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Handlungsbedarf im sozialen Wohnungsbau
22.05.2001 (GE 10/2001, 656) Diskussionen über mögliche negative Entwicklungen bei bestimmten Förderjahrgängen des sozialen Wohnungsbaus
I. Einstieg
In der Immobilienwirtschaft wird schon seit geraumer Zeit eine Diskussion über mögliche negative Entwicklungen geführt, die bei bestimmten Förderjahrgängen des sozialen Wohnungsbaus eintreten könnten. So ist es nicht verwunderlich, daß die dabei aufgetretenen unterschiedlichen Standpunkte auch in einigen Artikeln des GRUNDEIGENTUM ihren Niederschlag gefunden haben. Bereits in den Überschriften wurde dabei deutlich, wie konträr die Grundeinschätzungen und wie überzogen einige Beurteilungen sind.
So lautet das Thema des Artikels von Klaus Gils (GE 24/2000) „Den Eigentümern von Sozialwohnungen in Berlin droht Konkurs”, während auf dem Deckblatt dieser Ausgabe die entsprechende Kurzankündigung im fast schon BZ-reifen Stil die Stimmung durch die Formulierung „Eigentümern droht Massenkonkurs” treffen will. In GE 7/2001 gibt dann Thomas Brand die Haltung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter der Überschrift „Sozialwohnungen in Berlin: Hinreichende Wirtschaftlichkeit ist gegeben” wieder. Auf diesen Artikel bezieht sich schließlich Dieter Blümmel; sein Thema lautet bezeichnenderweise: „Wirtschaftlich lebensgefährlich”. Und auf diese beiden letztgenannten Artikel wird auf der Titelseite - trotz einiger von Brand durchaus positiv gesehener Punkte - mit dem markigen zusammenfassenden Hinweis geworben: „Drohende Pleiten bei Sozialwohnungen”.
Diese Wiedergabe der Überschriften sollte wohlgemerkt lediglich deutlich machen, wie unterschiedlich die Auffassungen sind; und gerade deshalb war es gut, diese Diskussion jetzt auch öffentlich anzustoßen, um jedem Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich mit den diversen Argumenten auseinanderzusetzen, dabei die mangelnde Stichhaltigkeit einiger Schlußfolgerungen zu prüfen und schließlich den Kern der eigentlichen Problematik zu erfassen. Zunächst sollte jedoch auf den Inhalt der genannten drei Artikel in einer kurzen, allgemeinen Form eingegangen werden.

Eröffnet wurde die Diskussion - wie eingangs zitiert - von Klaus Gils. Er weist in seinem Artikel auf einige durchaus besorgniserregende Umstände hin, überzieht dann jedoch in seiner Bewertung derartig, daß wahrscheinlich bei vielen Lesern eine gewisse Ratlosigkeit - um nicht zu sagen Verunsicherung - verbleibt. Ferner läßt die Art und Weise, wie er sowohl Förderprogramme als auch Förderjahrgänge durcheinanderbringt, leider nicht darauf schließen, daß hier sorgfältig recherchiert wurde. Auch seine abschließende Pauschalschelte läßt vermuten, daß es eher um emotionale Betroffenheit als um rein sachliche Argumentation ging.
Die Antwort von Thomas Brand enthält dann endlich die notwendige Darstellung und Abgrenzung der betreffenden Förderprogramme sowie eine Erläute-rung, wie Grundförderung und Anschlußförderung mit ihren rechtlichen Rahmenbedingungen zu bewerten sind. Bei den sich daraus ergebenden Problemen scheint er dann allerdings die Haltung des oft zitierten Fußballkaisers einzunehmen: „Schau‘n mer mal.”
Die abschließende Stellungnahme von Dieter Blümmel schließlich setzt sich in gewohnter präziser Form mit den verschiedenen Diskussionspunkten auseinander, läßt aber leider doch sehr stark erkennen, daß hier ein Interessenvertreter das Wort führt.

