentümer klären lassen, ob für das mit dem VKSK abgeschlossene Hauptnutzungsverhältnis über die 8.550 m2 große Grundstücksfläche das BGB-Miet- und Pachtrecht und ergänzend aufgrund der Sonderregelung im Beitrittsgebiet das SchuldRAnpG und die NutzEV Anwendung findet oder verdrängend das BKleingG gilt.
l Die 21. Kammer des LG Berlin hat im Urteil vom 14. Januar 1997 (21.0.508/96) den Anwendungsbereich des BKleingG verneint, weil sich aus der vertraglichen Gestaltung der einzelnen Unternutzungsverträge ergäbe, daß Schwerpunkt der Nutzung die Erholung und wochenendsiedlerische Nutzung sei, und auch die tatsächlichen Verhältnisse das belegten (es waren Bungalows bis zu 40 m2 Grundfläche nebst Nebenanlagen und Terrassen vorhanden, die überwiegend dem Wohnen, Schlafen und Kochen dienten, außerdem waren keine ausreichenden Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden).
l Diese landgerichtliche Entscheidung ist mit Urteil des KG vom 22. Februar 1999 (20 U 2011/97) aufgehoben worden mit der Begründung, die Vertragsbeteiligten hätten selbst durch diversen Schriftverkehr und drei geführte Rechtsstreitigkeiten den Anwendungsbereich des BKleingG für gegeben angesehen und müßten sich somit unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Grundstückes als eine Kleingartenanlage i. S. d. BKleingG an den Bestimmungen dieses Gesetzes festhalten lassen.
l Diese Entscheidung des KG ist in dem Urteil des BGH vom 16. Dezember 1999 (GE 2000, 468) aufgehoben und rechtsgrundsätzlich nochmals klargestellt worden, daß es für den Anwendungsbereich des BKleingG nicht darauf ankomme, ob die Beteiligten meinen, die Voraussetzungen des BKleingG lägen vor, sondern allein entscheidend die tatsächliche Art der Nutzung sei (Schnabel GE 2000, 442 ff.).
l In dem nunmehr ergangenen Rückverweisungsurteil vom 26. Oktober 2000 (GE 2001, 621) ist das KG vollinhaltlich den Vorgaben des BGH gefolgt und hat festgestellt:
1. Ob ein Vertragsverhältnis dem BKleingG unterfällt oder nicht hängt, ausschließlich davon ab, ob das vertraglich überlassene Grundstück in seiner Gesamtheit sich als eine Kleingartenanlage i. S. d. BKleingG darstellt, d. h. kumulativ die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 2 BKleingG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich
— in der Gesamtanlage eine nicht erwerbsmäßige, gärtnerische Nutzung insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf ausgeübt wird (kleingärtnerische Nutzung) - § 1 Abs. 1 Nr. 1 und
— sämtliche Kleingärten in einer Anlage liegen, in der mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen, z. B. Wege, Spielflächen, Vereinshäuser, zusammengefaßt sind (Kleingartenanlage) - § 1 Abs. 1 Nr. 2.
2. Auf sämtlichen Parzellen (und nicht nur auf einigen von den Nutzern benannten) müßte eine überwiegend kleingärtnerische Nutzung durch Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen durch den Anbau einer Vielfalt von Gartenbauerzeugnissen erfolgen, weil für den Anwendungsbereich des BKleingG erforderlich sei, daß die „gesamte Anlage kleingärtnerisch genutzt“ wird und diese „kleingärtnerische Nutzung vorherrschend“ ist. Eine nur teilweise auf einzelnen Parzellen ausgeübte kleingärtnerische Nutzung genügt nicht.
3. Die bloße Einzäunung, Anlage interner Wege und eines Versammlungsplatzes sowie die Erschließung des Geländes begründe - allein - keinen Nachweis, daß auch eine kleingärtnerische Nutzung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG erfolge.

III. Ergebnis
Das KG hat im vorliegenden Fall den Anwendungsbereich des BKleingG verneint. Der Hauptnutzungsvertrag unterfällt den Bestimmungen des BGB-Miet- und Pachtrechts und - weil sich die Grundstücksfläche im Beitrittsgebiet befindet und der Hauptnutzungsvertrag vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurde - finden ergänzend die Bestimmungen des SchuldRAnpG (Datschengesetzes) Anwendung.

