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Die steuerliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen
09.10.2000 (GE 1/2000, 47) Nach 40 Jahren DDR waren in den neuen Bundesländern oft nur Reststücke dessen vorhanden, was man Infrastruktur nennt. In den letzten zehn Jahren hat man dort versucht, die Rückstände ruckartig aufzuholen – beim Wasser- und Abwasseranschluß und beim Straßenbau. Die Erschließungsbeiträge für die Anlieger sind teilweise erdrückend – und steuerlich lassen sie sich leider selten absetzen.
1. Vorbemerkung
Beiträge für Maßnahmen der Erschließung von Grundstücken durch den Bau von öffentlichen Straßen, Wegen u. a. (Erschließungsbeiträge) oder der Verbesserung, Erneuerung (Straßenausbaubeiträge) sind ebenso wie Abgaben für nutzungsbezogene Maßnahmen Gegenstand von zahlreichen Streitigkeiten zwischen Kommunen und Grundstückseigentümern. Wenn die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung geklärt ist, tritt zumindest für private Vermieter oder Betriebe oft eine weitere wichtige Frage hinzu: die Berücksichtigung der Beiträge im Steuerrecht. Eine ähnliche Problematik ergibt sich auch für Aufwendungen zur Erstellung von Versorgungsanlagen für Elektrizität, Wärme, Gas und Wasser sowie von Abwasserbeseitigungsanlagen, die als Beträge für leitungsgebundene Anlagen bezeichnet werden können. Im folgenden soll auf die Behandlung der o. g. Aufwendungen im Einkommensteuerrecht näher eingegangen werden.

2. Erschließungsbeiträge
bzw. Straßenausbaubeiträge
Sofern Erschließungsmaßnahmen dazu dienen, das Grundstück baureif zu machen, sind die entsprechenden Beiträge als nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 12. Januar 1995, BStBl. II 1995, S. 632). Denn durch die Baureifmachung wird eine allgemeine Erweiterung der Nutzbarkeit des Grund und Bodens erzielt, die dem Grundstück ein besonderes, über den bisherigen Zustand hinausgehendes Gepräge gibt. Es tritt dadurch eine Werterhöhung des Grund und Bodens ein, die unabhängig von der Bebauung des Grundstücks und dem Bestand eines auf dem Grundstück errichteten Gebäudes erfolgt. Da die Beitragspflicht den Grundstückseigentümer unabhängig von einer bestimmten Grundstücksnutzung trifft, ist auch ein Sachbezug zum Grundstück gegeben. Die Qualifikation als nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens gilt z. B. für
— Erschließungsbeiträge zur Erstanlage einer Straße (BFH-Urteil vom 7. November 1995, BStBl. II 1996, S. 190),
— nachgeforderte Erschließungsbeiträge, die die Gemeinde aufgrund einer Satzungsänderung einfordert, wenn damit lediglich der Berechnungsmaßstab geändert wurde, die Beitragspflicht als solche ihren Grund aber nach wie vor in einer erstmaligen Erschließungsmaßnahme hatte (BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 - III R 114/95), oder für
— Beiträge im Falle von Zweiterschließungsmaßnahmen, die die Nutzbarkeit des Grundstückes erhöhen (BFH-Urteil vom 12. Januar 1995, BStBl. II 1995, S. 632). Davon ist bei Eckgrundstücken in Geschäftsstraßen und bei Hinterliegergrundstücken auszugehen.
Nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens können weder als Werbungskosten/Betriebsausgaben sofort abgezogen werden, noch erhöhen sie die Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung.

Sofern die Erschließungsmaßnahmen aber das Grundstück nicht in seiner Substanz und in seinem Wesen verändern, weil die grundstücksbezogenen Kriterien der Größe, der Lage, des Zuschnitts, der Erschließung und des Grades der Bebaubarkeit durch die Erschließungsmaßnahmen unverändert bleiben, sind die entsprechenden Beiträge als Erhaltungsaufwendungen und damit als sofort abziehbare Werbungskosten/Betriebsausgaben zu werten. Unerheblich ist, ob die Maßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstückes geführt hat. Bei unveränderten grundstücksbezogenen Kriterien sind deshalb Veränderungen bereits vorhandener Erschließungsmaßnahmen und die daraus resultierenden Beiträge als Erhaltungsaufwand zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 16. Juli 1996, BFH/NV 1997, S. 178). Dies gilt insofern z. B. für
— Erschließungsbeiträge zum Ausbau einer provisorischen Straße (BFH-Urteil vom 16. Juli 1996, HFR 1997, S. 145),
— Beiträge für die Ersetzung privater Erschließungsanlagen durch erstmalige öffentliche Einrichtungen (BFH-Urteil vom 7. November 1995, BStBl. II 1996, S. 89) oder
— Straßenausbaubeiträge, die Grundstückseigentümer für die Ersetzung oder Modernisierung bereits vorhandener Erschließungseinrichtungen entrichten müssen (BFH-Urteil vom 2. Mai 1990, BStBl. II 1991, S. 448).

