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Für Alteigentümer: Urteil des Bundesgerichtshofs zum Geldsparen
Voraussetzungen bei einseitiger Zinsanpassung von DDR-Altkrediten
08.01.2001 (GE 1/2001, 28) Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes gibt vielen Alteigentümern, bei denen nach der Währungsunion die Kreditinstitute saftige Zinserhöhungen für noch vorhandene Kredite verlangt haben, die Möglichkeit, Zinszahlungen teilweise zu verweigern und überzahlte Zinsen zurückzufordern.
I. Vorbemerkung
Sind in der früheren DDR bis zum 30. Juni 1990 von (DDR-) Kreditinstituten Kredite vergeben worden, so bestand für die Kreditinstitute die Möglichkeit - abweichend von der vertraglichen Regelung - einer einseitigen Zinsanpassung. Geregelt worden war dies im sogenannten Zinsanpassungsgesetz vom 24. Juni 1991 (BGBl. I 1991 S. 1314), das zum 1. Juli 1991 in Kraft getreten ist. Die früheren DDR-Kreditinstitute (i. d. R. die Sparkassen und die Staatsbank der DDR) haben von dieser einseitigen Zinsanpassungsmöglichkeit i. d. R. gegenüber den Kreditnehmern Gebrauch gemacht. Besonders betroffen davon sind auch heute noch die Eigentümer früherer zwangsverwalteter Grundstücke, insbesondere von Mietwohnhäusern, bei denen durch den staatlichen Zwangsverwalter oder sonstige Dritte oder auf staatliche Anordnung hin Kreditverträge zu Lasten des Grundstückseigentümers abgeschlossen wurden (i. d. R. zur Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen). Mit der Beendigung der Zwangsverwaltung trat der Grundstückseigentümer in die bisher abgeschlossenen Rechtsverhältnisse ein, insbesondere auch in die bis zu diesem Zeitpunkt vom Verfügungsbefugten abgeschlossenen Kreditverträge. Bei enteigneten, insbesondere Mietwohngrundstücken, trat mit bestandskräftiger Rückübertragung gleichfalls der Rückübertragungsberechtigte in die bis zur Rückübertragung abgeschlossenen Darlehensverträge ein, vgl. § 16 Abs. 2 VermG.
Der BGH hat im Urteil vom 4. April 2000 (ZOV 2000, 390) zu der Wirksamkeit der Anpassungserklärung nach dem ZinsanpassungsG Stellung genommen und unter Aufhebung einer Vorentscheidung des Kammergerichts den einseitigen Anpassungsanspruch der Kreditinstitute beschränkt.

