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Eigentümer muß bei Tod des Nutzers pietätlos schnell handeln
Kündigung von Datschengrundstücken
05.04.2001 (GE 7/2001, 479) Es geht um die Möglichkeiten der Kündigung von Erholungsgrundstücken auf dem Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin-Ost.
I. Vorbemerkung
Über die Möglichkeiten der Kündigung von Erholungsgrundstücken auf dem Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin-Ost ist hier bereits wiederholt berichtet worden1). Als allgemein bekannt darf unterstellt werden, daß die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung von Nutzungsverhältnissen seitens des Eigentümers, bei denen der Nutzer bereits am 3. Oktober 1990 das 60. Lebensjahr vollendet hatte, regelmäßig nicht besteht2). Dieser Kündigungsausschluß besteht auf Lebenszeit des Nutzers3). Er ist, obgleich in der rechtswissenschaftlichen Literatur hochgradig umstritten4), vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden5). Angesichts des fortgeschrittenen Alters dieser Nutzer gewinnt mit zunehmendem Zeitlauf die Regelung des § 16 I Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) an Bedeutung, nach der anläßlich des Todes des Nutzers die Kündigung des Nutzungsverhältnisses erklärt werden kann. Dabei wird häufig übersehen, daß das Nutzungsverhältnis bei Tod des Nutzers nicht automatisch endet, sondern sich vielmehr mit dem oder den Erben fortsetzt und auch in diesem Fall fortan dem bis zum 3. Oktober 2015 zugunsten des Nutzers bestehenden Kündigungsschutz der Regelung des § 23 SchuldRAnpG unterliegt. Das Nutzungsverhältnis wird lediglich dann nicht automatisch mit sämtlichen Erben fortgesetzt, wenn der Nutzer im Zeitpunkt seines Todes noch verheiratet ist. Die Fortsetzung bezieht sich dann allein auf den überlebenden Ehegatten, § 16 II SchuldRAnpG. Die Kündigung nach § 16 I SchuldRAnpG ist dann ausgeschlossen.

II. Sonderkündigungsrecht
Sofern im Fall des Todes des Nutzers kein überlebender Ehegatte existiert und sich deshalb das Nutzungsverhältnis mit den Erben fortsetzt, gewährt das SchuldRAnpG mit der Regelung des § 16 I SchuldRAnpG sowohl den Erben, als auch dem Grundstückseigentümer ein Sonderkündigungsrecht unter Verweis auf die Regelung des § 569 BGB.
Die Einräumung des Sonderkündigungsrechts zwingt den Grundstückseigentümer allerdings zu einem nahezu pietätlos beschleunigten Handeln. Das Sonderkündigungsrecht darf nach der Regelung des § 569 I BGB nur für den ersten Termin ausgeübt werden, für den es zulässig ist. Dies ist der erste Termin, an dem dem Eigentümer die Kündigung subjektiv möglich ist6). Verstreicht dieser Termin, besteht keine Kündigungsmöglichkeit mehr7).
Der Zeitpunkt der (einmaligen) Zulässigkeit einer Kündigung nach §§ 16 I SchuldRAnpG, 569 I BGB läßt sich hiernach nicht abstrakt berechnen. Maßgeblich ist zunächst, daß der Grundstückseigentümer vom Tod und den Erben Kenntnis erlangt8). Die Rechtsprechung fordert dem Grundstückseigentümer dabei jedoch ein hohes Maß an Sorgfalt und Eigeninitiative ab. Er muß das ihm nach den Umständen Zumutbare tun, um sich Gewißheit über die Person des oder der Erben zu verschaffen, anderenfalls er sein Kündigungsrecht verliert9).
Der Eigentümer darf hiernach seine Augen vor einem möglichen Ableben des Nutzers nicht verschließen. Sofern ihm Anhaltspunkte vorliegen, die auf den Tod des Nutzers hindeuten, ist er gehalten, diesbezüglich Nachforschungen anzustellen. Gleiches gilt, wenn er vom Tod des Nutzers positive Kenntnis erlangt, hinsichtlich der Erben. Wird die zumutbare Sorgfalt auch nur in einem dieser Punkte vernachlässigt, geht das Kündigungsrecht verloren.
Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der durch den Eigentümer zu treffenden Feststellungen ergeben sich aus dem Umstand, daß die nach §§ 16 I SchuldRAnpG, 569 I BGB erklärte Kündigung des Nutzungsverhältnisses nur einheitlich gegenüber sämtlichen Erben erklärt werden kann10). Wird die Kündigung auch nur an einen Erben nicht gerichtet, scheitert die gesamte Erklärung auch gegenüber den übrigen Erben. Die Ermittlung der Erben, die regelmäßig nur unter Einschaltung des Nachlaßgerichts erfolgen kann, birgt insbesondere dann Schwierigkeiten, wenn Testamente vorliegen, die auslegungsbedürftig oder gar widersprüchlich sind. In diesem Falle sollte die Erklärung vorsorglich gegenüber sämtlichen in Betracht kommenden Erben abgegeben werden. Daß die Erklärung damit möglicherweise auch gegenüber Nichtberechtigten abgegeben wird, ist unschädlich. Nachdem die potentiellen Empfänger der Kündigung durch den Eigentümer festgestellt worden sind, ist es darüber hinaus erforderlich, deren aktuelle Anschrift sicher festzustellen, damit die nachfolgende Zustellung der Kündigung nicht scheitert. Hier sind aktuelle Nachfragen bei den zuständigen Einwohnermeldeämtern regelmäßig unerläßlich.
