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Problemvorstellung und zugleich Tip für Rechtsanwender
Mietvertragsänderung und gesetzliche Schriftform
23.02.2001 (GE 4/2001, 256) Die gesetzliche Schriftform, die für Raummietverträge vorgeschrieben ist, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, hat ihre Tücken. Diese ergeben sich zum einen aus der Frage, wie im einzelnen die Schriftform eingehalten werden kann, zum anderen aus der Notwendigkeit, daß grundsätzlich auch Vertragsänderungen (Laufzeit, Miethöhe etc.) der gesetzlichen Schriftform bedürfen, bei einem Verstoß der ganze Mietvertrag unter Beachtung von Fristen (unter Umständen vorzeitig) gekündigt werden kann. Das mag zwar nicht durchgängig gelten. Aber: Man ist gut beraten, jede Änderung eines Vertrages schriftlich unter Dach und Fach zu bekommen!
Die jahrelang währende Unsicherheit, wie denn nun bei einem längeren Vertrag, der nicht auf einer Seite Platz hatte, die gesetzliche Schriftform zu wahren ist, dürfte im wesentlichen vorbei sein. Der Streit, wie denn nun die einzelnen Blätter miteinander verbunden werden müssen, ist überwiegend schon Rechtsgeschichte. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes (GE 1997, 1518 = WuM 1997, 667) ist die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform gewahrt, wenn sich die Einheit der Urkunde aus fortlaufender Paginierung der Blätter, Numerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt. Bei Einlageblättern (z. B. beim GEV-Mietvertragsformular das Einlageblatt für preisgebundenen Neubau) sollte aber zur Sicherheit darauf geachtet werden, daß sich der Kopf der Einlage auf den bestimmten Mietvertrag bezieht und am Ende der zusätzlichen Vereinbarung bei-de Mietvertragsparteien unterschreiben.

Allerdings ist die Rechtslage zum sogenannten Vertragsschluß durch Briefwechsel zur Frage der Einhaltung der gesetzlichen Schriftform noch nicht so „fortschrittlich“: Diese Möglichkeit gibt es nur bei der gewillkürten Schriftform („gewillkürte“ ist die vertragliche, im Gegensatz zur gesetzlichen, § 127 Satz 2 BGB). Allerdings läßt § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB es zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform genügen, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Das setzt aber voraus, daß jede der beiden Urkunden auch die zum Vertragsschluß notwendige rechtsgeschäftliche Erklärung des Vertragspartners enthält. Es genügt nicht, wenn eine der unterschriebenen Urkunden nur die Willenserklärung einer Partei enthält und sich die Willensübereinstimmung erst aus der Zusammenfassung beider Urkunden ergibt (so noch einmal ausdrücklich BGH NJW 2001, 221, 223). In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Vermieter dem Mieter einen bereits unterschriebenen Vertragsentwurf zur Gegenzeichnung übersandt. Der Mieter hatte das Vertragsangebot jedoch nicht so angenommen, wie es ihm gemacht worden war, sondern nur mit Modifizierungen. Das bedeutet nach § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Vertragsangebot des Mieters. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn der Mieter zwar Ergänzungen vorgeschlagen, aber klar zum Ausdruck gebracht hätte, daß er bei einem Beharren des Vermieters auf dem ursprünglichen Angebot dieses Angebot in der ursprünglichen Form auf jeden Fall annehmen wolle und nicht auf seinen Änderungsvorschlägen beharre. Es hätte sich dann um eine uneingeschränkte Annahme verbunden mit einem Ergänzungs- oder Änderungsangebot gehandelt. Dies war in dem BGH-Fall nicht so, so daß das Angebot des Vermieters erst einmal erledigt war. Der Fall ging jedoch noch weiter: Der Vermieter sandte dem Mieter eine Fotokopie des Änderungsangebots des Mieters zurück und nahm damit das modifizierte Vertragsangebot des Mieters an. Damit kam der Mietvertrag zustande, jedoch nicht unter Beachtung der gesetzlichen Form des § 566 BGB mit der weiteren Folge, daß die Kündigungsmöglichkeit des § 566 Abs. 2 bestand. Denn beide Vertragsparteien hatten den Vertragstext nicht auf derselben Urkunde unterschrieben, der Mieter hatte lediglich sein modifizierendes Angebot unterschrieben, der Vermieter auf einem anderen Schriftstück dessen Annahme.
Für die erwähnte Kündigungsmöglichkeit nach § 566 Satz 2 BGB ist auf eine Entscheidung des BGH vom 29. März 2000 (NZM 2000, 545 ff.) hinzuweisen, daß vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen jedenfalls dann nicht maßgebend sind, wenn diese länger sind als die gesetzlichen Kündigungsfristen. Offen bleibt damit, ob kürzere vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen der gesetzlichen Frist des § 566 BGB vorgehen; dies hat der BGH ausdrücklich offengelassen.