II. Voraussetzungen der einseitigen
Zinsanpassungsausübung
Nach dem ZinsanpassungsG mußte bis zur Ablauffrist 30. September 1991 dem Kreditnehmer die Erklärung über die einseitige Anpassung der Darlehenszinsen zugegangen sein, § 1 Abs. 1 Satz 2 ZinsanpassungsG. War bis zu diesem Zeitpunkt bereits eine staatliche Zwangsverwaltung über ein Grundstück nach § 11 Abs. 1 VermG bestandskräftig aufgehoben, konnte rechtswirksam die Anpassungserklärung des Kreditinstitutes nur noch gegenüber dem Grundstückseigentümer erfolgen, weil mit bestandskräftiger Aufhebung der staatlichen Verwaltung und somit Aufhebung der Verfügungsbeschränkung dieser nach § 16 Abs. 2 VermG als Kreditnehmer in das Vertragsverhältnis eingetreten war. Gleiches galt für bis 30. September 1991 erfolgte bestandskräftige Rückübertragungen von i. d. R. enteigneten Grundstücken. Überwiegend dürfte allerdings bis zum Fristablauf 30. September 1991 noch der Verfügungsbefugte (früherer Verwalter) oder Rechtsträger (des volkseigenen Grundstückes) für den Empfang der Anpassungserklärung zuständig gewesen sein.
Der BGH verlangt für die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Anpassungserklärung bis 30. September 1991 eine inhaltlich unzweifelhaft bestimmte Erklärung des Kreditinstitutes, daß von diesem in Abänderung des bisher vertraglich Vereinbarten einseitig eine Zinsveränderung nach dem ZinsanpassungsG erklärt wird. Nicht ausreichend ist die Mitteilung in einem Schreiben des Kreditinstitutes über den gesamten Altkreditbestand zu einem bestimmten Stichtag und der Forderung, für diesen Nominalbetrag zukünftig in einer bestimmten Höhe Zinsen zu zahlen. Der BGH meint, aus einem solchen Mitteilungsschreiben ergäbe sich nicht hinreichend die Gestaltungserklärung, durch die nach § 1 Abs. 1 ZinsanpassungsG das Kreditinstitut unmittelbar in die Rechtsstellung des Kreditnehmers eingreifen könne. Aufzuklären ist also, ob bei von Kreditinstituten vorgenommenen Zinsanpassungen tatsächlich die Gestaltungserklärung das vom BGH aufgestellte Erfordernis einer unzweifelhaften Gestaltungserklärung erfüllt.
Schließlich ist aufzuklären, ob eine solche ausreichende Gestaltungserklärung des Kreditinstitutes auch fristgemäß bis 30. September 1991 dem damaligen Verfügungsbefugten, Rechtsträger oder Eigentümer nachweislich zugegangen ist. Das Kammergericht meinte noch, eine zumindest im Jahre 1992 gemachte Erklärung könne als ausreichende Ausübung des einseitigen Gestaltungsrechtes nach dem ZinsanpassungsG angesehen werden und zumindest ab Rechtswirksamkeit dieser Erklärung zukünftig die erhöhten Zinsen verlangt werden. Anders der BGH, der unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut des ZinsanpassungsG und die Gesetzesmotive, wonach die Erklärungsfrist 30. September 1991 zum Zwecke der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erlassen wurde, meint, daß erst nach dem 30. September 1991 von den Kreditinstituten ausgeübte Gestaltungsrechte zur einseitigen Anpassung der Zinsen unwirksam sind und deshalb nicht zur einseitigen Zinsanpassung berechtigen. Der 30. September 1991 stellt somit eine absolute Ausschlußfrist dar.

III. Rückforderung rechtsgrundlos
gezahlter Zinsen
Der BGH hat in seinem Urteil vom 4. April 2000 des weiteren festgestellt, daß geleistete, erhöhte Zinszahlungen von dem Kreditinstitut wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 1. Alternative 1 BGB) zurückzuerstatten sind, wenn die Zahlungen rechtsgrundlos erfolgten. Ist fristwahrend bis 30. September 1991 dem Kreditnehmer keine oder eine nicht ausreichende, d. h. unwirksame Gestaltungserklärung zugegangen, und sind dann gleichwohl Zinszahlungen erfolgt, können diese nunmehr vom Kreditinstitut zurückverlangt werden.

IV. Ergebnis
Insbesondere bei rückübertragenen oder aus der Zwangsverwaltung entlassenen Grundstücken bzw. Unternehmen, bei denen von Kreditinstituten noch aus DDR-Krediten angepaßte Zinsansprüche nach dem ZinsanpassungsG geltend gemacht werden, ist aufzuklären, ob überhaupt eine rechtswirksame Gestaltungserklärung bis 30. September 1991 erfolgt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Eigentümer die erhöhten Zinszahlungen verweigern und im übrigen die zuviel gezahlten Zinsen (einseitig angepaßt durch das Kreditinstitut nach dem ZinsanpassungsG) von dem Kreditinstitut zurückfordern. Im entschiedenen Fall betraf dies immerhin allein Zinsrückforderungen von annähernd 2,5 Mio. DM zzgl. Verzugszinsen seit Geltendmachung des Rückforderungsanspruches. Da Anfang der 90er Jahre das Zinsniveau besonders hoch war und aufgrund des ZinsanpassungsG sogar rückwirkend eine erhöhte Zinsregelung ab 3. Oktober 1990 an die damaligen bestehenden Marktzinsen möglich war, dürften bei hohen Altkreditverbindlichkeiten aus DDR-Zeiten bei verfristeten oder unwirksamen Gestaltungserklärungen i. S. d. ZinsanpassungsG enorme Zinsverluste bei den Kreditinstituten und Rückforderungsansprüche bestehen.
Autor: Gunnar Schnabel