Sofern potentielle Erben bereits bekannt sind, empfiehlt es sich, parallel zu den eigenen Ermittlungen, an diese heranzutreten und Auskunft über die übrigen Erben zu verlangen. Die in das Nutzungsverhältnis eingetretenen Erben sind dem Eigentümer diesbezüglich auskunftspflichtig11). Die Verletzung dieser Auskunftspflicht führt zu Schadensersatzansprüchen12) des Eigentümers, die je nach Verwendungsabsicht hinsichtlich des Grundstückes erhebliche Höhen erreichen können.
Die Ausschlagung der Erbschaft nach Kündigung beseitigt deren Wirkungen nicht13).
Die Erklärung ist durch den Vermieter abzugeben. Veräußerungsfälle sind hier eine häufige Fehlerquelle. Die Vermieterstellung bleibt dem veräußernden Grundstückseigentümer bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Die in einem Kaufvertrag erklärte Auflassung, die darauf gründende Auflassungsvormerkung oder auch eine dortige Ermächtigung zur Wahrnehmung der Rechte des Eigentümers reichen nicht aus, um die Kündigung im eigenen Namen zu erklären14). Bei mehreren Grundstückseigentümern ist eine gemeinschaftliche Abgabe erforderlich. Im Falle der Vertretung bei Abgabe der Erklärung ist die Originalvollmacht des Eigentümers beizufügen, anderenfalls die Erklärung durch den Nutzer nach § 174 BGB zurückgewiesen werden kann und damit ihre Wirkungen verliert.
Die einzuhaltende Kündigungsfrist bemißt sich für Nutzungsverhältnisse, auf die gem. § 6 I SchuldRAnpG das Mietrecht Anwendung findet, nach der Regelung des § 565 I Nr. 3, V BGB. Hiernach ist die Erklärung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Monats abzugeben. Erlangt der Eigentümer beispielsweise zu Beginn des Monats März 2001 Nachricht vom Tod des Nutzers und ermittelt anschließend im selben Monat noch die in Frage kommenden Erben und deren Anschriften, muß er die Kündigung zum 30. Juni 2001 erklären und diese Erklärung dem Nutzer bis spätestens zum 4. April 2001 zugehen lassen, anderenfalls er sein Kündigungsrecht verliert. Erreicht er die Erbenermittlung trotz zumutbaren Engagements erst später, muß er auch hier wieder bis zum dritten Werktag des Folgemonats die Kündigungserklärung zustellen, deren Kündigungswirkungen dann zum Ablauf des übernächsten Monats eintreten.
Bei den verhältnismäßig seltenen Nutzungsverhältnissen, auf die (entgegen dem üblichen Sprachgebrauch „Pachtverhältnis”) gem. § 6 I SchuldRAnpG tatsächlich das Pachtrecht anwendbar ist, ist unklar, ob der Gesetzgeber die Anwendung der Frist des § 584 I BGB wollte oder ob die Kündigungsfrist des § 565 I Nr. 3, V BGB auch hier gelten sollte15). Wortlaut der Norm und amtliche Begründung des Gesetzes differenzieren hier nicht. Systematisch dürfte über die Regelung des § 6 I SchuldRAnpG der Anwendung der Frist des § 584 I BGB der Vorzug zu geben sein. In diesen Fällen ist die Kündigung daher nur zum Schluß des Pachtjahres zulässig und muß bis spätestens zum dritten Werktag des letzten Pachthalbjahres erklärt sein.

III. Entschädigungsfragen
Die nach § 16 I SchuldRAnpG, § 569 I BGB erklärte Kündigung des Nutzungsverhältnisses führt grundsätzlich zur Pflicht des Eigentümers, Entschädigung für ein entsprechend den Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik errichtetes Bauwerk gem. § 12 II SchuldRAnpG zu leisten (Zeitwertentschädigung für Kündigungen bis zum 3. Oktober 2015)16). Der Umfang einer solchen Entschädigung wird seitens der Nutzer jedoch regelmäßig überschätzt. Der Eigentümer sollte sich hier nicht leichtfertig auf überhöhte Forderungen einlassen. Die Herausgabe des Grundstückes kann der Nutzer nicht von der Einigung in der Entschädigungsfrage abhängig machen. Schwarzbauten sind nicht zu entschädigen.