Aus der Kündigungsmöglichkeit des § 566 Satz 2 BGB bei nicht gewahrter gesetzlicher Schriftform folgt, daß der Formmangel nicht zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Mietvertrags nach § 125 Satz 1 BGB führt. Das folgt aus dem Regelungssinn des § 566 BGB, der im wesentlichen dem Schutz des Grundstückserwerbers dient, der nur an klar ersichtliche, nämlich schriftliche Abreden gebunden sein soll (und will).
Wird ein Mietvertrag nicht in schriftlicher Form geändert, z. B. die Laufzeit verlängert, die Miete gesenkt oder erhöht, führt dies nach allgemeiner Meinung dazu, daß der zunächst formgültig geschlossene ursprüngliche Vertrag nunmehr gleichfalls der Schriftform entbehrt und als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt (zusammenfassend noch einmal BGH NJW 1994, 1649, 1651). Das gilt auch für eine Änderung/ein Auswechseln von Mietvertragsparteien auf Mieter- oder Vermieterseite (in dem in diesem Heft auf Seite 278 angeführten Fall des Kammergerichts kam es darauf nicht an, denn hier ging es nicht um eine Kündigungsmöglichkeit der einen oder anderen Partei, sondern um die Mietzinsverpflichtung des ursprünglichen Mieters, unabhängig von der Frage, ob das Mietverhältnis wegen der mündlichen Änderungsvereinbarung hätte in Wahrung der Frist des § 566 Satz 2 BGB gekündigt werden und wer das hätte tun können).

§ 139 BGB findet nach allgemeiner Meinung keine (jedenfalls keine direkte) Anwendung. Das führt grundsätzlich zu dem Ergebnis, daß infolge der mündlichen Vertragsänderung (und das gilt z. B. auch für eine mündlich vereinbarte oder konkludent zustande gekommene Mieterhöhung) das Mietverhältnis nunmehr trotz einer ursprünglich formgerecht vereinbarten längeren Mindestmietzeit fristgemäß kündbar ist. Das könnte sich wegen des sich entwickelnden Wohnungsmarktes mit Wohnungsleerstand und teilweise sinkenden Mieten dahingehend auswirken, daß der Mieter, der den Kündigungsschutz des § 564 b BGB hat, nunmehr seinerseits aus dem Mietverhältnis strebt, weil er eine günstigere Wohnung erhalten kann.

Aber wie immer: Vom Grundsatz gibt es Ausnahmen, die Rechtsprechung zeigt „Risse” und zieht Rechtsinstitute heran, denen man mit Skepsis gegenübertreten sollte - Treu und Glauben, unzulässige Rechtsausübung und dergleichen. Das zeigt aber, daß entweder der Gesetzgeber die Situation nicht recht durchdacht hatte, der Gesetzessinn nicht mehr besteht, oder die bisherige Rechtsprechung zur Schriftformnotwendigkeit auch bei Änderungen des Mietvertrages nicht zu Ende gedacht ist.

Höchstrichterlich gibt es den ersten „Einbruch” für den Fall der Änderung der Mindestlaufzeit eines Mietvertrages. Greift nämlich der Änderungsvertrag in den Inhalt des zur Zeit der Änderung bestehenden ursprünglichen Vertrages während dessen Laufzeit in keiner Weise ein, handelt es sich nur um einen reinen (mündlich geschlossenen) Verlängerungsvertrag, sind die Interessen des im Hinblick auf § 571 BGB in erster Linie geschützten künftigen Grundstückserwerbers ausreichend gewahrt, wenn die aus dem formgültigen Ursprungsvertrag nicht ersichtliche Verpflichtung in nicht über die sich aus § 566 Satz 2 BGB ergebende zeitliche Grenze hinaus bindet. Der Formmangel führt deswegen (nur) dazu, daß der ursprüngliche, formgültige Vertrag bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit fest abgeschlossen bleibt und der Verlängerungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Für die Verlängerung gilt dann die Kündigungsmöglichkeit des § 566 Satz 2 BGB (vgl. BGH NJW 1994, 1649, 1651). Diese Rechtsprechung kann insofern verallgemeinert werden, als der Formmangel des Änderungsvertrages dann nicht auf den formgültig geschlossenen Ursprungsvertrag zurückwirkt, wenn der Abänderungsvertrag trennbar ist und der Ursprungsvertrag ohne Einschränkung bestehen bleiben kann (vgl. Lammel, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 566 Rdn. 49 ff.).

