Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Eigenbedarf
Keine Ersatzwohnung aus anderem Bezirk
09.10.2000 (GE 19/2000, 1292) Kündigt ein Vermieter wegen Eigenbedarfs, muß er dem Mieter freie oder freiwerdende Ersatzwohnungen im selben Haus anbieten. Verfügt der Vermieter über Ersatzwohnungen in einem anderen Stadtbezirk, gilt das (wohl) nicht. Grauzone bleibt die nähere Umgebung.
Der Fall: Einem ohne Bezüge bis zur Pensionierung beurlaubten Lehrer und Kunstmaler in Rudow war von seinem Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt worden. Das gekündigte Einfamilienhaus wurde für den Sohn gebraucht, weil der sich von seiner Frau getrennt hatte.
Der gekündigte Lehrer argumentierte im Räumungsverfahren vergeblich, daß der Vermieter in Berlin-Mariendorf für den Sohn eine leerstehende Eineinhalb-Zimmerwohnung zur Verfügung gehabt hätte. Außerdem wandte der Mieter ein, der Vermieter habe auch über leerstehende Wohnungen im Berliner Bezirk Reinickendorf verfügt, die habe er ihm andienen müssen.
Nach der Rechtsprechung ist nämlich ein Räumungsverlangen nach einer Eigenbedarfskündigung dann rechtsmißbräuchlich, wenn der Vermieter dem Mieter nicht eine Reihe von Ersatzwohnungen aus seinem Bestand anbietet.
Das Landgericht Berlin hatte den Mieter dennoch zur Räumung verurteilt und damals die Auffassung vertreten, eine solche Anbietpflicht bestehe nicht, wenn die Alternativwohnung in einem anderen Bezirks Berlins liege (die Entscheidung des Landgerichts ist veröffentlicht in DAS GRUNDEIGENTUM 2000, 59). Gegen die landgerichtliche Entscheidung hatte der Mieter Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Das Urteil: Die Verfassungsbeschwerde gegen das Landgerichtsurteil hat der Verfassungsgerichtshof von Berlin mit Beschluß vom 24. August 2000 zurückgewiesen. Das Urteil bleibe „im Rahmen des mietrechtlichen Meinungsspektrums”. Es könne offenbleiben, ob überhaupt den Vermieter eine Anbietpflicht treffe. Jedenfalls liegt dann eine räumlich-gegenständliche Begrenzung auf die nähere Umgebung nahe.
Den Wortlaut des gesamten Urteils finden Sie abgedruckt in der Zeitschrift DAS GRUNDEIGENTUM (19/2000, 1324).
VerfGH Berlin, Beschluß vom 24.August 2000
- VerfGH 107 A/99, 107/99 -

Tip: Zwischen einem Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 27. Januar 1993 (GE 1993, 369) und der vom Berliner Verfassungsgerichtshof gebilligten Entscheidung des Landgerichts Berlin liegt eine breite Grauzone. Eine freie Wohnung im selben Haus muß nach OLG Karlsruhe dem wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieter angeboten werden, eine Wohnung in einem anderen Stadtbezirk nach LG Berlin nicht. Für die dazwischenliegende - schwer definierbare - „nähere Umgebung“ wird überwiegend eine Andienungspflicht bejaht. Beispiele: Angrenzende Doppelhaushälfte und/oder Wohnung in Nachbargebäude (LG Berlin GE 1994, 995 und GE 1997, 240; LG Osnabrück WM 1998, 313; LG Wuppertal WM 1998, 599). Wohnungen in der Umgebung müssen angedient werden nach LG Berlin (MM 1993, 394) und noch weitergehend aus dem gesamten zur Bedarfsdeckung geeigneten Wohnungsbestand eines Vermieters (LG Berlin NJW-RR 1994, 850, 852).
Im Zweifelsfall sollte dem gekündigten Mieter also besser eine Ersatzwohnung angeboten werden, um an dieser Ecke einem Scheitern vor Gericht vorzubeugen. Falls hinzutretende Gründe den Abschluß eines neuen Mietverhältnisses mit dem Mieter über eine andere Wohnung unzumutbar machen sollten, spielt das natürlich auch eine Rolle für die Frage, ob den Vermieter überhaupt eine Andienungspflicht trifft, was der Berliner Verfassungsgerichtshof ausdrücklich offenläßt.