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Das Schloß und die Kommission
22.03.2001 (GE 6/2001, 365) Wie die Sonne durch die Wolken des grauen Märzhimmels, so blinzelten auch durch den Berliner Blätterwald Mitte März gelegentlich Artikel, die sich mit anderem befaßten als mit Herrn Landowsky in Berlin und mit Herrn Strieder in Cannes, von den Affären der Bankgesellschaft zu schweigen. Herrn Nieda-Rümelin, Herrn Thierse und einer vor Monaten eingesetzten Kommission sei Dank, daß Schloßplatz und Schloß doch gelegentlich als Lustgarten der städtischen Debatte den Blick wieder freigaben auf das Wesentliche.
Die Schelte des Kommissionsvorsitzenden, man möge sich doch, bitteschön, mit öffentlichen Äußerungen zurückhalten und der Kommission nicht ins Mundwerk pfuschen, mutete da freilich an wie der Versuch, die BSE-Krise durch Propagierung des Vegetariertums zu beenden. Man wird den Menschen die Lust auf Fleisch so wenig austreiben wie die Lust auf Debatten - am allerwenigsten, wenn es, wie Wolfgang Thierse zu Recht feststellt, um das Herzstück Berlins, um nichts anderes als dessen Geburtsort, die Spree-Insel, geht, um den Punkt, wo Berlins wichtigste Straße, die Linden, auf Berlins grandiosestes Bauwerk, eben das Schloß, stoßen müßte - schräg, unregelmäßig und großartig in der Perspektive.

Daß die Entscheidung, was nun geschehen soll, mal wieder in die Hände einer Kommission gelegt wurde, hat ja gute Tradition - nicht nur in Deutschland. Das älteste aller großen Parlamente, das britische Unterhaus, pflegte schon im 19. Jahrhundert Kommissionen zu berufen, wenn man sich mal wieder gar nicht einigen konnte und ohne Gesichtsverlust die Endlosvertagung einer Sache anstrebte.
Daß ausgerechnet ein Kultur-Staatsminister die Wiederherstellbarkeit des Schlosses in Frage stellt, läßt freilich Zweifel an der Richtigkeit seiner Bestellung aufkommen. Denn eigentlich müßte der Mann doch den Reichstag kennen, der ja nicht nur durch seine Verhüllung, sondern mehr noch durch seine Wiederherstellung zum allseits akzeptierten nationalen Bauwerk wurde. Und das mit einer anderen Kuppel und radikal neuer Innengestaltung. Gibt es ein besseres Beispiel für modernen Denkmalschutz?

Daß Breslaus und Danzigs Altstädte nach ihrer fast völligen Vernichtung wieder so aufgebaut wurden, wie sie mal waren, weiß vielleicht noch der eine oder andere. Daß es sich dabei z. B. bei der Breslauer Universität und deren Aula oder bei den Danziger Patrizierhäusern teilweise um große Bauwerke und bei den Altstädten im ganzen um weit größere Dimensionen handelte als beim Schloß, dürfte weniger geläufig sein. Daß aber - und das wiegt doch wohl im geld- und neidversessenen Deutschland noch schwerer - der polnische Staat, der all das finanzierte, bettelarm war und ist im Vergleich zum wieder reich gewordenen Deutschland, machen sich wohl die wenigsten klar.
Solange es Dokumente, Zeichnungen und Fotos gibt, ist nichts, was der Mensch zerstört hat, ganz und gar verloren. Nur weil Bomben es trafen, weil es brannte, weil Ideologen die immer noch großartige Ruine abreißen ließen, sollen Jahrhunderte Baugeschichte endgültig geschleift sein und vergessen werden?

Vielleicht geht man ja in Potsdam besser mit der nämlichen Frage um. Freilich ist auch dort nicht zu begreifen, wie man die Antwort auf eine städtebaulich-historische Frage ersten Ranges durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft suchen läßt. Sind wir denn in Berlin und Brandenburg schon so heruntergekommen, daß wir sogar das Denken delegieren müssen - an wen auch immer? Hoffen wir, daß die Berliner Kommission sich nicht als „sanctum officium” (heiliges Amt, gleichgesetzt mit der Inquisition) geriert, denn dann bliebe nichts als ihre Abschaffung übrig. Außer Spesen nichts gewesen, müßte es dann wohl heißen.
Autor: Dietmar Otremba