Greifen wir nun einige der Hauptstreitpunkte auf, um die es hierbei geht: Welche Verantwortung hat die öffentliche Hand im sozialen Wohnungsbau bzw. wie lange hat sie diese Verantwortung? Wem steht nach Auslaufen der Fremdmittel der entsprechende Entschuldungsgewinn zu? Welche Bedeutung kommt der sog. Überschuldungserklärung zu? Ist eine ordentliche Bewirtschaftung bzw. Kostendeckung überhaupt möglich? Wie könnten alle Beteiligten in sinnvoller Weise künftig mit diesem Thema umgehen?

II. Verantwortung der öffentlichen Hand für den sozialen Wohnungsbau
Eigentlich handelt es sich bei dem sozialen Wohnungsbau um einen unzulässigen Eingriff in vernünftige marktwirtschaftliche Abläufe. Warum ein solches Gebilde dennoch erforderlich werden konnte, wird am ehesten durch eine kurze Gegenüberstellung der Rahmenbedingungen vor und nach dem II. Weltkrieg deutlich.
Stellte jemand vor dem II. Weltkrieg Überlegungen an, ob er z. B. als Kapitalanlage oder als Alterssicherung ein Mehrfamilienhaus errichten sollte, so waren dabei - wie auch bei jeder anderen Kapitalanlage - drei Fragen zu beantworten:
1. Welche Rentabilität (Rendite) wird erreicht?
2. Welche Liquiditätsbindung ist notwendig?
3. Welches Risiko wird eingegangen?
Errichtete jemand nach einer positiven Abwägung dieser Punkte ein Mietobjekt, so hatte er entweder auf lange Sicht Mieterträge, die sowohl seine Kosten abdeckten als auch zusätzliche Einnahmen darstellten, oder es ergab sich eine wirtschaftliche Unterdeckung (unvorhergesehene Baumehrkosten bei einer zu „dünnen” Kapitaldecke, Fehleinschätzung des „Standortes“, so daß die vorgesehenen Mieteinnahmen nicht zu realisieren waren usw.), die ihn u. U. wirtschaftlich ruinierten. Das Risiko hatte dabei allein der Bauherr zu tragen. Die Folge war, daß unter Beachtung der genannten Bewertungskriterien nur dann gebaut wurde, wenn das gesamte Objekt auf wirtschaftlich gesunden Füßen stand.

Insgesamt gesehen war der Wohnungsbau unter Beachtung dieses eigenverantwortlichen Verhaltens damals als „gesund“ anzusehen, obwohl im Jahre 1939 noch immer über zwei Millionen Wohnungen fehlten.
Nach dem II. Weltkrieg sah dies völlig anders aus. Auf dem Wohnungsmarkt herrschte akuter Notstand. Es fehlten über fünf Millionen Wohnungen (Kriegs-zerstörungen und zehn Millionen Heimatvertriebene); außerdem waren über zwei Millionen Wohnungen mittelschwer beschädigt. Aufgrund dieser besonderen Verhältnisse war die kurzfristige Erreichung folgender Ziele erforderlich:
1. Neuer Wohnraum mußte schnell geschaffen werden.
2. Fehlende Kapitalmarktmittel mußten ersetzt werden.
3. Durch geringe Darlehenszinsen mußte erreicht werden, daß die Miete auch für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar blieb.
Dabei war es zwangsläufig notwendig, die zuvor genannten soliden wirtschaftlichen Kriterien teilweise auszuschließen. Denn abgesehen davon, daß kaum noch jemand über entsprechende finanzielle Mittel verfügte, fehlte es bei denen, die wenigstens noch ein Grundstück besaßen, an der Bereitschaft zu bauen, wenn sie das volle wirtschaftliche Risiko zu tragen hätten.
Es mußten deshalb vom Staat besondere Förderprogramme geschaffen und außerdem gewährleistet werden, daß die dem Bauherrn während der späteren laufenden Bewirtschaftung entstehenden Aufwendungen - unabhängig vom Standort usw. - gedeckt sind. Das Resultat all dieser Überlegungen war schließlich der soziale Wohnungsbau, bei dem die öffentliche Hand einen bestimmten Teil des Risikos durch entsprechende Garantien übernahm.

