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Keine Bank mehr
08.03.2001 (GE 5/2001, 297) Es muß einen schon traurig machen, wenn man sieht, was im vergangenen Jahrzehnt aus den Berlinern wurde. Traditionsreiche Namen - teils in großen Schwierigkeiten, teils nur noch ein Anhängsel oder einfach verschwunden: Die Berliner Volksbank, die Grundkreditbank und die Berliner Bank, die Köpenicker Bank.
Und seit Monaten die Dauerkrise bei der Bankgesellschaft Berlin, 1994 erst entstanden, heute nur wegen der Gesellschafterstruktur kein Übernahmekandidat. Fehlende Offenheit und fehlendes Krisenmanagement haben die Bankgesellschaft an den Punkt geführt, an dem sie jetzt steht - nachhaltig beschädigt, ein Spielball in der täglichen, immer höhere Wellen schlagenden Berichterstattung, ein großer Tanker, der scheinbar führerlos auf Felsen zuläuft, mit nur einer stabilen Tendenz: dem Aktienkurs. Der geht seit Februar 1996 bis heute nur nach unten.
Um eines vorweg zu sagen: Natürlich leidet die Bankgesellschaft unter der Immobilienkrise der vergangen fünf, sechs Jahre. Natürlich gab es da Fehleinschätzungen, ließ man sich mitreißen, war der Appetit größer als der Magen - aber das ging andern Banken auch so, und die haben die Krise gemeistert. Natürlich sind manche der Schwierigkeiten des Konzerns, der in den Jahren 1994 bis 1999 einen Wertberichtigungsbedarf von sieben Milliarden Mark zu verkraften hatte und der auch jetzt noch 5 Milliarden Kreditvolumen in den Büchern zu stehen hat, die er lieber nicht hätte (in Bankiersdeutsch: „beobachtungswürdige Kredite“), auf Immobilienengagement zurückzuführen. Aber doch längst nicht alle.
Das Problemkind Berliner Bank, bei Gründung der Bankgesellschaft eine der drei Säulen (neben Landesbank und Berlin Hyp), beispielsweise, 1950 vom legendären Berliner Bürgermeister Ernst Reuter gegründet, um die regionale Wirtschaft mit Geld zu versorgen, wurde von Sohn Edzard, dort seit 1978 Aufsichtsratschef, zusammen mit Bankvorstand Wolfgang Steinriede in westdeutsche und ausländische Höhen und Weiten geführt, wo man oft nur bei Risiken ins Geschäft kam, die den Platzhirschen zu heiß waren. Und so war man bei fast allen Großpleiten dabei: bei der des CD-Fabrikanten Reiner Pilz, bei der März-Gruppe (Fleischfabriken), bei Maculan (Baukonzern), beim Bremer Vulkan, bei Moksel (Fleisch) oder bei Balsam - die Berliner Bank hat mit dem Verlust der Eigenständigkeit bezahlt.
Wir wollen auch nicht vergessen, daß trotz aller Versuche, sich überregional zu betätigen, der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in Berlin-Brandenburg verblieb. Und das bedeutet eben auch, daß die Berliner Bankgesellschaft nicht von der Wirtschaftsentwicklung dieses Raumes abgekoppelt war. Der Strukturwandel Berlins im vergangenen Jahrzehnt bei Beschäftigten und Betrieben war gewaltig, der Verlust an Bevölkerung, Arbeitsplätzen, Kaufkraft auch.
All das ist zugestanden und auch, daß die Bankgesellschaft sich an eine Neuordnung des Konzerns machte.
Aber es bleibt auch viel durch den derzeitigen Vorstand Hausgemachtes übrig, für das jemand die Verantwortung tragen muß. Das betrifft viele Felder: von notleidenden Engagements in Firmen oder Personen, wo mit Recht gefragt wird, wieso dort Geld floß, über strategische Fehlentscheidung wie etwa dem Eigenengagement in Immobilienentwicklung, wo man Kunden das Wasser abgrub, bis hin zum Krisenmanagement des letzten halben Jahres, das keines war, sondern nach dem Strickmuster ablief: Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffel (Beteiligung einer anderen Bank, keine Beteiligung, Börsengang der IBG, kein Börsengang, sondern Einbringung in neue Gesellschaft, die verkauft wird oder vielleicht doch nicht kann oder darf oder wird …).
Daß die Bankgesellschaft Berlin - ob die Holding, die Berlin Hyp, die Töchter - beinahe im Tagestakt auf Presseveröffentlichungen mit halben oder ganzen Dementis oder Gegendarstellungen reagieren muß oder der Konzernchef selbst sich mit einer im Abgeordnetenhaus vertretenen Partei anlegt und ihr mit juristischen Schritten droht, spricht weiß Gott auch nicht für ein souveränes Krisenmanagement. So scheint es unausweichlich, daß die Eigentümer der Bank Verantwortung dort einfordern werden, wo sie getragen wird. Berlins Finanzsenator Peter Kurth hat das Datum genannt: sobald die Sonderprüfungen durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen abgeschlossen sind.
Dabei ist die große Chance der Bankgesellschaft Berlin, daß die entscheidenden Weichenstellungen von einem gelernten Banker vorgenommen werden. Kurth wird wissen, daß ein auf die Region Berlin-Brandenburg fokussierter Berliner Bankkonzern, der sich auf seine Kernkompetenz beschränkt, gerade angesichts der gravierenden Änderungen bei den Kreditvergabe-Regeln durch europäische Vorgaben („Basel II“) für die gesamte Wirtschaft der Stadt überlebensnotwendig ist und um ein Vielfaches wichtiger als eine ausgefallene Dividende, die ohnehin nur für zwei Wochen öffentlicher Zinszahlungen reicht.
Autor: Dieter Blümmel