Auf Mietzinsänderungen kann das so nicht übertragen werden. Die Miethöhe gehört zu den sogenannten Essentialia des Mietvertrages, mit der Vereinbarung steht und fällt der Mietvertrag. Eine Änderung der Miethöhe hat unmittelbare Einwirkung auf den Ursprungsmietvertrag. Das würde grundsätzlich dazu führen, daß z. B. auch bei einer konkludent durch mehrfache Zahlung angenommenen Mieterhöhung nach § 2 MHG nunmehr der gesamte Mietvertrag nicht mehr der gesetzlichen Form des § 566 BGB entspricht und fristgemäß kündbar wäre. Dem Sinn und Zweck des § 566 BGB dürfte das nicht mehr entsprechen, ein Mieter verstünde es nicht, will er doch gerade durch die schlichte Zahlung dem Papierkrieg entgehen (es sei denn, es ist ein „schlauer” Mieter, der gerade über diesen Trick die Kündigungsmöglichkeit sieht). Da stehen nun die Juristen und müssen die aufgebauten Hürden dogmatisch überwinden. Das geht tatsächlich nur über den Weg der sogenannten unzulässigen Rechtsausübung, letztlich also der Anwendung von § 242 BGB, Treu und Glauben. Der Mieter ist nicht schützenswert, denn er hat der Mieterhöhung zugestimmt. Ein potentieller Grundstückserwerber bedarf auch nicht des Schutzes, denn er hat jedenfalls den Anspruch auf die schriftlich vereinbarte Miete, wenn er mehr erhalten kann, wird er nicht böse sein.

Das gilt allerdings nur für die Mieterhöhung. Es soll ja in der heutigen Zeit auch vorkommen, daß der Vermieter eine Mietzinsherabsetzung akzeptiert, um die Mieter zu halten. Wird dies mündlich vereinbart, kann jetzt der Schutzzweck des § 566 BGB eingreifen. Denn ein potentieller Grundstückserwerber kann mündlich getroffene Abreden, die die Mieteinnahmen schmälern, mangels schriftlicher Vereinbarungen nicht übersehen. Obwohl sich diese Situation erst bei einem tatsächlichen Rechtsübergang auswirken kann, müßte nach der bisherigen Rechtslage bei einer mündlichen Mietherabsetzung der Mieter das Kündigungsrecht trotz eigentlich vereinbarter längerer Mietdauer haben. Diese Rechtsfolge stellt sich als überaus widersinnig dar und soll nach geäußerter Rechtsansicht auch dann dem bisherigen Vertragspartner gegenüber nicht gelten, wenn der Mieter den Formmangel bewußt herbeigeführt hat, insbesondere dem Begehren des anderen Teils auf schriftliche Abfassung des mündlich Vereinbarten unter Berufung auf seine Vertrauenswürdigkeit widersprochen hat (vgl. Lammel, aaO., § 566 Rdn. 54). Auf der anderen Seite ist auch der Schutzzweck für den potentiellen Erwerber fragwürdig, gibt es doch die Möglichkeit vielschichtiger Vereinbarungen zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien, die keine Vertragsänderung darstellen, z. B. Stundung, Erlaß etc. Ein Grundstückserwerber weiß also im Prinzip oft nicht, worauf er sich eingelassen, was er gekauft hat. Wie auch sonst im Geschäftsleben ist hier die Seriosität des Vertragspartners gefragt.

Nichtsdestotrotz: Die Gesetzeslage nötigt dazu, auch bei Vertragsänderungen immer auf Schriftlichkeit zu beharren. Im Rahmen des § 2 MHG gibt es im übrigen den Anspruch auf eine schriftliche Zustimmung (vgl. u. a. Beuermann, Miete und Mieterhöhung bei preisfreiem Wohnraum, 3. Aufl., § 2 MHG Rdn. 107 b).
Die geplante Mietrechtsreform dürfte keine Lösung des Problems bringen. Der Gesetzgeber formuliert zwar anders und regelt, daß der für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form abgeschlossene Mietvertrag für unbestimmte Zeit gilt. Danach ist die Schriftform für derartige Mietverträge nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Die Rechtsfolge ist jedoch dieselbe, nämlich der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit mit der entsprechenden Kündigungsmöglichkeit. Im Ergebnis ändert sich also gar nichts.
Autor: VRiLG a. D. Klaus Schach