Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Investitionsvorranggesetz
Fälligkeit der Erlösauskehr im InVorG-Verfahren
05.04.2001 (GE 7/2001, 469) Soweit Vermögenswerte nach dem Investitionsgesetz bzw. § 3 a Vermögensgesetz (VermG) oder dem späteren Investitionsvorranggesetz (InVorG) vom Verfügungsbefugten an einen Dritten veräußert wurden, hat der Alteigentümer (Berechtigter) anstelle der Grundstücksrückgabe einen Ersatzanspruch auf Erlösauskehr (§ 16 Abs. 1 InVorG).
I. Vorbemerkung
Oftmals sind Grundstücke durch die frühere Treuhandanstalt (THA), deren Nachfolgeorganisationen oder sonstigen Körperschaften (Gemeinden, Städten usw.) veräußert worden. Trotz bestandskräftig festgestellter Anspruchsberechtigung nach § 16 Abs. 1 InVorG weigern sich Verfügungsbefugte, unverzüglich zumindest den bereits vereinnahmten Kaufpreis auszuzahlen, u. a. mit der Begründung, es bedürfe zur Fälligkeit der Erlösauskehr erst der Gegenzeichnung der von der Verfügungsbefugten entworfenen, standardisierten „Erlösauskehrvereinbarung“. In solchen standardisierten Vertragsmustern wird i. d. R. die Höhe des Erlösauskehranspruches endgültig festgelegt unter Ausschluß sämtlicher weiterer Zahlungsansprüche einschließlich Verzugszinsen. Das LG Berlin hat jetzt diese vorformulierten Erlösauskehrvereinbarungen als unzumutbar bewertet und auch im übrigen wichtige Feststellungen getroffen, wann und in welcher Art und Weise der Erlösauskehranspruch und Nebenansprüche nach § 16 Abs. 1 InVorG geltend gemacht werden sollen. Die Berufung gegen das Urteil wurde beim Kammergericht wegen Aussichtslosigkeit vom Verfügungsbefugten zurückgenommen.

II. Umfang der Erlösauskehr
Der Verfügungsbefugte hat - soweit infolge der Veräußerung die Rückübertragung des Vermögenswertes nicht möglich ist - an den Berechtigten i. S. d. VermG bzw. § 16 Abs. 1 InVorG mit Bestandskraft des die Berechtigung feststellenden Bescheides bzw. rechtskräftigen Urteils unverzüglich den Mindesterlös, d. h. den vereinnahmten Kaufpreis auszuzahlen. Ist der Kaufpreis noch nicht an den Verfügungsbefugten ausgezahlt, besteht die Erlösauskehrverpflichtung, sobald der Geldbetrag dem Verfügungsbefugten aus dem investiven Vertrag zugeflossen ist (OLG Dresden, Urt. v. 2. April 1996, VIZ 1996, 596).
Der Anspruch des Berechtigten umfaßt aber auch weitere geldwerte Leistungen, wenn z. B. in dem Kaufvertrag Nachschußpflichten des Käufers aufgrund von Nachbewertungs- oder Mehrerlösklauseln vereinbart wurden und diese Nachzahlungsansprüche fällig und gegenüber dem Verfügungsbefugten gezahlt worden sind.
Schließlich kann der Berechtigte zunächst unverzüglich nicht nur den vereinnahmten Mindesterlös bzw. Kaufpreis vom Verfügungsbefugten fordern, sondern darüber hinaus noch die Differenz zu dem möglichen Verkehrswert, der hätte erzielt werden können, als der InVorG-Bescheid vollziehbar geworden ist. Hier muß der Berechtigte darlegen und ggf. beweisen, daß der im Zeitpunkt der Vollziehbarkeitserklärung des InVorG-Bescheides vereinbarte und gezahlte Kaufpreis unter dem damaligen Verkehrswert gelegen hat. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß bei Veräußerung mehrerer Grundstücke/Flurstücke zu einem Gesamtkaufpreis der Erlösauskehranspruch sich nicht nach einem fiktiven anteiligen Durchschnittswert der verkauften Gesamtliegenschaft richtet, sondern dieser konkret bezogen auf den auf das Grundstück entfallenden Anteil zu ermitteln ist (OLG Brandenburg ZOV 1999, 291).
Beispiel: Der Verfügungsbefugte veräußert ein straßenseitiges und hofseitiges Flurstück von jeweils 1.000 m2 in einem Grundstückskaufvertrag zum Kaufpreis von 200.000 DM (durchschnittlicher Preis 100 DM/m2). Für den Berechtigten wird der Erlösauskehranspruch für die straßenseitige Fläche festgestellt.
Rechtsfolge: Der Berechtigte kann sofort nach Bestandskraft des Feststellungsbescheides bzw. rechtskräftigen Urteils Zahlung des Mindesterlöses von 100.000 DM vom Verfügungsbefugten verlangen. Sollte dieser aufgrund von Nachbewertungs- oder Mehrerlösklauseln bereits einen höheren anteiligen Kaufpreis erhalten haben oder zukünftig erhalten, ist dieser an den Berechtigten auszuzahlen. Sollte der Berechtigte darlegen und beweisen können, daß die straßenseitige Teilfläche von 1.000 m2 einen höheren Verkehrswert darstellte als der durchschnittlich erzielte Gesamtkaufpreis aus Vorder- und Hinterland, so kann der Berechtigte vom Verfügungsbefugten den Differenzbetrag zwischen Mindesterlös und Verkehrswert des Vorderlandgrundstückes verlangen.

