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Das alte Kreuz
08.02.2001 (GE 3/2001, 157) Es ist schon ein Kreuz mit der Politik: Ihr Einfallsreichtum ist schier grenzenlos, wenn es darum geht, Steuern zu erfinden und einzutreiben - weshalb denn auch das Bemühen des Bürgers unausrottbar ist, eben diesen Steuern zu entgehen, was eigentlich nur dann auf Dauer gelingt, wenn einer - wie die Firmen des neuen Marktes - verläßlich Verluste produziert oder wenn er - Arbeitnehmer-Alternative - das Arbeiten einstellt, um die sozialen Unterstützungskühe melken zu können.
Beide Seiten - Politiker und Bürger - verhalten sich, bei Lichte betrachtet, derart paradox, daß selbst Psychiater verzweifeln müßten: Die eine Hälfte der Politiker senkt die Einkommensteuer ein wenig, die andere Hälfte erfindet dafür die Öko-Steuer. Die eine Hälfte der Bürger arbeitet immer härter für das Privileg, immer höhere Steuern zahlen zu dürfen; die andere Hälfte hält es mit den Italienern, für die Steuerehrlichkeit nur eine mildere Form des Schwachsinns ist.
Auf die einfache Lösung, die Steuern drastisch zu senken, die Zahlung von Subventionen einzustellen und die gesenkten Steuern andererseits pünktlich und vollständig zu zahlen, wird man wohl auch in den nächsten Jahrhunderten vergeblich warten müssen.
Ist schon das Verhalten beider Seiten in der Steuerfrage von Logik weit entfernt, so ist der Umgang mit dem angesammelten Wohlstand, mit dem ersparten Vermögen noch weniger verständlich. Der Bürger soll sparen, sein Häuschen bauen, sein Sparbuch anfüttern, seine Wertpapiere kaufen, seine Lebensversicherung abschließen. Das wurde - und wird noch heute - durch Zuschüsse gefördert (Bausparprämien); das wird nun zunehmend mit Steuern bestraft (Zinsabschlagsteuer, definitive Körperschaftsteuer auf Dividenden). Der Bürger spürt zunehmend, daß er einmal und zweimal und dreimal gemolken wird - nur um auf der anderen Seite eine Rentendebatte zu erleben, bei der die private Vorsorge die sinkenden Rentenleistungen kompensieren soll. Und um sie, die private Kompensation, zu stimulieren, stellt die Politik - na, was wohl? - steuerliche Förderung in Aussicht! Blödsinniger geht’s nimmer.
Der Fiskus kann es nicht lassen, die Wohlhabenden im Lande über Gebühr zur Ader zu lassen. Er ist auch noch immer der Ansicht, wer sich - direkt oder indirekt - an der Errichtung eines Bauvorhabens durch Hingabe von Kapital beteilige, verdiene wegen ausgewiesener Blödheit keine Gnade: Wenn schon die Ausschüttungen niedrig sind, dann wäre es ja noch schöner, wenn gar temporäre Verluste mit anderweitigen Gewinnen in vollem Umfange verrechnet werden könnten. Wenn gar Überschüsse erzielt werden, dann wäre es ja geradezu skandalös, könnte sie der Bauherr durch Geltendmachung von Abschreibungen kompensieren, die dem heutigen immer schnelleren Modernisierungs- und Umbaubedarf entsprächen.
Daß von Hamburg bis München die durchschnittliche Kaltmiete für Wohnungsneubauten inzwischen 16 bis 19 DM beträgt, daß sie sich selbst für Bauten der letzten 40 Jahre auf 13 bis 17 DM beläuft (3 Zimmer, ca. 70 m2, mittlerer Wohnwert), sollte doch kommunale wie Bundespolitiker auf die Idee bringen, den Wohnungsbau zu stimulieren und ihn nicht weiter zu behindern - durch Mietgesetzänderungen einer Ministerin und zweier Bundestagsfraktionen zum Beispiel, die gegen die Einwendungen aller Verbände so resistent sind wie Schnupfenviren. Rechthaberei gepaart mit wirtschaftlichem Unverstand.
Sachkenntnis sei das letzte, was man für eine lebhafte Diskussion benötige, schrieb Beaumarchais. Schlimm ist, daß das gleichermaßen fürs politische Handeln gilt, wenn es um den Wohnungsbau, die Steuern und die Vermögensanlage geht.
Autor: Dietmar Otremba