Die sich aus all dem ergebende Frage lautet schließlich: Wie lange würde ein solcher Eingriff in die zuvor genannten „ordentlichen” wohnungswirtschaftlichen Marktverhältnisse erforderlich sein, und wie lange müßte die öffentliche Hand dabei ihre „Absicherungsfunktion” aufrechterhalten? Anfangs ging man davon aus, daß dies allenfalls für einige Jahrzehnte erforderlich sein könnte - inzwischen ist jedoch ein halbes Jahrhundert vergangen, und der Ruf nach staatlichen Garantien erklingt nach wie vor. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, daß innerhalb der gesamten öffentlichen Wohnungsbauförderung der „klassische” soziale Wohnungsbau (§ 1 WoBindG) immer mehr durch eine auf vertraglicher Basis vereinbarte Wohnungsbauförderung ohne öffentlich-rechtliche Festlegungen verdrängt wurde, so daß sich letztlich nur noch die Frage stellt, wie lange die öffentliche Hand für die zurückliegenden Programme in der Mitverantwortung steht.

Die Antwort ergibt sich grundsätzlich aus dem § 1 WoBindG, d. h. eine Mitwirkung der öffentlichen Hand ist bis zum Ende der Eigenschaft „öffentlich gefördert” gegeben. Die daraus resultierende Frage lautet schließlich: Was schließt diese Mitwirkung alles ein - ist damit lediglich eine Überwachung der Belegungs- und Mietpreisbindung gemeint, oder ergibt sich bei einer wirtschaftlichen Schieflage auch eine gewisse „Nachschußpflicht” in Form einer Nachförderung oder eines Verzichtes auf Kapitaldienstansprüche?
Rechtliche Grundlage einer Förderung im sozialen Wohnungsbau ist ein öffentlich-rechtlicher Bewilligungsbescheid, dem sowohl die Förderhöhe als auch die Förderlaufzeit verbindlich zu entnehmen sind. Das bedeutet grundsätzlich, daß sich ein Fördernehmer nicht darauf berufen kann, daß ihm aufgrund der allgemeinen Regelung des § 1 II. WoBauG neben den im Förderbescheid ausgewiesenen Mitteln noch weitere Fördermittel zustünden.

Bevor in Berlin in den 80er Jahren die ersten Anschlußförderungsrichtlinien zustande kamen, die für die Förderprogramme 1972 bis 1976 galten, wurde durch Gutachten die Frage bewertet, ob überhaupt eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zu einer Anschlußförderung bestand (zur Erinnerung: Die Bewilligungsbescheide für diese Jahrgänge bezogen sich erstmals nur auf eine Förderlaufzeit von 15 Jahren). Eines dieser Gutachten machte damals klar, daß es sich bei 15 Jahren bereits um den dreifachen Zeitraum einer mittelfristigen Haushaltsplanung von fünf Jahren handelt und daß allein dadurch das Land Berlin seiner „Betreuungsverpflichtung” ausreichend nachgekommen sei; die weitere wirtschaftliche Verantwortung falle daher - unabhängig davon, daß die Belegungs- und Mietpreisbindung fortbestehe - in die alleinige Zuständigkeit des Eigentümers. In diesem Zusammenhang wurde auch der Umstand gewürdigt, daß bei den entsprechenden Haushaltsansätzen lediglich der Hinweis aufgenommen war, über eine mögliche Anschlußförderung müsse zeitnah entschieden werden, sich also auch daraus keine verbindliche Verpflichtung ergab.
Trotz dieser rein rechtlichen Bewertung waren damals die beteiligten Senatsverwaltungen der Auffassung - und auch finanziell dazu in der Lage -, aus rein wirtschaftlichen Überlegungen sei eine Anschlußförderung unumgänglich.