Ob darüber hinaus die Entschädigungspflicht für sonstige Vermögensnachteile nach § 14 SchuldRAnpG entstehen sollte, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt17). Nach Sinn und Zweck der Regelung findet sie auf das Sonderkündigungsrecht nach § 16 I SchuldRAnpG, § 569 I BGB keine Anwendung. Die Regelung sollte dem bislang die Nutzung ausübenden Nutzer, dessen Nutzungsrecht sich bereits zur Zeit des Bestehens der DDR manifestiert hatte, die Möglichkeit gewähren, Kostenersatz für die Suche nach einem Ersatzgrundstück sowie für den vorzeitigen Umzug und damit verbundener Mehraufwendungen verlangen zu können. Das mit dem Tod des Nutzers erlangte Nutzungsrecht des Erben hat sich nicht in vergleichbarer Weise manifestiert. Der Erbe hat hier selbst keinerlei persönliche Dispositionen getroffen, die es rechtfertigen, ihm die Kosten für die Suche nach einem Ersatzgrundstück und einen vorzeitigen Umzug zu erstatten. Das Bundesverfassungsgericht hat schließlich in seinem Beschluß vom 14. Juli 199918) klargestellt, daß die Anwendung der Regelung des § 14 SchuldRAnpG nur in den Fällen der Kündigung nach § 23 II S. 1 Nr. 2, S. 2 und VI S. 3 SchuldRAnpG verfassungsgemäß ist. § 14 SchuldRAnpG findet daher auf das Sonderkündigungsrecht nach §§ 16 I SchuldRAnpG, 569 I BGB keine Anwendung19).

IV. Fazit
Das Sonderkündigungsrecht bei Tod des Nutzers nach §§ 16 I SchuldRAnpG, 569 I BGB stellt für den Eigentümer ein bedeutendes Instrument zur vorzeitigen Beendigung von Nutzungsverhältnissen dar. Die Kündigung kann jedoch nur für den ersten möglichen Termin erklärt werden, so daß der Eigentümer gehalten ist, unverzüglich nach Kenntnis vom Tod des Nutzers eigene Ermittlungen hinsichtlich der möglichen Erben anzustellen und an diese unverzüglich mit der Erklärung der Kündigung heranzutreten. Die Kündigung scheitert, wenn auch nur ein Erbe mit der Erklärung nicht erreicht wird. Sie scheitert ferner, wenn der Eigentümer das ihm Zumutbare, sich über die Person des oder der Erben Gewißheit zu verschaffen, vernachlässigt. Wird die Kündigung rechtzeitig erklärt, beendet sie das Nutzungsverhältnis zum Ablauf des übernächsten Monats.

Fußnoten:
1) vgl. zuletzt Schnabel, GE 1999, 1093; GE 2000, 1438
2) Ausnahme nur für nicht vom Nutzer bebaute Grundstücke, BVerfG NJW 2000, 1471
3) § 23 V SchuldRAnpG
4) vgl. Schnabel, Schuldrechtsänderungsgesetz, Einführung, Rn. 13; Rädler/Raupach/Bezzenberger-Gemmeke, § 23, Rn. 5 ff.
5) BVerfG NJW 2000, 1471, 1474
6) vgl. Sonnenschein ZMR 1992, 417
7) vgl. Palandt-Weidenkaff, § 569 BGB, Rn. 7; MünchKomm-Voelskow, § 569 BGB, Rn. 8, m. w. N. Tatsächlich überspannt die Rechtsprechung hier die Pflichten des Eigentümers. Der Erbe ist als neuer Vertragspartner des Eigentümers verpflichtet, diesen über die vertragswesentliche Änderung der Person des Nutzers aufzuklären, anderenfalls er sich schadensersatzpflichtig macht. Vor dieser Information ist es treuwidrig, die Frist des § 569 I BGB laufen zu lassen. So im Ergebnis auch Schnabel, Schuldrechtsänderungsgesetz, § 16, Rn. 2 a. E.
8) vgl. LG Berlin ZMR 1988, 181
9) vgl. OLG Hamm ZMR 1981, 211, MünchKomm-Voelskow, § 569 BGB, Rn. 8, m. w. N.; Sternel, Mietrecht, 3. Auflage, Teil IV, Rn. 540
10) vgl. MünchKomm-Voelskow, § 564 BGB, Rn. 24
11) vgl. Palandt-Weidenkaff, § 535 BGB, Rn. 21
12) vgl. Palandt-Weidenkaff, § 535 BGB, Rn. 24
13) § 1959 III BGB
14) allg. M., vgl. MünchKomm-Voelskow, § 571 BGB, Rn. 17
15) Ersteres bejahend: Schnabel, Schuldrechtsänderungsgesetz, § 16, Rn. 3; MünchKomm-Kühnholz, § 16, Rn. 4.
16) Einzelheiten zur Entschädigungspflicht bei Schnabel, Datschen- und Grundstücksrecht 2000, Seite 59 ff.; Kühnlein, VIZ 2000, 578 ff.
17) vgl. Schnabel, SchuldRAnpG, § 14, Rn. 4
18) NJW 2000, 1471, 1477
19) so auch Schnabel, Datschen- und Grundstücksrecht 2000, Seite 64
Autor: RA Andreas Kühnlein