IV. Besonderheiten im Beitrittsgebiet
Soweit Vertragsverhältnisse über „Kleingartenanlagen“ im Beitrittsgebiet zu beurteilen sind, müssen die vom BGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung aufgestellten weiteren Maßgaben beachtet werden, daß es nämlich bei der Beurteilung der tatsächlichen Kriterien i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 2 BKleingG auf die tatsächlichen Verhältnisse am 3. Oktober 1990 ankommt (BGH GE 2000, 468). Bezieht sich die Nutzerseite auf die Anwendbarkeit des BKleingG, muß von dieser bewiesen werden, daß am 3. Oktober 1990 die tatsächlichen Voraussetzungen i. S. d. BKleingG vorgelegen haben. Erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte Nutzungsartänderungen (Intensivierung der kleingärtnerischen Nutzung) oder Herstellung von Gemeinschaftseinrichtungen vermögen bei Rechtsverhältnissen im Beitrittsgebiet nicht mehr den Anwendungsbereich des BKleingG zu begründen. Da in der DDR eine dem BKleingG vergleichbare gesetzliche Regelung nicht existierte, vielmehr seit 1. Januar 1976 sowohl die zu Erholungszwecken als auch zur kleingärtnerischen Nutzung vorgesehenen Flächen zusammen den gesetzlichen Sonderbestimmungen der §§ 312 ff. ZGB/DDR unterfielen, ist es oftmals zwar zur Anlage von z. T. besonders großen sogenannten Kleingartenanlagen in der DDR gekommen, die auch z. T. gemeinschaftliche Einrichtungen enthalten, bei denen aber von Anfang an und insbesondere zum maßgeblichen Stichtag 3. Oktober 1990 keine überwiegende kleingärtnerische Nutzung in der Gesamtanlage, d. h. keine nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung durch Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen erfolgte. Deshalb dürften eine Vielzahl von sogenannten Kleingartenanlagen, bei denen insbesondere nach dem 3. Oktober 1990 auch eine Vielzahl von Vereinsneugründungen für die jeweiligen „Kleingartenkolonien“ einhergegangen sind, trotz Verwendung des Begriffes „Kleingartenanlage“ das BKleingG nicht anwendbar sein. Verträge über diese Kleingartenanlagen unterfallen, soweit die Vertragsverhältnisse bis 3. Oktober 1990 begründet worden sind, ebenso wie die bei Einzelgrundstücken anzutreffenden sogenannten Datschenverträge ausschließlich dem Anwendungsbereich des BGB-Miet- und Pachtrechts und ergänzend dem SchuldRAnpG bzw. Datschengesetz (dazu Schnabel, Datschen- und Grundstücksrecht 2000, 1. Kapitel).

V. Rechtsfolgen
1. Bei den im Beitrittsgebiet belegenen „Kleingartenanlagen“ dürfte oftmals von den Nutzern nicht oder nicht mehr der Nachweis erbracht werden können, daß ihre - gesamte - Anlage am Stichtag 3. Oktober 1990 überwiegend kleingärtnerisch genutzt wurde, so daß ein Großteil der bisher sowohl von Eigentümer- als auch Pächterseite als Kleingartenanlagen i. S. d. BKleingG beurteilte Vertragsverhältnisse zukünftig rechtlich anders zu beurteilen sind. Insbesondere besteht für den Verpächter/Eigentümer die Möglichkeit, nunmehr wesentlich höhere Entgelte nach der NutzEV zu erzielen und zukünftig die Vertragsverhältnisse nach den Maßgaben des § 23 SchuldRAnpG kündigen zu können, so daß der rechtliche Bestand der Vertragsverhältnisse über diese „Kleingartenanlagen“ für die Nutzerseite nur noch von beschränkter Dauer ist. Spätestens ab 4. Oktober 2015 kann der Eigentümer ohne das Erfordernis eines Kündigungsgrundes das Vertragsverhältnis mit dem Pächter kündigen und dadurch eine Auflösung bzw. Beseitigung der „Kleingartenanlage“ erreichen.
2. Die gerichtlichen Feststellungen, insbesondere des BGH in seinem Urteil vom 16. Dezember 1999 betreffen aber nicht ausschließlich nur die Vertragsverhältnisse im Beitrittsgebiet, sondern stellen auch rechtsgrundsätzliche Klarstellungen für die Anwendbarkeit des BKleingG für Vertragsverhältnisse in den Altbundesländern und auf dem Gebiet des früheren West-Berlin dar. Denn sowohl vom BGH als auch nunmehr vom KG in seinem Urteil vom 26. Oktober 2000 (GE 2001, 621) ist klargestellt worden, daß es für das Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG - kleingärtnerische Nutzung - darauf ankomme, zu prüfen, ob die gesamte Anlage überwiegend kleingärtnerisch genutzt werde, d. h. es muß eine Prüfung sämtlicher Parzellen erfolgen und aufgeklärt werden, ob alle zur nicht erwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung verwendet werden.
Kann diese überwiegende kleingärtnerische Nutzung von den Nutzern bzw. der Pächterseite nicht nachgewiesen werden, scheidet der Anwendungsbereich des BKleingG aus. Auch aus dem Vorhandensein gemeinschaftlicher Einrichtungen, d. h. des Merkmales des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG, kann nicht rückgeschlossen werden, daß die „Kleingartenanlage“ auch kleingärtnerischen Zwecken diene und eine solche kleingärtnerische Nutzung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG erfolge. Legt man den Beurteilungsmaßstab des BGH und nunmehr auch des KG bei der Prüfung von sogenannten Kleingartenanlagen in den Altbundesländern, insbesondere im früheren West-Berlin, zugrunde, dürfte auch hier eine Vielzahl von sogenannten Kleingartenanlagen nicht den Erfordernissen des BKleingG genügen, weil zwischenzeitlich i. d. R. nur noch eine überwiegende Erholungs- und Wochenendnutzung ausgeübt wird, ohne das zentrale Merkmal eines Kleingartens, d. h. die „nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung durch Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen durch eine Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse“ erfolgt.
Autor: Gunnar Schnabel