Seitdem wurden auch für die Förder-jahrgänge ab 1977 Anschlußförderungsrichtlinien veröffentlicht, wodurch jedoch in keiner Weise vorentschieden war, daß dies auch künftig geschehen müsse. Die von Brand angesprochene Frage einer weiteren Anschlußförderung für diese Jahrgangsgruppen nach 30 Jahren (15 Jahre Grundförderung und 15 Jahre Anschlußförderung) muß daher als völlig offen angesehen werden.
Im übrigen ist davon auszugehen, daß von verschiedenen Interessenvertretern weitere Gutachten in Auftrag gegeben werden.

III. Entschuldungsgewinne
Dieser Punkt wird von Brand und Blümmel völlig unterschiedlich bewertet. Da die von beiden genannten Argumente in den eingangs genannten Artikeln nachzulesen sind, sollen sie hier nur kurz skizziert und dann bewertet werden.
Brand weist darauf hin, daß die sogenannten Entschuldungsgewinne nicht den Eigentümern zustünden, da die fortlaufende Tilgung letztlich über den Umweg der wirtschaftlichen Gebäudeabschreibung und Sonderabschreibung durch Mieter und öffentliche Hand erbracht werde. Dem widerspricht Blümmel ganz entschieden, weil die Abschreibungsgegenwerte betriebswirtschaftlich benötigt werden würden und folglich die Tilgung der Fremdmittel außerhalb der Wirtschaftlichkeitsberechnung allein vom Vermieter zu erbringen sei.
Hierzu bedarf es einiger Anmerkungen. Selbstverständlich regelt weder die II. BV noch eine andere Richtlinie die Verwendung der wirtschaftlichen Abschreibung dahingehend, daß sie zur Deckung von Tilgungsleistungen heranzuziehen sei. Es ist vielmehr im Laufe der Zeit gängige Praxis geworden, in einer Gegenrechnung außerhalb der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Frage zu prüfen, ob die Abschreibung wenigstens in Höhe der Tilgungsleistung zur Verfügung steht, falls ein Eigentümer die Tilgung nicht aus eigenen Mitteln erbringen könnte. Aus dieser Praxis der rein rechnerischen Rückversicherung kann jedoch nicht auf eine entsprechende Rechtsgrundlage geschlossen werden. Nach § 28 Nr. 1 II. BV ist vielmehr genau zwischen den Begriffen „Instandsetzung, Instandhaltung und Erneuerung” zu unterscheiden, wobei die Position „Abschreibung” zu einer Rücklage zugunsten später erforderlich werdender Gebäudeerneuerungen führen sollte, d. h. nach ca. 100 Jahren könnte das gesamte Gebäude erneuert werden (unterstellt, daß dies dann zu den ursprünglichen Baukosten möglich wäre). So gesehen steht die Abschreibung eben nicht für Tilgungsleistungen zur Verfügung, die demnach aus echten Eigenleistungen erbracht werden müßten. Ist dies aber tatsächlich der Fall? Wäre es so, müßten nach der Anschlußförderung (30 Jahre Gesamtförderlaufzeit) 30 v. H. der ursprünglichen Gebäudekosten als Rücklage (zuzüglich Verzinsung) zur Verfügung stehen, und viele der geschilderten Probleme wären allein schon dadurch zu lösen. Die Praxis sieht jedoch ganz anders aus. Tatsächlich wird nur die Sonderabschreibung auf kurzlebige Wirtschaftsgüter für die Erneuerung dieser Sonderausstattungen verwendet, weil hier nach relativ kurzer Zeit ein Erneuerungsbedarf besteht. Dagegen wird für die Gebäudeerneuerung in der Regel aus der einprozentigen Gebäudeabschreibung keine Rücklage gebildet; die von den Mietern und der Fördergeberin zu tragende Position „Gebäudeabschreibung” wird somit doch zur Deckung der Grundtilgung der Fremdmittel herangezogen. Ganz eindeutig ist dies bei dem Tilgungszuwachs, da in der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Zinsen auf die Nominalbeträge der Fremdmittel berechnet werden (§ 21 Abs. 2 II. BV), d. h. es findet keine Auseinanderrechnung zwischen der reinen Zinsleistung und der neben der Grundtilgung zu leistenden verstärkten Tilgung statt.
Durch diese Ausführungen sollte keinesfalls beurteilt werden, wem die Entschuldungsgewinne letztlich zustehen; es sollte jedoch durch eine Bewertung der gegensätzlichen Argumente klargestellt werden, daß die Tilgungsleistungen tatsächlich nicht durch die Eigentümerseite erbracht werden.

