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Häuschen weg - so oder so
05.04.2001 (GE 7/2001, 437) Was ist Wahlbetrug? Wenn man vor der Wahl etwas verspricht und es hinterher nicht hält? Sicher. Aber auch, wenn man vor der Wahl etwas verheimlicht und einen Tag danach präsentiert.
Oder glauben Sie ernsthaft, daß die sympathische SPD-Kandidatin bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, Ute Vogt, und ihr Kollege Beck aus Rheinland-Pfalz am Wahlabend so strahlend aus Wäsche und Anzug geblinzelt hätten, wenn ihre Parteifreundin Heide Simonis aus Schleswig-Holstein mit ihren SPD-Kollegen aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die SPD-Pläne zur höheren Besteuerung von Erbschaften durch Neubewertung des Grundbesitzes vor der Wahl verkündet hätte?
Die Schwaben, Badener und Pfälzer hätten den Genossen was gehustet. Man läßt sie schaffe, schaffe, um anschließend ihre Häusle zu klaue. Schließlich hat bislang noch jede Verschärfung des Steuerrechts die Kleinen besonders getroffen, denn sie haben keine Heerscharen von Anwälten und Wirtschaftsprüfern, um das Erbe am Fiskus vorbeizumogeln.

Die Öffentlichkeit reagierte entsetzt auf die neuen Abkassiererpläne, deren Urheber wohl vergessen haben, daß die Deutschen längst ein Volk von Erben geworden sind. Da kommentierte sogar der linksliberale Tagesspiegel entsetzt: „Wenn eine Steuer Vermögen vernichtet“.
Die SPD/PDS-regierten Länder möchten Grundbesitz höher bewerten, um bei ansonsten unveränderten Freibeträgen höhere Erbschaftsteuern zu erzielen, die den Ländern zustehen. Zugrunde gelegt werden soll für bebaute Grundstücke das Ertragswertverfahren – wogegen nichts einzuwenden wäre, wären da nicht die Vervielfältiger: bis zum 19fachen der vereinbarten oder ortsüblichen Miete für Ein- und Zweifamilienhäuser, bis zum 15,5fachen bei Mietwohn- und gemischten Grundstücken. Das sind Werte, die bei der derzeitigen Marktlage im Regelfall nicht zu erzielen sind. Die Erfahrungen mit der sogenannten Bedarfsbewertung, die durch das Jahressteuergesetz 1997 eingeführte Höherbewertung des Grundbesitzes, zeigen bereits jetzt, daß häufig schon die jetzigen Ansätze die Verkehrswerte überschreiten.

Überhaupt besteht eine der Unverfrorenheiten darin, das Bundesverfassungsgericht zum Esel zu machen, auf den die Bürger einschlagen sollen. Das, so die SPD-Länder treuherzig, habe doch 1995 festgestellt, daß die Bewertung des Grundbesitzes mit Einheitswerten einerseits sowie des sonstigen Vermögens mit Verkehrswerten andererseits verfassungswidrig sei. Daß als Konsequenz dieser Entscheidungen die Vermögensteuer abgeschafft und dafür die Erbschaftsteuer erhöht wurde – u. a. durch eine Höherbewertung des Grundbesitzes, wird mehr oder weniger schamhaft verschwiegen. Zahlte bis 1996 der Erbe eines durchschnittlichen 8-Familien-Hauses je nach Verwandtschaftsgrad zwischen 1.500 und 100.000 DM Erbschaftsteuer, sind seit der Gesetzesänderung im selben Fall zwischen 42.000 und 280.000 DM an Steuern fällig. Aber das ist noch nicht genug. Eine Besteuerung zu Verkehrswerten soll her und noch ein bißchen mehr – obwohl selbst bei „brutalstfiskalischer“ Auslegung des Urteils keine derartige Forderung der Verfassungsrichter erkennbar ist. Denn nach deren Auffassung dürfen die Belastungen des Grundbesitzes durch Mietpreisbindung und Kündigungsschutz, Bodenrecht und Denkmalschutz sehr wohl berücksichtigt werden.

Geradezu skurril ist der Gesetzesvorstoß angesichts der Diskussion um die neue private Altersvorsorge. Die schwierigen Bemühungen, das Wohneigentum in die neue Alterssicherung zu integrieren, werden geradezu konterkariert. Oder vielleicht doch nicht? Schließlich wollen die Sozialdemokraten ja etwas Vergleichbares: Bei der privaten Rentenversicherung soll Wohneigentum nur integriert werden, wenn das angesparte Häuschen beim Renteneintritt der Institution übereignet wird, welche die Rente zahlt. Da ist das Häuschen also vor dem Ableben weg. Beim geplanten Erbschaftsteuerrecht danach.
Angesichts dieser neuen Zumutungen muß man das Thema wohl grundsätzlicher angehen, um nicht immer wieder der politischen Zugriffsversuchung ausgesetzt zu sein. Wieso lassen wir es uns gefallen, daß unseren Kindern überhaupt was weggenommen wird, wenn wir ihnen was schenken wollen oder unsere Erdenzeit zu Ende ist? Die Gegenforderung als Antwort auf die Unersättlichkeit staatlicher Steuererfinder, -erhöherer und -eintreiber muß also lauten: Weg mit der Erbschaftsteuer!
Autor: Dieter Blümmel