3. Abgaben für
nutzungsbezogene Maßnahmen
Treffen Abgaben den Steuerpflichtigen aufgrund der besonderen Nutzung seines Grundstückes, sind sie entweder als Erhaltungsaufwendungen sofort abziehbare Werbungskosten/Betriebsausgaben oder Herstellungskosten des Gebäudes, die bei der Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen sind.
Beteiligt sich z. B. ein Baustoffhändler und Fuhrunternehmer an den Kosten des Ausbaus der zu seinem Grundstück führenden öffentlichen Straße, weil diese durch seine Fahrzeuge stark beansprucht wird, liegen keine grundstücksbezogenen Abgaben vor. Da sie nicht zu einem neuen aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut führen, sind die entsprechenden Aufwendungen als sofort abziehbare Betriebskosten zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 26. Februar 1980, BStBl. II 1980, S. 687). Ebenso sind auch freiwillige Zuschüsse eines Gewerbetreibenden zur Errichtung einer Fußgängerzone als sofort abziehbare Betriebskosten zu berücksichtigen, weil sich die Höhe der Beträge nicht nach der Grundstücksgröße oder Länge der Straßenfront, sondern nach der Geschäftsfläche richtet (BFH-Urteil vom 12. April 1984, BStBl. II 1984, S. 489).
Beträge zur Ablösung der Verpflichtung des Bauherrn zum Bau von Einstellplätzen sind hingegen als Herstellungskosten des Gebäudes zu werten (BFH-Urteil vom 8. März 1984, BStBl. II 1984, S. 702). Sie fließen damit auch in die Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung ein.

4. Beträge für
leitungsgebundene Anlagen
Entsprechend der Behandlung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen sind Beiträge bzw. Baukostenzuschüsse für die erstmalige Errichtung von außerhalb des Grundstücks liegenden Versorgungsanlagen für Elektrizität, Wasser, Gas und Strom sowie Abwasserbeseitigungsanlagen als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu behandeln (BFH-Urteil vom 15. Februar 1989, BFH/NV 1989, S. 494). Dies gilt z. B. für
— Baukostenzuschüsse für die Gas- und Stromversorgung gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 und für
— Kanalanschluß- oder Kanalbaubeiträge für den erstmaligen Anschluß des Grundstückes an die Kanalisation (BFH-Urteil vom 13. September 1984, BStBl. II 1985, S. 49).
Tritt jedoch der Anschluß an die Versorgungs- oder Abwasserbeseitigungsanlage an die Stelle einer bereits vorhandenen Einrichtung, sind die dafür zu zahlenden Aufwendungen als Erhaltungsaufwendungen zu qualifizieren und im Rahmen der Werbungskosten/Betriebsausgaben sofort abzuziehen, sofern das Grundstück nicht in seiner Substanz und seinem Wesen verändert wird. Dies gilt für
— die sogenannten Ergänzungsbeiträge (BFH-Urteil vom 14. März 1989, BFH/NV 1989, S. 633) oder
— einen Beitrag für den erstmaligen Anschluß an das gemeindliche Kanalisationsnetz, wenn dieser als Ersatz an die Stelle einer eigenen Anlage tritt. Wird z. B. ein bebautes Grundstück, das bisher nur eine Sickergrube hatte, erstmalig an das gemeindliche Kanalisationsnetz angeschlossen und dafür ein Kanalanschluß- bzw. Kanalbaubeitrag fällig (BFH-Urteil vom 6. August 1965, BStBl. III 1965, S. 615).

Demgegenüber sind Hausanschlußkosten für erstmalige Anschlüsse an Versorgungsnetze bzw. Abwasserbeseitigungsanlagen als Herstellungskosten des Gebäudes zu werten, da es sich um Aufwendungen für Anlagen auf dem Grundstück handelt (BFH-Urteil vom 15. Januar 1965, BStBl. III 1965, S. 226). So sind z. B. Aufwendungen des Hauseigentümers für die Herstellung der Zuleitungsanlagen vom Gebäude zum öffentlichen Kanal ebenso wie Kanalanstichgebühren als Herstellungskosten des Gebäudes zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 24. November 1967, BStBl. II 1968, S. 178) und bei der Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen.

5. Schlußbemerkung
Die Problematik der steuerlichen Behandlung von Erschließungs-, Straßenausbaubeiträgen und Beträgen für nutzungsbezogene Maßnahmen oder leitungsgebundene Anlagen ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes konkretisiert worden. In einigen Fällen mag es ein „Trostpflaster“ sein, die ihrer Höhe nach zum Teil erheblichen Zahlungen als Werbungskosten/Betriebskosten oder über eine höhere Absetzung für Abnutzung bei der Einkommensteuer berücksichtigen zu können. Diese Möglichkeit hat jedoch nur derjenige Grundstückseigentümer, der das Grundstück vermietet bzw. für eigene betriebliche Zwecke nutzt. Nutzt er das Grundstück ganz zu eigenen Wohnzwecken, ist eine Geltendmachung nicht möglich, bei teilweiser Wohnnutzung und teilweiser anderer Nutzung, erfolgt eine anteilige Berücksichtigung.