IV. Bewirtschaftung
und Kostendeckung
Es scheint zwischen den Beteiligten unstrittig zu sein, daß die Pauschalansätze der II. BV nicht zur Deckung der tatsächlichen Kosten ausreichen. Nur war das allen Beteiligten wirklich von Anfang an bekannt: Pauschalansätze für verschiedene Positionen führen zu einer anteiligen Unterdeckung, während nur die Betriebskosten direkt abgerechnet werden. Ferner war von Anfang an bekannt, daß die schon immer zu geringen Pauschalansätze nicht auf Länderebene, sondern ausschließlich auf Bundesebene angehoben werden können (und wie langwierig dieses Verfahren ist). Es erscheint daher durchaus vertretbar, diesen Punkt voll in das Risiko des Eigentümers zu stellen.

Zweifel dürften dagegen bestehen, ob dies auch bei Fehleinnahmen aufgrund von Wohnungsleerständen und Mietenrückständen so unterstellt werden kann. Bei diesen Positionen sind in den letzten Jahren Ausfälle in einem Umfang aufgetreten, die wirklich keinen wirtschaftlichen Spielraum mehr lassen. Setzt nach Auslaufen der Anschlußförderung auch noch die Bedienung der Aufwendungsdarlehen ein, ist ein totales Mißverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben gegeben. Die Folge davon wäre, daß bestimmte Zahlungsleistungen nicht mehr erbracht werden können - in der Regel dürften das dann eben die Kapitaldienstleistungen für die Aufwendungsdarlehen sein.

Ganz prekär dürfte die Situation sein, wenn zu diesem Zeitpunkt (Auslaufen der Anschlußförderung) die bisherigen Fremdmittel noch nicht voll getilgt sind. Die logischen Folgen (falls keine andere Lösung zu finden ist) wären dann - da eben aufgrund der hohen rückzahlbaren Aufwendungsdarlehen eine freie Marktverwertung nicht möglich ist - unabwendbare Zwangsversteigerungen. Das würde wiederum bedeuten, daß einerseits der Eigentümer sein Objekt für ein „Butterbrot” verlieren würde, andererseits jedoch die öffentliche Hand die Aufwendungsdarlehen ganz oder teilweise abschreiben könnte, das heißt es steht ein möglicher Totalausfall anstelle der Frage an, ob bzw. in welchem Umfang Stundungen oder Nachlässe bei der Bedienung der Aufwendungsdarlehen eingeräumt werden könnten.
So gesehen besteht an und für sich kein Interessenkonflikt, denn eigentlich sitzen die Eigentümerseite und die öffentliche Hand in demselben Boot: Beide könnten alles verlieren.

