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Zwielichtige Geschichten
22.03.2001 (GE 6/2001, 368) Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ist unter die Vermieter gegangen. Allerdings nur unter die Ferienwohnungs-Vermieter. Er hat sich, wie durch die Berliner Zeitung zutage kam, eine Eigentumswohnung auf Usedom gekauft und mit einem Hypothekarkredit der Berlin Hyp finanziert. Zu einem Zins (6,17 %) allerdings, zu dem auch andere Leute dort solche Kredite bekommen.
Warum eigentlich gibt es so oft zwielichtige Geschichten oder jedenfalls Merkwürdigkeiten zwischen der Politik und ausgerechnet dem Immobilienbereich? Wieso nicht mit anderen Wirtschaftszweigen? Sage keiner, da gäbe es derartige Verquickungen nicht. Bei Immobilien jedenfalls scheint das häufiger herauszukommen. Mit einer solchen Affäre, die nach seiner Ansicht natürlich keine ist, hat es derzeit Sachsens König Biedenkopf zu tun. Wie wir bereits vor vielen, vielen Monaten berichteten, gibt es da einen engen Freund Biedenkopfs namens Karl-Heinz Barth, der 1992 in Leipzig am Stadtrand einen großen Bürokomplex errichtete, den er dank Biedenkopfs Hilfe sicher und lukrativ an neun sächsische Behörden vermieten konnte. Für jeden Bauherrn und Vermieter sind solche Mieter das große Los in der Glücksspirale. Biedenkopf persönlich hat in einem Schreiben an seinen damaligen (und inzwischen hinausgekanteten) Finanzminister Georg Milbradt detailliert festgelegt, welche Behörden zu welchen Konditionen bei seinem Freund Barth Büros mieten sollen. Was sie dann taten, 5.000 Quadratmeter zuviel mit einem Schaden von 1,35 Milo. DM je Jahr, wie der Sächsische Landesrechnungshof 1997 rügte. Nun mußte König Kurt vor einen Untersuchungsausschuß des Sächsischen Landtages, wo er zur Verblüffung vor allem seiner politischen Gegner nichts abstritt, sondern sein großes Engagement für den Bau seines Freundes einräumte. Ganz selbstverständlich habe er dem Freund geholfen und sich über das Bauprojekt laufend unterrichten lassen. Und als Armaturen von den Toiletten des Bürokomplexes gestohlen wurden und sich Freund Karl-Heinz deshalb an ihn wandte, intervenierte Biedenkopf persönlich beim Leipziger Polizeipräsidenten und drang auf stärkere Kontrollen. Sich mit solchen Kleinigkeiten zu befassen, sei Geheimnis seiner erfolgreichen Regierungsarbeit, argumentierte Biedenkopf doch allen Ernstes vor dem Ausschuß. Das ist starker Tobak, wenn ein Ministerpräsident erklärt, er kümmere sich persönlich um jede gestohlene Klo-Armatur. Das Vorhaben ging ohne Ausschreibungsverfahren an den Freund, und als das Genehmigungsverfahren für den Bau sich schleppte, rief Biedenkopf persönlich den zuständigen Beamten an. „Und dann kümmerten die sich, ruck, zuck.” Denn vor zehn Jahren hätte gehandelt werden müssen, „da war keine Planwirtschaft mehr“. Fragt sich nur, wie man diese Wirtschaft nennen soll. Biedenkopf-Wirtschaft? Vetternwirtschaft? Nicht einmal die Frage nach angeblichen Spenden seines Freundes Karl-Heinz Barth brachten Biedenkopf aus dem Konzept. Barth war von einem Magazin mit den Worten zitiert worden, er habe seinem Freund „Biedi” und auch Sachsens CDU mehrfach Geldspenden, auch von Unternehmer-Kollegen zukommen lassen. Da irre sich Barth wohl, vermerkte Biedenkopf kühl. Er habe sich bei seinem Schatzmeister vergewissert. Kann man nur hoffen, daß die sächsische Buchführung der CDU nicht das Niveau der Berliner hat. Jedenfalls hat Biedenkopfs Freund Barth an der Leipziger Universität befristet einen Lehrstuhl gesponsert - für Meinhard Miegel vom Institut für Politik und Gesellschaft (IWG). Da ist es wenigstens im Freundeskreis geblieben, das Geld. Denn Meinhard Miegel, einer der glänzendsten Verfechter der Marktwirtschaft und ein ausgewiesener Rentenexperte, und Kurt Biedenkopf sind seit Jahrzehnten ein Gespann.