III. Verzug und Verzugsschaden
Fällig ist der Erlösauskehranspruch mit Bestandskraft des Feststellungsbescheides bzw. Rechtskraft eines feststellenden Urteils. Zahlungsverzug tritt erst ein, wenn der Berechtigte den Verfügungsbefugten aufgefordert hat, den Erlös zu zahlen, z. B. durch Mahnung i. S. d. § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB oder Klage auf Leistung bzw. Zustellung eines Mahnbescheides i. S. d. § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Zahlungsverzug bzw. (Verzugs-) Zinslauf beginnt am Tag, der auf den Zahlungsverzug folgt.
Als Mindestverzugsschaden kann nach § 288 Abs. 1 Satz 1 seit 1. Mai 2000 ein Verzugszins von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9. Juli 1988 geltend gemacht werden. Dies sind derzeit 9,26 % Verzugszinsen als Mindestschaden. Darüber hinaus kann der Berechtigte einen höheren Verzugsschaden geltend machen, wenn er nachweist, daß er infolge des Zahlungsverzuges einen weiteren Schaden erlitten hat, § 288 Abs. 2 BGB.

IV. Erlösauskehrvereinbarungen
Oftmals wurde vom Verfügungsbefugten, insbesondere der früheren Treuhandanstalt und BvS oder ihrer Tochterunternehmen, die Auszahlung des Mindesterlöses über Monate (im entschiedenen Fall 14 Monate!) verschleppt, um den Berechtigten zu nötigen, seine Anspruchsberechtigung auf einen ziffernmäßig festgelegten Geldbetrag zu beschränken, auf Zins- und Verzugszinsansprüche zu verzichten, ebenso auf möglicherweise im Kaufvertrag vereinbarte Nachbewertungs- und Mehrerlösansprüche. Diese als vom LG Berlin für den Berechtigten unzumutbar und im übrigen gesetzwidrig beurteilten Vertragsmuster müssen vom Berechtigten nicht unterschrieben werden. Der Abschluß einer solchen Vereinbarung ist für die Fälligkeit des Zahlungsanspruches vollkommen irrelevant, und die darin getroffenen Verzichtsregelungen stellen sich i. d. R. als z. T. erheblicher Vermögensnachteil für den Berechtigten dar und dienen ersichtlich ausschließlich dem Ziel, dem Verfügungsbefugten rechtsgrundlos Vermögensvorteile durch die von ihm vorformulierten Vertragsbedingungen zu verschaffen.
Der Schadensersatz aus verspäteter Zahlung des Mindesterlöses kann ergänzend i. d. R. auch gegen die beschäftigten Mitarbeiter der Verfügungsbefugten (soweit diese eine Körperschaft des öffentliches Rechts ist und der Mitarbeiter hoheitlich gehandelt hat) geltend gemacht werden, vgl. § 839 I S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG. An dem Verschulden der einzelnen Behördenmitarbeiter hat im entschiedenen Fall das LG Berlin jedenfalls keinen Zweifel gehabt und ausdrücklich in einem obiter dictum auf die persönliche Haftung der Mitarbeiter wegen vorsätzlich bzw. grob fahrlässig verweigerter unverzüglicher Auszahlung hingewiesen.
LG Berlin, Urteil vom 26. Februar 1999 - 5.O.418/98 - Wortlaut GE 7/2001 Seite 490
Autor: RA Gunnar Schnabel