V. Überschuldungserklärung
In dem Beitrag von Gils wird die sogenannte Überschuldungserklärung der IBB textlich wiedergegeben. Danach braucht das Aufwendungsdarlehen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht bzw. nur teilweise bedient zu werden. Interessant ist nun, daß diese Erklärung nicht - wie es nach dem Kostenmietenprinzip ja üblich wäre - auf das Objekt, sondern auf das Unternehmen abgestellt ist. Daraus ergibt sich eine gewisse Unstimmigkeit: Die für das Objekt aufzustellende Wirtschaftlichkeitsberechnung weist z. B. eine deutliche Unterdeckung aus, während die Bilanz des Unternehmens aufgrund von wirtschaftlich sinnvollen Rückstellungen für andere Objekte positiv zu bewerten ist - in diesem Fall kommt die Überschuldungserklärung nicht zum Zuge. Die Folge hiervon wäre, daß eine Bedienung des Aufwendungsdarlehens erfolgen muß, wofür die Rückstellungen für z. B. künftig unbedingt erforderliche Fassaden- und Dachinstandsetzungen herangezogen werden, die dann nicht mehr ausgeführt werden könnten; Verwahrlosung des gesamten Bestandes eines Unternehmens könnte die Folge sein.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die besondere Problematik einiger Eigentümer hingewiesen. Insbesondere Genossenschaften und städtische Gesellschaften haben nach der Wende große Wohnungsbestände im Ostteil der Stadt übernommen, die sich in einem total verwahrlosten Zustand befanden. Da zum gleichen Zeitpunkt eine große Anzahl entsprechender Wohnungen auf dem Markt zur Verfügung stand, traten sehr schnell Leerstände auf, die diese Unternehmen an die Grenze ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit führten. Um diese Wohnungen wieder attraktiver zu machen, mußten nicht nur Instandsetzungen oder Modernisierungen durchgeführt werden, sondern regelrechte Generalüberholungen mit einem enormen Kostenaufwand, der sämtliche Eigenkapitalreserven aufbrauchte und darüber hinaus die Aufnahme von weiteren Fremdmitteln mit entsprechenden Belastungen erforderlich machte. Dadurch wiederum ergab sich ein Stau bei den im Westteil der Stadt schon seit Jahren zurückgestellten Instandsetzungsmaßnahmen, und bei vielen Genossenschaften konnte seit Jahren keine Verzinsung der eingezahlten Genossenschaftsanteile erfolgen (so viel auch zu dem Thema „Eigenkapitalverzinsung”).

VI. Schlußfolgerungen
Diese kurzen ergänzenden Ausführungen sollten aus Sicht des Verfassers verdeutlichen, welche der bisher vorgebrachten Argumente als Überbewertung angesehen werden könnten und in welcher Hinsicht tatsächlich ernsthafte Probleme anstehen. Welche Schlußfolgerungen können daraus gezogen werden? Zunächst ist hervorzuheben, daß die Probleme - zumindest in ihrer Gewichtung - bei verschiedenen Objekten sehr unterschiedlich sind. Es wäre deshalb wenig sinnvoll, einheitliche Richtlinien schaffen zu wollen, die für alle Objekte verbindlich in das bisherige Regelwerk eingreifen. Statt dessen sollten für Objekte, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten könnten, rechtzeitig Anträge (auf Stundung oder Teilerlaß) bei der IBB gestellt werden, die - wie bei einer Neubewilligung im sozialen Wohnungsbau - entsprechend fachlich fundierte Vorlagen für den Bewilligungsausschuß (Vertreter der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Finanzen und Wirtschaft sowie der IBB) fertigt. Dieses Gremium sollte dann nach einer Einzelwürdigung des Objekts und des Eigentümers nach einem bestimmten Maßnahmenkatalog gezielte Unterstützungsmaßnahmen beschließen.
Ein solcher Maßnahmenkatalog sollte gemeinsam durch eine Kommission erarbeitet werden, deren Mitglieder sich aus den genannten Senatsverwaltungen, den Interessenverbänden und der IBB zusammensetzen.
Es sei in Erinnerung gerufen, daß in den 80er Jahren die ersten Anschlußförderungsrichtlinien in genau der gleichen Weise zustande kamen: Die einzelnen Arbeitssitzungen waren langwierig, es wurde zäh verhandelt, aber in der Sache wurde schließlich etwas gemeinsam erreicht. Ähnlich müßte jetzt vorgegangen werden. Die Probleme liegen auf dem Tisch, die Zeit läuft ab, und es gibt noch viel zu tun.
Autor: Burkhard Loth