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"Mißbrauchsgebühr"
08.02.2001 (GE 3/2001, 160) Das Bundesverfassungsgericht kennt die schöne Institution der „Mißbrauchsgebühr“. Damit wird derjenige belegt, der ersichtlich ohne jeden triftigen Grund das hohe Gericht anruft. Diese Querulantensteuer soll abschrecken.
Den ordentlichen Gerichten und den Strafgerichten steht dieses Instrument nicht zur Verfügung, weshalb einige ausgewachsene Organe der Rechtspflege, ohne mit einer solchen belegt zu werden, das Tiergartener Amtsgericht in Moabit kurz vor Weihnachten verlassen durften. Doch der Reihe nach: Es geschah im August 1999. Der Berliner Rechtsanwalt Hanns-Ekkehard Plöger hatte mehr oder minder engagiert einen Nebenkläger im sog. La-Belle-Prozeß vertreten und dabei einer Zeugin eine Frage gestellt, die offenbar keiner im Saal verstand. Die Strafverteidigerin Andrea Würdinger erklärte daraufhin: „Die Frage haben Sie ja nur so gestellt.“ Darauf Rechtsanwalt Hanns-Ekkehard Plöger: „Dann können Sie besser in mein Hirn reinsehen als ich selbst.“ Darauf Andrea Würdinger: „Da ist ja nichts.“ Plöger beantragte, die Beleidigung protokollieren zu lassen, wovor ihn, um auf einen Schalk anderthalb zu setzen, Würdingers Kollege, der Strafverteidiger Rüdiger Portius, mit folgenden Worten warnte: „Ich würde mir das überlegen. Es könnte daraus ein Verfahren entstehen, in dem der Wahrheitsbeweis angetreten werden muß.“ Der Mann muß über prophetische Gaben verfügen. Zwar stellte die Staatsanwaltschaft das von Plöger angestrengte Verfahren zweimal ein, weil es sich bei den Äußerungen um Satire gehandelt habe, aber schließlich erzwang das Kammergericht den Prozeß, bei dem es sozusagen um die Frage ging, was bitte sich im Kopf von Rechtsanwalt Hanns-Ekkehard Plöger befinde. Feinsinnig - Nichtjuristen nennen das Haarspalterei - nahm Berlins Starverteidiger Gerhard Jungfer als Vertreter der beiden angeklagten Kollegen Portius und Würdinger die Tat auseinander und wies messerscharf nach, daß es sich um Satire handelte, die noch dazu das Opfer selbst in den Diskurs eingeführt habe: Schließlich habe Plöger gesagt, die Rechtsanwältin Würdinger könne in sein Gehirn sehen, weshalb diese mit Unsinn auf Unsinn habe antworten dürfen. Und schließlich habe Plöger - in bezug auf den La-Belle-Prozeßstoff - nichts im Kopf, weil er die Akten des seit drei Jahren laufenden Prozesses noch nicht abgeholt habe, in den Verhandlungen häufig fehle und, wenn er da sei, auch noch gelegentlich einnicke (was natürlich gar nichts sagt, hat doch vor einigen Jahren das laute Schnarchen eines Richters am Bundesverwaltungsgericht während einer Verhandlung nicht dazu geführt, daß seine Kollegen bei einer entsprechenden Prozeßrüge zur Auffassung gelangt wären, er hätte der Verhandlung nicht folgen können). Immerhin war wenigstens der mit dem Verfahren befaßte Amtsrichter ein kleiner Salomon. Er entschied: Bei den Äußerungen der beiden angeklagten Anwälte habe es sich zwar um Beleidigungen gehandelt, allerdings in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Deshalb: Freispruch. Schön wäre es gewesen, wenn das Gericht gegen alle drei Organe der Rechtspflege eine kleine Mißbrauchsgebühr hätte verhängen können.